Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ärgerliche Bahnreise im Rollstuhl
Stefan Hanus aus Horgau ist seit zwei Jahren überwiegend auf den Rollstuhl angewiesen. Was ihm unterwegs passiert ist, zeigt, wie viel bei der Barrierefreiheit im Argen liegt
Horgau Der 30-jährige Stefan Hanus aus Horgau lässt sich trotz seines Handicaps ungern ausbremsen und reist gerne. So bereitete er im Juli einen Städtetrip per Bahn nach Amsterdam vor, reservierte alle nötigen Plätze, die er als Mensch mit Behinderung im Zug braucht. Doch alle Vorbereitung nützte nichts: Am Ende blieb er am Bahnsteig in Amsterdam zurück und musste eine Nacht länger bleiben als geplant. Seine Geschichte zeige, „dass leider auch in der heutigen Zeit die Diskriminierung immer noch alltäglich ist und man als Rollstuhlfahrer leider nicht dieselben Möglichkeiten bekommt wie als gesunder Mensch“, so Stefan Hanus.
Die Benachteiligung zeigte sich schon bei der Hinfahrt. Denn eigentlich hätte Hanus in den Nachtzug ab Augsburg um 23.24 Uhr zusteigen können, aber es ist nur bis 23 Uhr am Bahnhof jemand da, der ihn mit einem Hublift vom Bahnsteig in den Zug hebt. Also musste er bereits zwei Stunden vorher nach München reisen, um dort zuzusteigen. „Somit ist man schon das erste Mal bestraft, wenn man als Rollstuhlfahrer reisen möchte und muss zwei Stunden mehr in Kauf nehmen, nur weil man auf Unterstützung und Hilfe angewiesen ist“, so Hanus.
Aber in München gab es das nächste Problem: Im Zug der Österreichischen Bahn (ÖBB) war kein rollstuhlgerechtes Abteil verfügbar - trotz Reservierung. Es wurde dann ein Sitzabteil zum Liegeabteil umfunktioniert.
Auch bei der Heimreise stand das reservierte Abteil nicht zur Verfügung. Stefan Hanus erfuhr, dass der gebuchte Liegewagen defekt ist und durch einen Schlafwagen ersetzt wurde, in dem kein Platz für den Rollstuhl ist. Auf seine Beschwerde, dass nun trotz seiner Reservierung schon zum zweiten Mal kein geeigneter Platz vorhanden sei, „meinte der Mitarbeiter, wenn es so schwierig sei, mit dem Rollstuhl und dem Zug zu reisen, sollte ich halt das Flugzeug nehmen, das würde ja schneller und einfacher gehen“. Der 30-Jährige erfuhr, dass es diesmal auch keine Möglichkeit gab, ein Liegeabteil für ihn umzufunktionieren – der Zug sei ausgebucht. „Man ließ mich einfach am Bahnsteig stehen, der Zug fuhr ohne mich ab.“
Das Personal in Amsterdam kümmerte sich dann immerhin darum, dass Hanus ein Hotelzimmer für die Nacht bekam und auch am nächsten Tag mit dem ICE zurück nach Augsburg fahren konnte – zwölf Stunden später als geplant. „Mir wurde mal wieder vor Augen geführt, dass man als Rollstuhlfahrer leider nicht dieselben Möglichkeiten hat, zu reisen und immer erwartet wird, dass eine Begleitperson mit dabei ist.“
Richtig geärgert hat sich Stefan Hanus dann noch über die Reaktion der ÖBB auf seine schriftliche Beschwerde: Zwar wurde der gesamte Fahrpreis aufgrund der Verspätungen und Pannen erstattet, und die Bahn entschuldigte sich für die Pannen, aber zusätzlich bot man ihm die Zusendung einer Präsentbox Schokolade an, „wie einem kleinen Kind“, findet Hanus. Er wollte mit seiner Schilderung das Bewusstsein dafür schärfen, wie Barrierefreiheit nicht aussieht. Rollstuhlfahrer sollten genauso unabhängig und spontan reisen können wie nicht behinderte Fahrgäste.
Trotz Reservierung war kein Abteil mehr verfügbar