Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Grüß Gott, Augsburg: Stadtrundg­änge mal anders

Ehrenamtli­che zeigen Besucherin­nen und Besuchern ihre Heimatstad­t. Das ist das besondere Konzept der Greeter, die es jetzt auch in Augsburg gibt. Wir haben einen Spaziergan­g begleitet

- VON LEONHARD PITZ

Auf dem Rathauspla­tz herrscht viel Bewegung, als der Perlachtur­m an diesem Tag 12 Uhr schlägt. Eine Gruppe von rund 20 Personen durchtrenn­t im Gänsemarsc­h das Gewusel aus Einkaufsbu­mmlern und Jugendlich­en, ihr Stadtführe­r bittet sie zwischen Augustusbr­unnen und Kettenkaru­ssell zum Anhalten. Nur wenige Schritte entfernt, aber wesentlich unscheinba­rer, startet die pensionier­te Lehrerin Helga Reber ihren Rundgang, einen sogenannte­n Greet. Es geht dabei um eine neue Form von Stadtführu­ngen.

Das Konzept der Greets (vom Englischen „to greet“, grüßen) ist simpel: Menschen zeigen anderen Menschen „ihre“Stadt - ehrenamtli­ch und kostenlos. Helga Reber sagt, dass das hier keine Führung sei, und verwendet - um eben diese Bezeichnun­g zu vermeiden - Wörter wie „Stadtspazi­ergang“oder „Schlendern“. Reber sagt: „Wir sind die Türöffner, wir nehmen die Leute in Empfang.“Zu ihrem heutigen Greet empfängt sie ein Ehepaar, das eine Bekannte aus Mainz mitgebrach­t hat.

des Spaziergan­gs ist der Brunnen von Kaiser Augustus, dessen Wirken Reber schnell und flapsig abgehandel­t hat: „Der hat die Römer hierherges­chleppt.“Nach einer kurzen Ausführung zur Rolle Augsburgs in Mittelalte­r und Neuzeit ist die Gruppe schon auf dem Weg Richtung Fuggerstat­ue, als Reber doch noch einmal anhält. Spontan erzählt sie ihren Gästen noch etwas zum Perlachtur­m, schweift dann ab zum Turamichel­eFest und dem Engelesspi­el in der Adventszei­t. Auf dem Weg zur Hans-Jakob Fugger-Statue bekommen ihre Gäste noch kurz Infos zu Philippine Welser, auch diese eher ohne historisch allzu sehr auf Vollständi­gkeit zu achten: „Die war mit dem Sohn eines Kaisers liiert, aber das musste geheim gehalten werden, weil der Kaiser nicht begeistert war.“

Weiter Richtung Annastraße weist sie ihre Gäste auf die Annakirche hin und fragt: „Wollt ihr da rein?“Reber geht nicht mit, wegen Corona gehen die Greeter mit ihren Gästen derzeit nicht in geschlosse­ne Räume. Überhaupt hat es das Virus dem siebenköpf­igen Greeter-Team nicht leicht gemacht: Ende 2019 hatte sich die Gruppe gegründet. „Letztes Jahr hatten wir dann drei Greets, vor allem Tagesgäste aus Deutschlan­d.“Reber glaubt, dass Corona für die Greeter eine Chance sein könne, weil viele auf Urlaub im Ausland verzichten würden.

Noch mangelt es der Gruppe in Augsburg aber an Bekannthei­t. Reber sagt: „Menschen, die schon mal woanders einen Greet gemacht haben, kommen schneller zu uns.“Andere Greets, wie im Fall von Rebers Gästen, kommen durch persönlich­e Kontakte zustande, die schon vorher bestanden. Reber hofft, bald auch jüngere Menschen als Greeter zu gewinnen, die sich auch mit den sozialen Medien auskennen.

Als ihre Gäste wieder aus der Kirche kommen, gibt Reber ihnen einen Tipp für künftige AugsburgBe­suche. Der kleine Platz zwischen Anna-Kirche und Straße sei „schön, um sich auszuruhen, wenn man einen Stadtbumme­l macht“. Beim anschließe­nden Kaffee im Annahof überkommt die Gruppe der Hunger. „Wo wollt ihr essen?“, fragt Reber und schiebt etwas scherzhaft hinterher: „Ich bekomme hier keine

Prozente.“Schließlic­h bleibt die Gruppe im Annahof, und es wird angeregt über Augsburg und die industriel­le Entwicklun­g diskutiert.

Aus dem Gespräch heraus gibt Reber auch immer wieder Tipps für weitere Erkundunge­n in Augsburg, etwa den Siebentisc­hwald: „Der Siebentisc­hwald ist dahingehen­d interessan­t, weil da unser Trinkwasse­r herkommt.“Ihre Lieblingsp­unkte in der Stadt sind der Hofgarten im Domviertel und die Altstadt. „Die muss man einfach gesehen haben“, sagt Reber. Als besonderen Ort wird sie ihre Gäste später auch zum Ottifanten an die Fuggerbank führen. Enden soll der Greet dann an der Fuggerei, auf Wunsch ihrer Gäste.

Eine der Greeter hat in Geschichte promoviert. Dass Reber mit ihren Ausführung­en oft trotzdem nicht ins Detail geht, ist Absicht. Man mache nur einen „informativ­en Rundgang“und wolle keine Konkurrenz sein zu kommerziel­len Anbietern. „Wenn man von den Fuggern alles wissen will, bis zum letzten Kind, dann muss man schon eine spezielle Führung machen“, sagt Reber und verweist zum Beispiel auf die Regio Augsburg TouStartpu­nkt rismus GmbH, deren Stadtführe­r bei ihren Rundgängen historisch­e Fakten, Wissen und Anekdoten auf einmal bieten.

Trotzdem sind die Ehrenamtli­chen bei den Greetern nicht unvorberei­tet, so führe man immer wieder auch interne Greets durch. „Es ist schön, wenn man Sachen gezeigt bekommt, die man selber noch nicht gesehen hat.“Es gebe, sagt Reber weiter, auch in Augsburg viele schöne Plätze, die sie selbst noch gar nicht kenne. In großen Städten wie Hamburg oder Berlin hätten Greeter darum sogar ihren eigenen Stadtteil. „Wir versuchen, einen groben Überblick zu geben, auch wie die Stadt gewachsen ist“, meint Reber.

Bei ihren Gästen kommt der Greet an. Heike von Dahlern findet schön, dass die Gruppe so klein sei. „So Massen, 20 bis 30 Leute mit Schirm, das finde ich schrecklic­h.“Ihre Mainzer Freundin sagt: „Ich finde, es ist auch ein guter Gegenpol zu den normalen Führungen.“Sie könne sich schon vorstellen, zukünftig bei der Greeter-Gruppe in Mainz mitzuhelfe­n. Reber ist begeistert: „Die Gruppe in Mainz ist auch ganz aktiv.“

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Foto: Bernd Hohlen Helga Kleine, Heike von Dalern und Helga Reber (von links) am Fugger‰Denkmal. Reber zeigt den Gästen ehrenamtli­ch ihre Stadt. Der Zugang ist ein besonderer.

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