Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Giftiges PFC fließt noch viele Jahre in der Ach
Auf dem ehemaligen Fliegerhorst bei Penzing sickert die Industriechemikalie weiterhin in den Boden und ins Grundwasser. Das belastet die Friedberger Ach als Unterlauf. Ein Gutachten liegt vor, beantwortet aber viele Fragen nicht
Landsberg/Landkreis So oder so: Es wird noch viel mit dem giftigen PFC belastetes Wasser die Friedberger Ach durch den DonauRies-Kreis herunterfließen. Wie lange noch und wie viel, kann auch ein aktuelles Gutachten nicht beantworten. Es gibt aber eine Chance, dass die Kontaminierung des Oberflächengewässers an der Quelle schneller gestoppt wird, und die hat einen Namen. Sollte der USChiphersteller Intel wirklich eine Mega-Halbleiterfabrik auf dem ehemaligen Fliegerhorst in Penzing bei Landsberg bauen, dann dürfte sich auch die Altlastensanierung auf dem Gelände maximal beschleunigen. Der Konzern plant eine Produktion in Europa mit Investitionen von rund 20 Milliarden Dollar. Penzing liegt gut im Standort-Rennen, eine Entscheidung soll zum Jahresende fallen.
Zum Ausmaß der Belastung von Boden und Wasser durch den Einsatz von Löschschaum mit PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien, siehe Infoartikel) am Flughafen wurde jetzt in Landsberg ein Gutachten vorgestellt. Die Industriechemikalie ist im Boden und gelangt über das Grundwasser in die Quelle des Verlorenen Bachs, der später zur Friedberger Ach wird. Der Bach fließt insgesamt über 100 Kilometer lechbegleitend durch fünf Landkreise in Oberbayern und Schwaben (siehe nebenstehende Grafik) und mündet bei Neuburg in die Donau.
Für den Bund Naturschutz (BN) handelt es sich um eine „regionale Umweltkatastrophe“, und das auf lange Zeit. PFC-Stoffe stehen nämlich im Verdacht, krebserregend zu sein. Behörden ist seit knapp zehn Jahren die Löschschaum-Problematik auf dem Penzinger Flughafen
Die Bundeswehr verließ den Fliegerhorst 2019
Die Sanierung könnte bis zu 20 Jahre dauern
So ist die Belastung in Rain und in Niederschönenfeld
bekannt. Aber erst seit einem halben Jahr warnen alle fünf Landratsämter – im Donau-Ries-Kreis war es Mitte Februar – vor dem Verzehr von Fischen aus dem Gewässer.
Die Bundeswehr verließ 2019 den Fliegerhorst. Gutachter Heinrich Schoger erklärte bei der Vorstellung des Gutachtens, wie das PFC in den Boden gelangt sei: „Die Feuerwehr hat bei ihren Übungen am Feuerlöschübungsbecken schon aus 80 Metern Entfernung draufgehalten. Da ist der Schaum auch zum Teil links und rechts vorbeigegangen und im Erdreich versickert.“
Für die Übungen wurde ein etwa einen halben Meter tiefes und rundes Becken mit 2000 Litern Sprit gefüllt und angezündet. Entsprechend hoch sind die nun gemessenen Kontaminationen im Bereich des Beckens. Auch bei der früheren Feuerwache und an den Standorten der drei stationierten Löschfahrzeuge, im Osten, im Westen und in der Mitte des Fliegerhorsts – jedes von ihnen mit zwei Tanks beladen –, wurden hohe Werte ermittelt.
In der Vergangenheit gab es die Sorge, dass das Areal noch großflächiger verseucht sein könnte, was sich aber laut Stephan Huxol, Mitarbeiter von Gutachter Schoger, bei den Untersuchungen nicht bestätigt habe. Aufgrund von Recherchen seien 47 mögliche Eintragsstellen auf dem Gelände ermittelt worden, berichtete er. Handlungsbedarf besteht jetzt laut den Experten bei der Feuerwache und dem Becken. Bei Letzterem wurden 2019 eine erste Sicherungsmaßnahme ergriffen. Ein Überlaufschutz verhindert das Überlaufen des Wassers und damit, dass zusätzliche Schadstoffe in den Boden gelangen.
Zeitnah sollen mittels einer Plane das gesamte Feuerlöschübungsbecken und das nun ermittelte, verunreinigte Umfeld abgedeckt werden. Diese soll verhindern, dass Regenwasser im Boden versickert. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) geht von einem Baubeginn 2022 aus. Der Überlaufschutz über dem Becken würde dann nicht mehr benötigt.
Weitere Untersuchungen, gemeinsame Gespräche und ein Konzept für den Bach, das forderten Vertreter von Fischereivereinen aus dem Landkreis Landsberg bei der Veranstaltung. Neben der Verzehrwarnung für Fische sollte das Wasser nicht zum Gießen von Pflanzen oder zum Tränken von Tieren genutzt werden, empfehlen mittlerweile alle Landratsämter.
