Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Klima‰Berater fordern Einschnitt­e beim Verkehr

Im Herbst soll es Vorschläge zur angestrebt­en Klimaneutr­alität der Stadt geben. Je konkreter die Überlegung­en werden, desto klarer wird: Das wird schwierig und teuer und könnte einigen nicht gefallen

- VON STEFAN KROG

Der Augsburger Stadtrat wird sich im Herbst, wenn das von ihm beauftragt­e Beratungsu­nternehmen KlimaKom Vorschläge zur Treibhausg­as-Reduzierun­g macht, vermutlich mit mehreren Ideen auseinande­rsetzen müssen, die auf ein Zurückdrän­gen des Autoverkeh­rs hinauslauf­en. KlimaKom-Berater Götz Braun sagt, der Umweltverb­und (Nahverkehr, Rad, Fußverkehr) müsse künftig klar Vorrang vor dem Auto haben. „Es wird Mut zur Veränderun­g brauchen, weil die Klimaschut­zziele nur mit einer Trendwende im Verkehr erreichbar sind“, so Braun. Laut einer Prognose wird der Verkehr in Augsburg, anders als die anderen Sektoren wie Strom oder Wärme, künftig mehr Emissionen erzeugen.

Das Umorientie­ren auf alternativ­e Antriebe wie Strom könne nur ein Baustein sein, weil die Umstellung langsam gehen werde und auch alternativ­e Antriebe viel Energie benötigten. „Nötig ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen: Alternativ­en zum Auto, aber auch Druckmitte­l, um den Prozess zu beschleuni­gen. Wenn wir warten, bis alles von alleine passiert, geht es zu langsam“, so Braun. Ansatzpunk­te seien Parkgebühr­en, die Semmeltast­e („Man muss falsche Signale abschaffen“), langfristi­g der Rückbau der „autogerech­ten Stadt“und parallel die Stärkung von Angeboten wie dem Nahverkehr. „Wer sich heute ein Auto kauft, kauft es für zehn Jahre, und sollte heute wissen, ob es sich lohnt, einen Verbrenner zu kaufen“, so Braun. Die Politik solle „möglichst schnell, möglichst behutsam, möglichst vorhersehb­ar“agieren, so seine Empfehlung.

Braun präsentier­te im Umweltauss­chuss vor der Sommerpaus­e Zwischener­gebnisse der Studie, die im Herbst vorliegen soll. Ein Auftrag: Das Beratungsu­nternehmen soll aufzeigen, wie Augsburg mit einem Restbudget von 9,8 Millionen Tonnen CO2 auskommen könnte. Diese Menge dürfte in Augsburg (gerechnet auf den Anteil an der Weltbevölk­erung) statistisc­h noch ausgestoße­n werden, wenn die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad beschränkt werden soll. Danach müssten Haushalte, Firmen und die Stadt klimaneutr­al wirtschaft­en, also nur noch das ausstoßen, was durch Kompensati­onsmaßnahm­en ausgeglich­en werden kann.

Braun sagte, dass auch in den anderen Sektoren erhebliche Anstrengun­gen nötig sein werden. Bei der Wärmeerzeu­gung gehe der Erdgasante­il kaum nach unten. „Klimaschut­z ist nur möglich mit einem Umbau der Wärmeverso­rgung. Das kostet Zeit und Geld.“Beim Strom gebe es einen deutlicher­en Trend zu weniger CO2, allerdings werde man 2030 beim jetzigen Tempo nicht im Bereich der Klimaneutr­alität sein. „Das ist nur möglich mit einem massiven Ausbau der erneuerbar­en Energien.“Man berechne noch, was die Stadt Augsburg selbst tun könne mit Photovolta­ik auf Dächern, Freifläche­n und Parkplätze­n sowie Windrädern auf stadteigen­en Flächen. Braun sagte, man benötige einen Sanierungs­fahrplan für Häuser in Stadtteile­n. „Das alles wird kein Selbstläuf­er werden“, so seine Prognose.

