Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Höchste Urlaubsgef­ühle

Die spanische Touristens­tadt Benidorm erlaubt Hotels mit unbegrenzt­en Höhen. Das ist nicht schön, doch Städteplan­er und Umweltschü­tzer sehen hier das Konzept der Zukunft

- VON RALPH SCHULZE

Benidorm Die Skyline, die schon bei der Anfahrt über die Autobahn aus kilometerw­eiter Entfernung in Sicht kommt, erinnert an New York: Ein Wolkenkrat­zer neben dem anderen ragt hoch in den blauen Himmel. Im Hintergrun­d, zwischen den Straßensch­luchten, funkelt in der Sonne das türkisblau­e Meer. Ein Kontrast, der Benidorm auch den Beinamen „Manhattan am Mittelmeer“einbrachte.

Gerade ist ein neues und atemberaub­endes Hochhaus in dieser Betonlands­chaft im Osten Spaniens fertiggest­ellt worden. Der Apartmentr­iese „Intempo“, der mit 198 Metern laut Eigenwerbu­ng „das höchste Wohnhaus Spaniens“ist.

47 Stockwerke hoch, 256 Wohnungen, alle haben Meerblick. Mit Pool, Spa und Restaurant im obersten Stockwerk. Und High-SpeedAufzü­gen, die in weniger als einer Minute an die Spitze des Doppelturm­s rasen. Die teuersten Wohnungen ganz oben, im Himmel von Benidorm, kosten weit mehr als eine Million Euro, hört man.

„Dieser Wolkenkrat­zer wurde zum Symbol für die Spekulatio­n und den Immobilien­boom“, kommentier­t der öffentlich­e spanische Fernsehsen­der TVE das Gigantenwe­rk. Ein Boom, der noch immer nicht zu Ende ist. Sieben weitere Wohn- und Hotelhochh­äuser werden derzeit in Benidorm gebaut oder geplant.

Das urbane Konzept dieser Stadt, 40 Autominute­n nördlich vom Urlauber-Airport Alicante entfernt, ist am ganzen Mittelmeer einzigarti­g: Benidorm wächst vor allem in die Höhe, aber kaum in die Breite, das reduziert den Flächenver­brauch. Bisher hat diese Ferienstad­t aus himmelstür­menden Konstrukti­onen bereits 27 Turmbauten, die höher als 100 Meter sind.

Nicht nur die Aussicht aus dem obersten Stockwerk des neuen „Intempo“-Gebäudes, das einen Steinwurf vom langen Poniente-Sand

entfernt aufragt, ist schwindele­rregend. Auch wenn man unten an der Playa im Sand liegt, beeindruck­t der Stahlbeton­riese: „Wenn du nach oben guckst, hast du das Gefühl, dass die Türme auf dich drauffalle­n“, sagt die spanische Urlauberin Nieves González, die neben ihrem Mann am Strand in der Sonne brät. Vor allem Spanier drängeln sich in diesem Sommer in Benidorm, das Spaniens bekanntest­e und meistbesuc­hte Urlaubsbad­estadt ist. Die Briten, die normalerwe­ise hier in Scharen einfallen, sind in diesem zweiten Covid-Sommer nur eine kleine Minderheit. Deutschspr­achige Touristen verirren sich auch in normalen Zeiten eher selten in dieses Mekka des Massentour­ismus, in dem das ganze Jahr über Betrieb herrscht: Im Sommer kommen Fastrand milien und junge Leute, im Winter vor allem Rentner. Wenigstens 70000 Touristenb­etten gibt es in Hotels und Apartmentb­locks. Die allermeist­en Betten sind in diesen Spätsommer­tagen belegt.

Wer einen Platz am Strand mit Sicht aufs Wasser haben will, muss früh aufstehen. Die ersten rammen morgens um sieben, noch vor dem Frühstück, ihre Sonnenschi­rme in den Sand, um sich ihr Territoriu­m zu sichern. Auch wer in einer Bar eine Sangria trinken möchte, muss meist Schlange stehen, um einen Tisch zu bekommen.

Dass Kritiker Benidorm als öde Betonwüste bezeichnen, wischt Bürgermeis­ter Toni Pérez vom Tisch: Der Erfolg dieser Ferienstad­t, die niemals schläft und in der auch im Winter Sonne und milde Temperatur­en locken, spreche für sich. „Wir haben Gäste, die kommen vier oder fünf Mal im Jahr und in verschiede­nen Jahreszeit­en“, sagt er. „Irgendetwa­s Attraktive­s muss diese Stadt dann ja wohl haben.“

Vor 70 Jahren war Benidorm ein Fischernes­t. Doch als die Netze leerer wurden, kam dem damaligen Bürgermeis­ter Pedro Zaragoza der rettende Einfall: Benidorm sollte zum Musterort für Sonnen- und Strandurla­ub werden. Und zwar mit einem Bebauungsp­lan, der das Wachstum in unbegrenzt­e Höhe erlaubte. Das Ergebnis: Benidorm gilt heute als die europäisch­e Stadt mit der größten Wolkenkrat­zerdichte pro Quadratkil­ometer.

Diese Kulisse mögen nicht alle schön finden, doch das Experiment am Mittelmeer findet den Beifall von Städteplan­ern, sogar von Umweltschü­tzern. Durch diese urbane Konzentrat­ion in der Höhe werde weniger Landschaft zubetonier­t. Und es gebe weniger Energie- sowie Wasserverb­rauch. Auch die Transportw­ege seien geringer, weil alles nah beieinande­r liege. „Benidorm“, bekräftigt ein Sprecher der örtlichen Architekte­nvereinigu­ng, „ist sehr viel nachhaltig­er als andere Orte.“

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Foto: Lars ter Meulen, dpa Hoch, höher, Benidorm: Die Stadt im Osten Spaniens verzeichne­t bereits 27 Turm‰ bauten, die höher als 100 Meter sind.

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