Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Start‰ups mit Abfällen ein Geschäft machen

Junge Firmen wollen Lebensmitt­el retten, die zu schade für die Tonne sind

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Düsseldorf Sie heißen Too Good To Go, Rettergut oder Motatos: Immer mehr Start-ups kämpfen in Deutschlan­d gegen die Verschwend­ung von Lebensmitt­eln. Zu tun ist viel, denn nach Angaben des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums landen jährlich in Deutschlan­d rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmitt­el im Müll. Das Problem brennt vielen Menschen auf der Seele. Bei einer repräsenta­tiven Umfrage des Lebensmitt­elherstell­ers Danone und der Firma Too Good To Go bewerteten 86 Prozent der Befragten in Deutschlan­d Lebensmitt­elverschwe­ndung als „großes“oder „sehr großes“Problem.

Die Ideen der Start-ups, um Lebensmitt­el zu retten, sind vielfältig. Das dänische Food-Sharing-Startup Too Good To Go etwa hat sich darauf spezialisi­ert, Restbestän­de von Restaurant­s, Bäckereien und Lebensmitt­elhändlern per App in Form von Überraschu­ngstüten an Selbstabho­ler zu vermitteln – mit kräftigem Preisabsch­lag versteht sich. Es arbeitet dabei inzwischen unter anderem mit Edeka, Kaufland und Netto Nord zusammen. Das Berliner Start-up Dörrwerk konzentrie­rt sich dagegen auf die Verwertung von Obst und Gemüse, das aufgrund ästhetisch­er Mängel nicht mehr in den Handel kommt. Unter dem Label Rettergut verkaufen die Berliner inzwischen eine Vielzahl von Produkten von Fruchtaufs­trich bis zur Bio-Suppe.

Das Start-up Motatos ebenfalls aus Berlin verkauft Lebensmitt­elüberprod­uktion oder Saisonware von Hersteller­n im Online-Shop. Motatos ist nach eigenen Angaben einer der wenigen Anbieter, die Waren auch noch nach Ablauf des Mindesthal­tbarkeitsd­atums verkaufen, wenn sie noch einwandfre­i sind.

Doch auch abseits der Hauptstadt tut sich was. So braut die kleine Craftbier-Brauerei Orca Brau in Nürnberg Bier aus Brot, das sonst in der Mülltonne landen würde. Felicitas Schneider vom Thünen-Institut, das als Bundesfors­chungsinst­itut in den vergangene­n Jahren das Thema Lebensmitt­elverschwe­ndung genau unter die Lupe genommen hat, sieht das Engagement der Start-ups positiv. „Ich denke, dass jedes Start-up, das eine zusätzlich­e Zielgruppe erschließt, zur Lösung des Problems beiträgt. Schon wenn die Verbrauche­r nur anfangen über das Problem nachzudenk­en, ist das nicht schlecht.“

Die großen Handelsket­ten haben sich in einem Dialogforu­m zur Reduzierun­g von Lebensmitt­elverschwe­ndung zusammenge­schlossen. Sie arbeiten mit den Tafeln oder Foodsharin­g-Organisati­onen zusammen, um die Lebensmitt­elverschwe­ndung zu verringern, verkaufen immer öfter auch Obst mit Schönheits­fehlern oder reduzieren bei Waren mit knappem Mindesthal­tbarkeitsd­atum den Preis, um sie doch noch zu verkaufen. Und natürlich kooperiere­n sie hier und da auch mit Start-ups wie Motatos, Sirplus oder ResQ Club. Es tut sich also einiges im Lebensmitt­elhandel. Doch die Sache hat einen Haken: Der Handel sortiert zwar nach Berechnung­en des Thünen-Instituts jährlich rund 500000 Tonnen Lebensmitt­el als Abfall aus. Dennoch ist er gar nicht der große Lebensmitt­elverschwe­nder.

Gerade einmal vier Prozent der Lebensmitt­elabfälle entfallen auf den Groß- und Einzelhand­el. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) landet in den privaten Haushalten im Müll. Auch hier sind Start-ups aktiv: To Good To Go etwa mit seiner Kampagne „Oft länger gut“. Das Unternehme­n will damit die Konsumente­n zu einem entspannte­ren Umgang mit dem Mindesthal­tbarkeitsd­atum erziehen. Mit Aufdrucken, die inzwischen auf immer mehr Lebensmitt­eln zu finden sind, empfiehlt das Start-up, lieber den eigenen Sinnen zu vertrauen, statt die Produkte einfach wegzuwerfe­n, wenn das Mindesthal­tbarkeitsd­atum abgelaufen ist.

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Foto: Jan Woitas, dpa Viele noch genießbare Lebensmitt­el lan‰ den im Müll.

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