Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Unterordne­n, das passt nicht zu mir“

Der 23-jährige Leon Löwentraut hat bereits als Schüler Bilder verkauft. Seine Arbeiten werden seit 2015 internatio­nal ausgestell­t. Das Bayerische Nationalmu­seum überrascht mit einer Schau des gehypten Jungmalers

- Interview: Christa Sigg

Leon Löwentraut, das klingt wie gut erfunden.

Leon Löwentraut: Der Name ist aber echt, er steht ja auch so in meinem Pass.

Sie sagen, Sie seien besessen von der Kunst, muss man sich Sorgen machen?

Löwentraut: Auf keinen Fall. Die Kunst ist meine eigene Welt, wenn ich male, bin ich wie in Trance. Das ist schon fast wie bei einer Hypnose. Ich bin jedenfalls so sehr bei der Sache, dass ich meiner Umgebung wenig Aufmerksam­keit schenke.

Ist das in einer so hibbeligen Zeit vielleicht ganz gut?

Löwentraut: Absolut. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich immer wieder völlig ins Atelier zurückzieh­e. Die Welt draußen ist hektisch, ich möchte meiner Kunst treu bleiben und mich auf sie konzentrie­ren.

Dann darf das Smartphone aber nicht mit ins Atelier?

Löwentraut: Doch, ich höre beim Malen Musik. Aber das Handy ist meistens im Ruhemodus, damit ich für niemanden erreichbar bin.

Was hören Sie?

Löwentraut: Was mir gefällt, ich bin nicht auf ein bestimmtes Genre fixiert. Das kann Rap sein, klassische Musik, Soul, Pop, zum Teil Rock, House, viel Techno. Es muss zur Stimmung passen.

Beeinfluss­t die Musik Ihre Kunst?

Löwentraut: In gewisser Weise schon. Wenn es melancholi­scher ist, wird der Pinsel auch mal langsamer.

Ihr Werk kreist um das menschlich­e Antlitz und den Körper. Was fasziniert Sie?

Löwentraut: Ich möchte Menschen so darstellen, wie ich sie sehe. Zum Beispiel mit den zwei Gesichtern oder Persönlich­keiten, die jeder von uns hat. Deshalb male ich oft Gesichter mit einer helleren und einer dunkleren Seite, manchmal ist eine Seite mehr, die andere kaum ausgemalt.

Sie können Ihre Vorbilder nicht verleugnen. Stört es Sie, wenn es heißt, Leon Löwentraut malt wie Picasso oder Matisse?

Löwentraut: Am Anfang habe ich mich sehr stark von anderen Künstlern inspiriere­n lassen. Das halte ich für wichtig. Von wem soll man lernen, wenn nicht von den Großen? Genauso wichtig ist es dann, den Absprung zu schaffen und sich von den Vorbildern zu distanzier­en. Man muss seinen eigenen Weg gehen.

Haben Sie sich denn distanzier­t und Ihren Stil gefunden?

Löwentraut: Ich entwickele mich immer weiter, erfinde mich immer neu, das heißt, ich bin in einem ständigen Entwicklun­gsprozess. Trotzdem gibt es natürlich eine Löwentraut­Handschrif­t.

Wie ist Stefan Raab auf Sie aufmerksam geworden?

Löwentraut: Durch die Medien. Eine Redakteuri­n fand cool, was ich mache, und dass ich in so jungen Jahren schon in deutschen Metropolen ausstelle. Ich war damals 16 und unheimlich stolz, als ich ins Studio geladen wurde. Am Anfang probiert man alles aus, und das gemeinsame Malen mit ihm war herrlich. Dann kam ein richtiger Hype, klar, Stefan Raab kennt jeder. Mir geht es aber nicht darum, dauernd im Fernsehen zu sein, sondern um meine Kunst.

Sie sind von der Düsseldorf­er Kunstakade­mie abgelehnt worden. Wie sehr hat Sie das getroffen?

Löwentraut: Am Anfang war das schon eine Art Schock für mich. Man sollte eine gesunde Selbsteins­chätzung haben, und ich war vielleicht nicht der Beste, aber schon sehr gut dabei. Ich wollte doch dazu lernen! Auf der anderen Seite bin ich heute froh darüber, denn ich hätte mich sonst nicht so frei entwickeln können. An der Akademie muss man sich unterordne­n, das passt nicht zu mir. Ich habe schon in der Schule mein eigenes Ding gemacht und das Hausaufgab­enheft mit Skizzen vollgekrit­zelt.

Nur so zum Zeitvertre­ib?

Löwentraut: Die Skizzen habe ich zu Hause auf die Leinwand übertragen.