Problem sei, dass sich PFC-Stoffe im Sediment des Gewässers ablagerten. Stephan Clemens, Vertreter der Bima, die für den ehemaligen Bundeswehr-Standort jetzt zuständig ist, äußerte sich zum Vorschlag, den Fluss auszubaggern, skeptisch. „Selbst wenn die Sedimentschicht raus ist, transportiert das Wasser trotzdem weiter die Chemikalie. Es ist wichtig, dass wir verstehen, wie die Wasserströme fließen, um sinnvolle Maßnahmen ergreifen zu können.“In den nächsten Wochen sollten sogenannte Tracer-Versuche beginnen, informierte Clemens. Dabei würden eingefärbte Stoffe ins Wasser gegeben und an Messstellen geschaut, wie viel wo und in welcher Zeit dort ankommt. Laut einer Mitarbeiterin des Wasserwirtschaftsamts Weilheim sind die meisten Nebenflüsse des Verlorenen Bachs im Kreis Landsberg nicht betroffen.
Im direkten Umfeld des Flughafens treibt Bürger die Sorge um, dass der Boden so belastet sein könnte, dass beim Bau eines Hauses horrende Kosten beim Aushub auf sie zukommen könnten und die Unklarheit bei der Verjährungsfrist, um bei Schäden mögliche
Forderungen geltend zu machen. Für Penzings Bürgermeister Peter Hammer war die Vorstellung des Gutachtens wichtig, weil nun weniger Raum für Spekulationen bestehe. „Es gab nach wie vor Zweifler, die meinten, die Ursache liege nicht im Fliegerhorst.“
Auch sei nun klar, dass die Sanierung nicht in drei bis fünf Jahren abgeschlossen sei, sondern es möglicherweise auch bis zu 20 Jahre dauern könnte. Denn selbst wenn der Abstrom von PFC vom Flughafengelände gestoppt werden könnte, seien die Schadstoffe im Boden gebunden, verweist der Gutachter auf Erfahrungswerte.
Das Bachwasser der Ach wurde im Zuständigkeitsbereich des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth (Landkreise Aichach-Friedberg, Augsburg, Donau-Ries) mehrmals auf besonders giftige PFC-Verbindungen untersucht. PFOS hatte jeweils den höchsten Gehalt aller festgestellten Substanzen. Die sogenannte Umweltqualitätsnorm in einem Fließgewässer liegt bei 0,65 Nanogramm PFOS pro Liter Wasser. Ein Nanogramm ist ein Milliardstel Gramm.
An der Kreisgrenze zwischen Landsberg und Aichach-Friedberg bei Unterbergen (Schmiechen) wurden Anfang des vergangenen Jahres 16 Nanogramm PFOS pro Liter gemessen. Also 25-mal so viel, wie die Norm erlaubt. In der
Ach bei Derching (Friedberg) waren es 14 Nanogramm, nördlich von Thierhaupten (Kreis Augsburg) zehn, bei der Kittelmühle bei Rain fünf und bei Niederschönenfeld
noch vier Nanogramm PFOS – etwa sechsmal so viel, wie die Norm erlaubt.
Durch die Zuflüsse kommt es zu einem Verdünnungseffekt. Zum Vergleich: An Messstellen nahe den Quellen des Bachs bei Penzing lag der PFOS-Gehalt in einem Korridor zwischen 150 und 300 Nanogramm – das ist bis zu 460-mal so hoch wie die Umweltqualitätsnorm.
Das sagt aber noch nichts aus, wie stark die Belastung der Fische im Gewässer ist. Die hängt unter anderem von Art und Alter der Fische ab. Das Landratsamt in Neuburg, also 100 Kilometer flussabwärts, gibt als unbedenkliche Verzehrmenge eines Erwachsenen ein Kilo Aal pro Jahr an. Das sind nicht mal mehr drei Gramm pro Tag und noch rund 20 Gramm Aal in einer Woche.
Die Anreicherung über die Nahrung wird von Risikoforschern mittlerweile ganz anders bewertet als vor wenigen Jahren. Die Umweltbehörden haben laut Bund Naturschutz die Grenzwerte für die Aufnahme von PFC-Stoffen bei Menschen in zwei Schritten 2018 und Mitte 2020 massiv um den Faktor 800 verschärft.
Bis 2018 hatte noch die Aufnahme von 1000 Nanogramm der vor allem nachgewiesenen Verbindung PFOS pro Kilogramm Körpergewicht und Woche als Grenze gegolten, dann waren es noch dreizehn Nanogramm. Seit einem Jahr steht der Wert bei nur noch 4,8 Nanogramm – aber als Summenwert von PFOS mit drei weiteren PFC-Substanzen.
Bei der letzten Messung vor gut einem Jahr hätten sich die PFOSWerte in der Friedberger Ach bis auf die Kommastelle nahezu nicht verändert, teilte das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth jetzt auf Anfrage unserer Redaktion mit. Wann die nächste Analyse erfolgt, ist noch offen.