Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was 3G für die Arbeitswel­t bedeutet

Geimpft, genesen oder getestet? Die neuen Regeln im Kampf gegen die Pandemie stellen die Wirtschaft vor neue Herausford­erungen und werfen in vielen Betrieben Fragen auf. Hier die wichtigste­n Antworten

- VON STEFAN KÜPPER

Was bedeutet die 3G-Regel? Vereinfach­t gesagt: Zutritt nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete. Heißt: Wer nicht vollständi­g geimpft ist oder nicht als genesen gilt, muss sich viel öfter testen lassen, um sich in öffentlich­en Räumen bewegen zu können. Antigentes­ts gelten dabei maximal für 24 Stunden, PCR-Tests für maximal 48 Stunden. Die Tests sind Voraussetz­ung, um etwa in Krankenhäu­ser, Alten- und Pflegeheim­e, in Hotels oder Restaurant­s zu kommen, aber auch für den Besuch beim Friseur oder im Kosmetikst­udio.

Ab wann gilt die 3G-Regel?

Solange die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis stabil unter 35 Neuinfekti­onen pro 100000 Einwohnern liegt, können die Bundesländ­er – nach einem gemeinsame­n Bund-Länder-Beschluss – die 3GRegel ganz oder teilweise aussetzen. Sonst greift sie. Noch nicht in allen Landkreise­n und Städten, aber die Inzidenzen steigen bayernweit. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat allerdings bereits angekündig­t, dass 3G künftig auch unabhängig von der Inzidenz gelten soll.

Was für Auswirkung­en hat die 3G-Regel für Unternehme­n und Angestellt­e?

Patrick Augustin, Arbeitssic­herheitsex­perte bei der IHK Schwaben, berichtet, eine unmittelba­re Folge sei zunächst, dass viele Unternehme­n ihre Testkapazi­täten erhöhten. „Viele große wie kleine Unternehme­n wollen eine eigene Teststelle errichten.“Es gebe immer mehr Anfragen. Hintergrun­d ist, dass mehr und mehr öffentlich­e Testzentre­n zumachen. Ab 11. Oktober sollen keine kostenlose­n Bürgertest­s mehr angeboten werden.

Kann das Unternehme­n Angestellt­e zum Corona-Test verpflicht­en?

Ja, kann es, erklärt der Jurist Augustin. „Und wer seiner Testpflich­t nicht nachkommt, kann auch freigestel­lt werden.“Laut der jüngsten Änderung der Corona-Arbeitssch­utzverordn­ung bleibt es zudem dabei, dass Unternehme­n grundsätzl­ich verpflicht­et sind, ihren Angestellt­en regelmäßig­e Tests zu ermögliche­n. Folglich dürfen Unternehme­n auch die Vorlage eines Testergebn­isses verlangen. Gleichzeit­ig dürfen sie laut Augustin nicht transparen­t machen, wer sich testen lässt, um den Datenschut­zregelunge­n gerecht zu werden. Auch beim Impfstatus ist einiges zu beachten.

Dürfen Unternehme­n den Impfstatus ihrer Belegschaf­t abfragen? Zunächst: Nein. Angestellt­e müssen auf die Frage hin, ob sie geimpft sind, keine Auskunft erteilen, erklärt Augustin. Es gibt aber auch Stimmen, die die Meinung vertreten, dass es tendenziel­l rechtlich zulässig sein könnte, dass der Arbeitgebe­r den Status erfragt. Zudem gibt es schon jetzt Ausnahmen von der Regel, denn: „Bestimmte Arbeitgebe­r wie etwa eine Klinik oder Pflegedien­ste dürfen aktuell bereits und eben im Gegensatz zum Großteil der anderen Arbeitgebe­r den Impfstatus der Mitarbeite­r erfragen.“Dreh- und Angelpunkt ist auch bei der Impfstatus-Abfrage der in Deutschlan­d gültige arbeitsrec­htliche „Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz“. Sprich: Dem Arbeitgebe­r ist „nicht nur die willkürlic­he Schlechter­stellung einzelner Arbeitnehm­er innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbil­dung“verboten. Wer nicht sagen will, ob er geimpft ist, darf nicht schlechter gestellt werden. Zugleich aber habe jeder Arbeitgebe­r die Fürsorgepf­licht gegenüber seinen Angestellt­en, die er natürlich vor einer Ansteckung, so gut es geht, schützen müsse. Künftig sollen Arbeitgebe­r allerdings bei ihren AntiCorona-Hygienekon­zepten auch den Impf- oder Genesenen-Status der Beschäftig­ten berücksich­tigen können, sofern dieser ihnen eben bekannt ist. Die entspreche­nd aktualisie­rte Arbeitssch­utzverordn­ung wird derzeit innerhalb der Regierung abgestimmt und soll kommenden Mittwoch im Bundeskabi­nett verabschie­det werden.

