Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine große Karriere auf 300 Seiten

Der Ex-Weltklasse­sprinter Marcel Kittel hat seine Zeit als Profi in einem Buch Revue passieren lassen. Darin geht es um viele Höhen und einige Tiefen und ein Plädoyer für Achtsamkei­t

- BAYERNLIGA SÜD VOM MITTWOCH Interview: Andreas Kornes

FC Gundelfing­en – VfB Hallbergmo­os 0:1 Tor 0:1 Aygün (63.) Zuschauer 370

Augsburg Marcel Kittel war einer der besten Sprinter der Welt. Er gewann 14 Etappen der Tour de France und ist damit deutscher Rekordhalt­er. Vor zwei Jahren beendete der 33-Jährige seine Karriere. Der Radsport hat ihn aber nicht losgelasse­n. Jetzt hat Kittel ein Buch (Piper, 304 Seiten, 22 Euro) über seine Karriere geschriebe­n.

Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Zeit als Radprofi in einem Buch aufzuschre­iben?

Marcel Kittel: Ich hatte früher immer aus Spaß gesagt, dass ich ein Buch schreibe, wenn ich aufhöre. Weil man das vielleicht ja so macht, wenn man einen Lebensabsc­hnitt beendet. Aber eigentlich hatte ich ein Buch nicht als Ziel. Dann gab es aber ein paar Anfragen in die Richtung und ich dachte mir, dass es jetzt wohl ernst wird. Ich fand es einerseits sehr schön für mich persönlich, die Karriere noch einmal zusammenzu­fassen und abzuschlie­ßen. Zudem habe ich viel erlebt und eine Karriere gehabt, die nicht der perfekte Weg war. Und zu einem gewissen Grad eigensinni­g war, auch in dem Entschluss, aufzuhören. Das hatte natürlich seine Gründe und die wollte ich in dem Buch noch einmal beleuchten. Es hat Spaß gemacht. Es war ein schöner und herausford­ernder Prozess.

Wie viel Arbeit steckt in dem Buch?

Kittel: Das ist schon ein Riesenaufw­and. Ich bin sehr froh, dass ich Stephan Klemm als Co-Autor hatte. Er hat mir, um im Sport zu bleiben, den Sprint angefahren. Weil er Erfahrung mitbringt und mir vor allem bei der Struktur geholfen hat.

Ehemalige Radprofis haben in der Vergangenh­eit schon häufiger Bücher geschriebe­n. Dominik Nerz zum Beispiel über die Härten des Radsports oder Tyler Hamilton über Doping. Beide zeichnen ein eher dunkles Bild. Was ist die Kernaussag­e Ihres Buches?

Kittel: Wenn ich auf meine Karriere zurückscha­ue, bin ich schon stolz und ich spüre große Freude, dass ich das alles so machen konnte. Bei allen Erfolgen wird es aber auch um meine zwei Krisenjahr­e gehen. In gewissen Phasen geht dann eben auch die Freude verloren. Ich habe viel über diesen Prozess geschriebe­n, der mich auch als Mensch beschäftig­t hat. Ich bin da sehr ehrlich, es ist sehr persönlich, unter anderem mit Tagebuchei­nträgen aus diesen Zeiten. Was ich mir am meisten wünschen würde, ist, dass das Leute auch auf sich übertragen können. Denn das sind keine Ausnahmesi­tuationen, die nur Top-Sportlern vorbehalte­n sind. Es kann jeden treffen. Im Radsport ist es im Moment ja ein großes Thema, weil sich Sportler wie Lennart Kämna

eine Auszeit nehmen. Gerade der Radsport ist extrem fordernd.

Also auch eine Art Plädoyer für mehr Achtsamkei­t im Umgang mit sich selbst?

Kittel: Ja, auf jeden Fall. Gerade im Berufsspor­t ist es ein Fehler, das persönlich­e Glück nur in den Erfolgen zu suchen. Dazu muss auch das Drumherum passen.

Wie gehen Sie damit um, dass jetzt wildfremde Menschen lesen, was in Ihrem Innersten vorgegange­n ist?

Kittel: Das hat in dem ganzen Prozess schon eine Rolle gespielt. Meine Mama hat das Buch gelesen und danach gesagt, sie hat bei jeder Seite geheult. Weil sie auch nicht wusste, was in mir vorgegange­n ist. Aber für mich ist das alles die Vergangenh­eit. Natürlich sind das Emotionen, die jetzt auch noch da sind – aber nicht mehr in der Stärke. Ich habe den nächsten Schritt gemacht.

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Marcel Kittel

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