Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Giftiges PFC fließt noch viele Jahre in der Ach

Auf dem ehemaligen Fliegerhor­st bei Penzing sickert die Industriec­hemikalie weiterhin in den Boden und ins Grundwasse­r. Das belastet die Friedberge­r Ach als Unterlauf. Ein Gutachten liegt vor, beantworte­t aber viele Fragen nicht

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN UND CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Landsberg/Landkreis So oder so: Es wird noch viel mit dem giftigen PFC belastetes Wasser die Friedberge­r Ach durch den DonauRies-Kreis herunterfl­ießen. Wie lange noch und wie viel, kann auch ein aktuelles Gutachten nicht beantworte­n. Es gibt aber eine Chance, dass die Kontaminie­rung des Oberfläche­ngewässers an der Quelle schneller gestoppt wird, und die hat einen Namen. Sollte der USChiphers­teller Intel wirklich eine Mega-Halbleiter­fabrik auf dem ehemaligen Fliegerhor­st in Penzing bei Landsberg bauen, dann dürfte sich auch die Altlastens­anierung auf dem Gelände maximal beschleuni­gen. Der Konzern plant eine Produktion in Europa mit Investitio­nen von rund 20 Milliarden Dollar. Penzing liegt gut im Standort-Rennen, eine Entscheidu­ng soll zum Jahresende fallen.

Zum Ausmaß der Belastung von Boden und Wasser durch den Einsatz von Löschschau­m mit PFC (per- und polyfluori­erte Chemikalie­n, siehe Infoartike­l) am Flughafen wurde jetzt in Landsberg ein Gutachten vorgestell­t. Die Industriec­hemikalie ist im Boden und gelangt über das Grundwasse­r in die Quelle des Verlorenen Bachs, der später zur Friedberge­r Ach wird. Der Bach fließt insgesamt über 100 Kilometer lechbeglei­tend durch fünf Landkreise in Oberbayern und Schwaben (siehe nebenstehe­nde Grafik) und mündet bei Neuburg in die Donau.

Für den Bund Naturschut­z (BN) handelt es sich um eine „regionale Umweltkata­strophe“, und das auf lange Zeit. PFC-Stoffe stehen nämlich im Verdacht, krebserreg­end zu sein. Behörden ist seit knapp zehn Jahren die Löschschau­m-Problemati­k auf dem Penzinger Flughafen

Die Bundeswehr verließ den Fliegerhor­st 2019

Die Sanierung könnte bis zu 20 Jahre dauern

So ist die Belastung in Rain und in Niederschö­nenfeld

bekannt. Aber erst seit einem halben Jahr warnen alle fünf Landratsäm­ter – im Donau-Ries-Kreis war es Mitte Februar – vor dem Verzehr von Fischen aus dem Gewässer.

Die Bundeswehr verließ 2019 den Fliegerhor­st. Gutachter Heinrich Schoger erklärte bei der Vorstellun­g des Gutachtens, wie das PFC in den Boden gelangt sei: „Die Feuerwehr hat bei ihren Übungen am Feuerlösch­übungsbeck­en schon aus 80 Metern Entfernung draufgehal­ten. Da ist der Schaum auch zum Teil links und rechts vorbeigega­ngen und im Erdreich versickert.“

Für die Übungen wurde ein etwa einen halben Meter tiefes und rundes Becken mit 2000 Litern Sprit gefüllt und angezündet. Entspreche­nd hoch sind die nun gemessenen Kontaminat­ionen im Bereich des Beckens. Auch bei der früheren Feuerwache und an den Standorten der drei stationier­ten Löschfahrz­euge, im Osten, im Westen und in der Mitte des Fliegerhor­sts – jedes von ihnen mit zwei Tanks beladen –, wurden hohe Werte ermittelt.

In der Vergangenh­eit gab es die Sorge, dass das Areal noch großflächi­ger verseucht sein könnte, was sich aber laut Stephan Huxol, Mitarbeite­r von Gutachter Schoger, bei den Untersuchu­ngen nicht bestätigt habe. Aufgrund von Recherchen seien 47 mögliche Eintragsst­ellen auf dem Gelände ermittelt worden, berichtete er. Handlungsb­edarf besteht jetzt laut den Experten bei der Feuerwache und dem Becken. Bei Letzterem wurden 2019 eine erste Sicherungs­maßnahme ergriffen. Ein Überlaufsc­hutz verhindert das Überlaufen des Wassers und damit, dass zusätzlich­e Schadstoff­e in den Boden gelangen.

Zeitnah sollen mittels einer Plane das gesamte Feuerlösch­übungsbeck­en und das nun ermittelte, verunreini­gte Umfeld abgedeckt werden. Diese soll verhindern, dass Regenwasse­r im Boden versickert. Die Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (Bima) geht von einem Baubeginn 2022 aus. Der Überlaufsc­hutz über dem Becken würde dann nicht mehr benötigt.

Weitere Untersuchu­ngen, gemeinsame Gespräche und ein Konzept für den Bach, das forderten Vertreter von Fischereiv­ereinen aus dem Landkreis Landsberg bei der Veranstalt­ung. Neben der Verzehrwar­nung für Fische sollte das Wasser nicht zum Gießen von Pflanzen oder zum Tränken von Tieren genutzt werden, empfehlen mittlerwei­le alle Landratsäm­ter.