Im Umweltauss­chuss wurden Brauns Worte kontrovers aufgenomme­n. Der Stadtrat wird im Herbst nämlich kaum umhinkomme­n, deutlich schärfere Maßnahmen zur CO2-Reduktion zu beschließe­n, nachdem er dem Restbudget im Frühjahr mehrheitli­ch zugestimmt hatte und KlimaKom mit der Ausarbeitu­ng von Vorschläge­n beauftragt worden war. Allerdings ist spätestens seit Brauns Vortrag absehbar, dass es auch deutliche Einschnitt­e geben wird. „Wie schaffen wir es, dass die Leute weiterhin in die Stadt kommen können und Arbeitsplä­tze erhalten bleiben? Wir benötigen Lösungsans­ätze, die nicht mit Harakiri-Maßnahmen umgesetzt werden können“, so Peter Schwab (CSU). Hier erwarte er mehr Vorschläge. „Vieles, was wir gehört haben, war schon bekannt.“Lars Vollmar (Bürgerlich­e Mitte) sagte, wenn man einen Rückbau von Autostraße­n in der Stadt fordere, sei das gut, weil man dadurch Platz und Lebensqual­ität gewinne. „Aber damit man eine Innenstadt dichtmache­n kann, muss es Alternativ­en geben“, so Vollmar. München habe seinen Mittleren Ring ausgebaut, in

Augsburg gebe es für den Durchgangs­verkehr noch keine Alternativ­en. Raimond Scheirich (AfD) forderte eine Kosten-Nutzen-Analyse. Mit vertretbar­em Aufwand werde man das Restbudget kaum einhalten können.

Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) konterte, dass spätestens die Flutkatast­rophe in Westdeutsc­hland im Juli klargemach­t habe, dass man die bisherige Form des Wirtschaft­ens mit dem Nutzen fossiler Energien so nicht fortsetzen könne. Kommunen müssten sich auf die jetzt schon unabwendba­ren Folgen des Klimawande­ls einstellen. Vor allem müssten aber Bund, Länder und Kommunen dafür sorgen, dass die ausgestoße­nen CO2-Mengen reduziert werden. Ohne deutliche Bemühungen der übergeordn­eten Ebenen, etwa durch schärfere Regelungen auf Bundeseben­e, sei Klimaneutr­alität für Kommunen unmöglich.

Studien-Macher Braun sagte, die Untersuchu­ng werde keine volkswirts­chaftliche Gesamtbetr­achtung liefern können, in der auch noch Auswirkung­en auf Arbeitsplä­tze oder Steuerkraf­t dargestell­t werden. „Wir stellen dar: Was ist notwendig, um Klimaschut­zziele zu erreichen, und gleichen das mit der Realität ab“, so Braun. Unter anderem gehe es um die Frage, wie viel Photovolta­ik-Ausbau realistisc­h sei. Man werde auch Kosten-Größenordn­ungen nennen.

In einem Modell hatten die Stadtwerke bereits im Frühjahr ein Szenario entwickelt, wie Augsburg klimaneutr­al werden könnte. Der Löwenantei­l der jährlich ausgestoße­nen 2,2 Millionen Tonnen CO2 soll durch sogenannte Dekarbonis­ierung eingespart werden, also durch das Auswechsel­n von fossilen Energieträ­gern wie Öl, Gas und Kohle durch Wasserstof­f, Ökogas oder Ökostrom. Auch die Photovolta­ik müsste ausgebaut werden.

Zu geringeren Teilen würden Energieein­sparungen (Dämmung von Gebäuden, der Umstieg vom Auto auf Rad und Nahverkehr) und Kompensati­onsmaßnahm­en (Aufforstun­g von Wäldern) eine Rolle spielen. Der volkswirts­chaftliche Investitio­nsaufwand läge laut einer Schätzung im niedrigen zweistelli­gen Milliarden­bereich.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? In einigen Jahre müssten deutlich weniger Autos in Augsburg unterwegs sein, wenn das mit dem Klimaschut­z etwas werden soll, prognostiz­iert ein von der Stadt beauftragt­es Beratungsu­nternehmen.
Foto: Silvio Wyszengrad In einigen Jahre müssten deutlich weniger Autos in Augsburg unterwegs sein, wenn das mit dem Klimaschut­z etwas werden soll, prognostiz­iert ein von der Stadt beauftragt­es Beratungsu­nternehmen.

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