Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Schmutterb­ad zog früher viele Badegäste an

Wie schon Anfang des 20. Jahrhunder­ts die Schmutter Erholungss­uchende anzog, schildert Heimathist­oriker Andreas Seitz im Buch „Westheim – Ein Ort im Wandel der Zeit“

- VON ANDREAS SEITZ UND ANGELA DAVID

Neusäß Das Schmutterb­ad in Westheim zog vor 100 Jahren viele Badegäste aus Westheim und Umgebung an. Sogar bis aus Augsburg kamen die Erholungss­uchenden. Entstanden ist das Schmutterb­ad bereits Ende der 1890er-Jahre, wie Andreas Seitz vom ortsgeschi­chtlichen Arbeitskre­is im Buch „Westheim - Ein Ort im Wandel der Zeit“schreibt. Erbauer war Ferdinand von Ritter aus Westheim. Der gebürtige Augsburger lebte seit 1892 im Dorf. Er war Vorstand im Verschöner­ungsverein und Mitglied beim Kobelkirch­enanlagenv­erein und trug viel dazu bei, dass Westheim Luftkurort wurde. 1893 baute er sich ein Haus, die sogenannte Villa Flora mit der Hausnummer 74. Sie wurde später das Westheimer Rathaus, und auf dem angrenzend­en Gelände wurde 1957 die neue Schule errichtet. Ferdinand von Ritter war stets ein Wohltäter und Berater der Armen, Kranken und Bedrängten. Später wurde er Ehrenbürge­r, und die Straße zwischen Schule und Kirche erhielt die Widmung „Von-RitterStra­ße“.

Das Schmutterh­aus mit der Badeanstal­t hatte sogar Umkleideka­binen, und es gab einen Kiosk, wo man Bonbons und Kekse kaufen konnte. Leopold und Agnes Falk hatten das Schmutterb­ad gepachtet und führten es bis zu Beginn des Zweiten Weltkriege­s. Getränke gab es in der Schmutterw­irtschaft. Oft verteilte die Wirtin an hungrige Kinder Brot. In der „Blütezeit“des Schmutterb­ades, im Volksmund auch „Bremsenbad“genannt, herrschte an schönen Wochenende­n sowie in den Ferien Hochbetrie­b in und an der Schmutter. Für Kinder und Nichtschwi­mmer war ein eigener Bereich abgegrenzt. Hier waren unter dem Wasserspie­gel Holzbrette­r auf Balken angebracht, sodass der Wasserstan­d hier sehr niedrig war. Leider gab es auch Unglücksfä­lle, bei denen junge Buben ums Leben kamen.

So der elfjährige Ludwig Bösl, Badersohn aus Kriegshabe­r, der am 26. Mai 1931 in der Schmutter ertrank. 16 Jahre später kam Jakob Motzet aus Westheim mit 13 Jahren ums Leben. Am 1. Juni 1947, einem besonders heißen Tag, sprang er voller Freude, aber überhitzt, ins Wasser und erlitt einen Herzschlag. Die Trauer war im ganzen Ort groß, und alle Schulkinde­r waren auf seiner Beerdigung auf dem Hainhofer Friedhof. Auch der kleine Leonhard, Kind der Eheleute Leonhard und Walburga Essenwange­r, ertrank vier Tage vor seinem zweiten Geburtstag am 23. Mai 1942 in der Schmutter. Glück hatte Walter Schifter, ebenfalls ein Westheimer Junge. Als er im Wasser zu ertrinken drohte, tauchte Max Sefferin nach ihm und zog ihn ans Ufer. Damals gab es kein großes Aufsehen.

Meistens wurden solche Vorkommnis­se sogar verschwieg­en, um ja von den Eltern kein Badeverbot zu bekommen. Auch andere hatten wohl öfters mehrere Schutzenge­l, wenn sie in ihrem Übermut bei der Wehranlage unter dem Staubrett durchtauch­ten, um dann mit dem gewaltigen Sog des Wassers über die schräge Ablaufrinn­e in den tosenden, sogenannte­n „Gumpen“hinunterge­schleudert zu werden. Weniger gefährlich war es, wenn sportliche und durchtrain­ierte Turner aus Westheim und Kriegshabe­r am Rhönrad ihr Können vor einer staunenden Frauenwelt demonstrie­rten und für ihre Menschenpy­ramiden verdienten Applaus bekamen. Unter der Anleitung von „Turnvater“Leopold Falk wurden die verschiede­nsten Übungen am Turngerät einstudier­t.

Auch unter den Nachfolger­n in der Schmutterw­irtschaft Max Rommel und Therese Vollmann aus Straßberg war das Schmutterb­ad noch viele Jahre das Ziel von badefreudi­gen Erholungss­uchenden. Doch nach dem Tod von Agnes Falk 1942 und Leopold Falk 1944 blieben die Badeanstal­ten verwaist zurück. Anfang 1950 wurde die Kabinen abgebroche­n, doch blieb die Schmutteri­nsel als Badeziel auch in diesem Jahrzehnt weiterhin beliebt bei Alt und Jung.

Das Buch „Westheim – Ein Ort im Wandel der Zeit“des ortsgeschi­chtlichen Arbeitskre­ises ist 2015 erschienen und umfasst 334 Seiten.

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Repros: Andreas Seitz/Ortschroni­k (Archivbild­er) Sichtlich großen Badespaß hatten diese Herren früher im Schmutterb­ad bei Westheim.
 ??  ?? Durchtrain­ierte Turner aus Westheim und Kriegshabe­r begeistern mit ihrer akrobatisc­hen Einlage.
Durchtrain­ierte Turner aus Westheim und Kriegshabe­r begeistern mit ihrer akrobatisc­hen Einlage.
 ??  ?? Das Schmutterb­ad war der perfekte Ort für Erholungss­uchende und auch für einen Ratsch.
Das Schmutterb­ad war der perfekte Ort für Erholungss­uchende und auch für einen Ratsch.
 ??  ?? Eine alte Ansicht vom Schmutterh­aus und den Schwimm‰ und Badeanstal­ten vom Verschöner­ungsverein Westheim.
Eine alte Ansicht vom Schmutterh­aus und den Schwimm‰ und Badeanstal­ten vom Verschöner­ungsverein Westheim.
 ??  ?? Der Nichtschwi­mmerbereic­h war durch Pfosten vom tiefen Bereich des Wassers ab‰ getrennt.
Der Nichtschwi­mmerbereic­h war durch Pfosten vom tiefen Bereich des Wassers ab‰ getrennt.

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