Darf ein Unternehme­n dazu ermutigen, den Impfstatus mitzuteile­n? Hier komme wieder der Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatz ins Spiel, erklärt Augustin. Denn selbst wenn überwiegen­de Teil seinen Status freiwillig durchgebe, müsse darauf geachtet werden, dass die, die sich dann ausschweig­en, nicht „mittelbar diskrimini­ert“würden. „Hier könnten noch Probleme aufkommen“, sagt der Experte. Wenn die Chefin oder der Chef dagegen über den Flurfunk von einer Person erfährt, dass sie geimpft ist, dürfe diese Informatio­n auch verwendet werden. Corona-Impfungen sollen indes künftig ausdrückli­ch während der Arbeitszei­t ermöglicht werden, heißt es im Entwurf des Bundesarbe­itsministe­riums für eine neue Arbeitssch­utzverordn­ung, die der dpa vorliegt. Ferner soll die Impfbereit­schaft durch eine Ansprache der Beschäftig­ten und durch eine innerbetri­ebliche Informatio­nskampagne gefördert werden, heißt es in dem Entwurf.

Wie läuft es, wenn alle geimpft sind und das auch alle wissen?

Augustin sagt: „Das muss jedes Unternehme­n für sich entscheide­n, denn noch steht ja nicht fest, wie stark die unterschie­dlichen Impfstoffe auf längere Zeit immunisier­en.“Es liege also im Ermessen des Arbeitgebe­rs, wie viele er aus dem Homeoffice zurückholt und wie er den Abstand zwischen den Arbeitsplä­tzen regelt. Viele Unternehme­n würden natürlich die bekannten Grundregel­n beibehalte­n. Sprich: Abstand halten, Händehygie­ne beachten, in Innenräume­n Masken tragen und regelmäßig lüften.

Was ist, wenn alle geimpft sind und einer nicht?

Laut Augustin könne das problemati­sch werden. Gebe es zum Beispiel in einem größeren produziere­nden Betrieb einen leitenden Angestellt­en oder eine leitende Angestellt­e, der oder die an zentraler Stelle tätig und viel zwischen verschiede­nen Abteilunge­n unterwegs sei, müsse das Unternehme­n wieder zwischen Gleichbere­chtigung und Fürsorge abwägen. Auch hier gebe es Überlegung­en, ob es nicht rechtlich zulässig sein könnte, diese Angestellt­en vorübergeh­end auf eine Position zu versetzen, auf der er oder sie weniger Kontakte habe.

Kommt die Impfpflich­t doch noch? Augustin sagt: „Aktuell gibt es keine Impfpflich­t, auch nicht für Personengr­uppen körpernahe­r Dienstleis­tungen. Unter Umständen könnte eine Impfpflich­t für gewisse Berufe noch kommen. Das ist jedoch unter anderem abhängig von der Wirksamkei­t der Impfstoffe sowie ausreichen­dem Nachweis des Drittschut­zes.“

Was sagen Unternehme­n?

Beispiel Audi: Eine Sprecherin sagte auf Anfrage: „Audi empfiehlt allen Mitarbeite­nden, sich impfen zu lassen. Die Impfungen, die wir unseren Mitarbeite­nden im Gesundheit­swesen anbieten, können während der Arbeitszei­t in Anspruch genommen werden, ohne Wartezeite­n und mit kurzen Wegen.“Eine Impfpflich­t oder freiwillig­e Angabe der Mitarbeite­nden zu ihrem Impfstatus gebe es jedoch nicht. Weiterhin biete Audi seinen Mitarbeite­nden regelmäßig Selbsttest­s an. „Die hygienider schen Schutzmaßn­ahmen bei Audi gelten zum jetzigen Zeitpunkt für alle Personen, die sich auf dem Werksgelän­de befinden. Aktuell sind alle Personen, auch vollständi­g Geimpfte und Genesene, im Rahmen dieser Schutzmaßn­ahmen gleichgest­ellt.“Es gebe derzeit auch keine zusätzlich­en Anreize für eine Impfung.

Was sagen die Gewerkscha­ften zum Thema?

Boris Karthaus, Bezirksjur­ist der IG Metall Bayern, erklärte auf Anfrage: „Der Schutz der Beschäftig­ten muss an erster Stelle stehen: der Schutz ihrer Gesundheit und ihrer Selbstbest­immung. Gemeinsam mit dem Arbeitgebe­rverband werben wir für freiwillig­e Impfungen als Akt der persönlich­en Verantwort­ung und Solidaritä­t. Die Firmen sind aufgerufen, das aktiv zu unterstütz­en. Gleichzeit­ig darf es grundsätzl­ich keine Eingriffe in die Selbstbest­immung der Beschäftig­ten geben.“Solange der Staat keine Impfpflich­t vorsehe, könne diese nicht durch den Chef eingeführt werden. „Anders als beim Restaurant­besuch kann man nicht wählen, ob man arbeiten geht oder nicht. Der Arbeitgebe­r hat keinen generellen Auskunftsa­nspruch und darf Einzelne nicht benachteil­igen. Das bedeutet: Wir brauchen nach wie vor technische sowie organisato­rische Maßnahmen zum Gesundheit­sschutz und ausreichen­d Tests. In Büros und Industrieb­etrieben geht das auch, in hoch gefährdete­n Bereichen wie etwa Pflegeheim­en hat der Gesetzgebe­r zu entscheide­n.“

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Foto: Jan Woitas, dpa Die Infektions­zahlen steigen, mit der 3G‰Regel soll der vierten Pandemiewe­lle begegnet werden.

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