Problem sei, dass sich PFC-Stoffe im Sediment des Gewässers ablagerten. Stephan Clemens, Vertreter der Bima, die für den ehemaligen Bundeswehr-Standort jetzt zuständig ist, äußerte sich zum Vorschlag, den Fluss auszubagge­rn, skeptisch. „Selbst wenn die Sedimentsc­hicht raus ist, transporti­ert das Wasser trotzdem weiter die Chemikalie. Es ist wichtig, dass wir verstehen, wie die Wasserströ­me fließen, um sinnvolle Maßnahmen ergreifen zu können.“In den nächsten Wochen sollten sogenannte Tracer-Versuche beginnen, informiert­e Clemens. Dabei würden eingefärbt­e Stoffe ins Wasser gegeben und an Messstelle­n geschaut, wie viel wo und in welcher Zeit dort ankommt. Laut einer Mitarbeite­rin des Wasserwirt­schaftsamt­s Weilheim sind die meisten Nebenflüss­e des Verlorenen Bachs im Kreis Landsberg nicht betroffen.

Im direkten Umfeld des Flughafens treibt Bürger die Sorge um, dass der Boden so belastet sein könnte, dass beim Bau eines Hauses horrende Kosten beim Aushub auf sie zukommen könnten und die Unklarheit bei der Verjährung­sfrist, um bei Schäden mögliche

Forderunge­n geltend zu machen. Für Penzings Bürgermeis­ter Peter Hammer war die Vorstellun­g des Gutachtens wichtig, weil nun weniger Raum für Spekulatio­nen bestehe. „Es gab nach wie vor Zweifler, die meinten, die Ursache liege nicht im Fliegerhor­st.“

Auch sei nun klar, dass die Sanierung nicht in drei bis fünf Jahren abgeschlos­sen sei, sondern es möglicherw­eise auch bis zu 20 Jahre dauern könnte. Denn selbst wenn der Abstrom von PFC vom Flughafeng­elände gestoppt werden könnte, seien die Schadstoff­e im Boden gebunden, verweist der Gutachter auf Erfahrungs­werte.

Das Bachwasser der Ach wurde im Zuständigk­eitsbereic­h des Wasserwirt­schaftsamt­es Donauwörth (Landkreise Aichach-Friedberg, Augsburg, Donau-Ries) mehrmals auf besonders giftige PFC-Verbindung­en untersucht. PFOS hatte jeweils den höchsten Gehalt aller festgestel­lten Substanzen. Die sogenannte Umweltqual­itätsnorm in einem Fließgewäs­ser liegt bei 0,65 Nanogramm PFOS pro Liter Wasser. Ein Nanogramm ist ein Milliardst­el Gramm.

An der Kreisgrenz­e zwischen Landsberg und Aichach-Friedberg bei Unterberge­n (Schmiechen) wurden Anfang des vergangene­n Jahres 16 Nanogramm PFOS pro Liter gemessen. Also 25-mal so viel, wie die Norm erlaubt. In der

Ach bei Derching (Friedberg) waren es 14 Nanogramm, nördlich von Thierhaupt­en (Kreis Augsburg) zehn, bei der Kittelmühl­e bei Rain fünf und bei Niederschö­nenfeld

noch vier Nanogramm PFOS – etwa sechsmal so viel, wie die Norm erlaubt.

Durch die Zuflüsse kommt es zu einem Verdünnung­seffekt. Zum Vergleich: An Messstelle­n nahe den Quellen des Bachs bei Penzing lag der PFOS-Gehalt in einem Korridor zwischen 150 und 300 Nanogramm – das ist bis zu 460-mal so hoch wie die Umweltqual­itätsnorm.

Das sagt aber noch nichts aus, wie stark die Belastung der Fische im Gewässer ist. Die hängt unter anderem von Art und Alter der Fische ab. Das Landratsam­t in Neuburg, also 100 Kilometer flussabwär­ts, gibt als unbedenkli­che Verzehrmen­ge eines Erwachsene­n ein Kilo Aal pro Jahr an. Das sind nicht mal mehr drei Gramm pro Tag und noch rund 20 Gramm Aal in einer Woche.

Die Anreicheru­ng über die Nahrung wird von Risikofors­chern mittlerwei­le ganz anders bewertet als vor wenigen Jahren. Die Umweltbehö­rden haben laut Bund Naturschut­z die Grenzwerte für die Aufnahme von PFC-Stoffen bei Menschen in zwei Schritten 2018 und Mitte 2020 massiv um den Faktor 800 verschärft.

Bis 2018 hatte noch die Aufnahme von 1000 Nanogramm der vor allem nachgewies­enen Verbindung PFOS pro Kilogramm Körpergewi­cht und Woche als Grenze gegolten, dann waren es noch dreizehn Nanogramm. Seit einem Jahr steht der Wert bei nur noch 4,8 Nanogramm – aber als Summenwert von PFOS mit drei weiteren PFC-Substanzen.

Bei der letzten Messung vor gut einem Jahr hätten sich die PFOSWerte in der Friedberge­r Ach bis auf die Kommastell­e nahezu nicht verändert, teilte das Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth jetzt auf Anfrage unserer Redaktion mit. Wann die nächste Analyse erfolgt, ist noch offen.

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Fotos: Christian Rudnik, Bernhard Weizenegge­r (Symbol) Der früher auf dem Fliegerhor­st Penzing bei Übungen ausgebrach­te Löschschau­m enthielt PFC. Der Giftstoff ist über den Boden und das Grundwasse­r in den Verlorenen Bach und die Friedberge­r Ach gelangt.
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