Was haben Ihnen eigentlich die Kunstlehre­r geraten?

Löwentraut: Die haben sich gar nicht so sehr mit mir beschäftig­t. Nur mit der Lehrerin einer weiterführ­enden Schule nach dem Internat kam ich sehr gut zurecht. Sie hat meine Arbeit verstanden. Es gab auch Lehrer, die das sehr ins Lächerlich­e gezogen haben. Deshalb kann ich nur jedem raten, an seine Träume zu glauben.

Wo haben Sie das Malen gelernt?

Löwentraut:

Als Autodidakt habe ich einfach ausprobier­t, mir viele Techniken angeeignet, viel experiment­iert und dabei immer wieder Entdeckung­en gemacht. Zum Beispiel bin ich in einem Baumarkt zufällig auf Gummirolle­n gestoßen. Am Ende ergab sich eine spannende Haptik, und es sind mega Strukturen zum Vorschein gekommen, sodass ich zeitweise nur noch mit diesen Rollen gearbeitet habe. Im kreativen Schaffensp­rozess entsteht immer wieder Neues, das man nicht planen kann. Das macht es am Ende aber auch so authentisc­h.

Wie empfinden Sie die „Öffentlich­keit“, von der Sie einerseits auf Schritt und Tritt verfolgt werden, die Sie und Ihr Management auf der anderen Seite aber auch kräftig anstacheln?

Löwentraut: Das ist aber nicht der Fall, genau darin liegt das Geheimnis. Die Menschen bilden sich eine Meinung über mich, obwohl sie gar nicht genügend wissen. Das ist ja nicht schlimm und völlig legitim. Dass es ohne den klassische­n Weg bei mir geklappt hat, können sich viele nicht erklären. Dann versucht man natürlich Antworten zu finden, und so entstehen Geschichte­n.

Wie wichtig sind Rankings für Sie?

Löwentraut: Das ist für mich die Resonanz des Kunstmarkt­s. Rankings sind sicher wichtig, um eine Orientieru­ng zu geben und mit einem Künstler besser umgehen zu können. Natürlich interessie­re ich mich dafür, aber das ist zweitrangi­g, die Malerei steht immer im Vordergrun­d.

In People- und Modemagazi­nen werden Sie als Wunder bejubelt, in den Feuilleton­s entweder beargwöhnt, manchmal zerlegt oder einfach ignoriert. Stinkt Ihnen das?

Löwentraut: Ich betrachte das eher als Auszeichnu­ng. Die Feuilleton­isten beschäftig­en sich mit mir, teilmich weise kritisch – das ist Demokratie, langweilig wird sie nie.

Sie haben potente Sammler, die große Summen für Ihre Bilder bezahlen. Was bedeutet da eine Ausstellun­g in einem großen öffentlich­en Museum?

Löwentraut: Davor habe ich Ehrfurcht. Nichts im Leben ist selbstvers­tändlich, man muss für alles dankbar sein – so bin ich erzogen. Manche Chancen bekommt man nur einmal im Leben wie jetzt die „Leonismo-Tour“, die in Venedig anfing, dann nach Wien ging, jetzt in München ankommt und dann noch an die École du Louvre nach Paris geht. Für mich ist das eine riesige Auszeichnu­ng.

Wohin geht’s? Was planen Sie künstleris­ch? Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Löwentraut: Was in zehn Jahren passiert, weiß keiner. Manchmal weiß ich nicht mal, was in den nächsten zehn Minuten passiert. Langfristi­g will ich, dass meine Gemälde in den ganz großen Museen weltweit gezeigt werden.

Sie sind ziemlich rasant unterwegs, haben Sie keine Angst, sich zu verheizen?

Löwentraut: Ja, da ist viel Energie. Das hat auch damit zu tun, dass ich sehr jung und hungrig bin. In erster Linie freue ich mich darüber, dass viel passiert und meine Kunst so großen Anklang findet. Und was das Verheizen betrifft, kann ich nur sagen, dass über ein Jahr Pandemie hinter uns liegt. Niemand konnte eine Ausstellun­g von mir besuchen. Wenn es jetzt stark losgeht, ist das doch normal. Es macht ja auch Spaß, meine Energie an die Leute weiterzuge­ben. Und wann denn, wenn nicht jetzt?

 ?? Foto: Adrian Bedoy ?? Der Künstler Leon Löwentraut in seinem Atelier: Auf Social‰Media hat er ein riesiges Publikum um sich geschart.
Foto: Adrian Bedoy Der Künstler Leon Löwentraut in seinem Atelier: Auf Social‰Media hat er ein riesiges Publikum um sich geschart.

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