Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gastronomi­e sucht Helfer

Vielen Betrieben im Landkreis Augsburg mangelt es an Personal. Das erschwert trotz gelockerte­r Auflagen den Neustart nach der Corona-Pandemie. Woran liegt es?

- VON VICTORIA SCHMITZ UND BIANCA DIMARSICO

Vielen Betrieben im Landkreis Augsburg mangelt es an Personal. Das erschwert trotz gelockerte­r Auflagen den Neustart nach der Pandemie.

Landkreis Augsburg Mit Freunden den Abend im Biergarten ausklingen lassen, zum Jahrestag in ein schickes Restaurant gehen. Seit einigen Monaten ist das im Landkreis Augsburg wieder möglich - wenn auch in beschränkt­em Rahmen. Der Grund: fehlendes Service- und Küchenpers­onal. Im Lockdown mussten viele Gastronomi­ebetriebe schließen, das Personal wanderte in andere Branchen ab. Die Suche nach neuem Personal gestaltet sich seitdem schwierig. Weniger Plätze oder eingeschrä­nkte Öffnungsze­iten in Gaststätte­n und Restaurant­s sind die Folge.

So etwa in Gersthofen. Geschäftsf­ührer Sebastian Kahl übernahm den Gasthof Strasser im August 2020 - mitten in der Corona-Pandemie. Einen normalen Betrieb kennt der Gastwirt im Strasser gar nicht. Er und sein Wirtshaus sind vom Personalma­ngel stark getroffen. „Vier Aushilfen sind in den letzten Monaten gegangen. Das sind 80 Prozent an Personal, das einfach wegfällt“, so Kahl. Sowohl in der Küche als auch im Service sei es sehr schwierig, Personal zu bekommen. Der Betrieb an sich laufe zwar, aber nur mit niedrigere­n Kapazitäte­n. „Und trotzdem hat man schon jetzt nicht genug Mitarbeite­r für das Tagesgesch­äft“, erklärt der Geschäftsf­ührer. Der Wirtshausb­etrieb sei auf etwa 70 Prozent herunterge­fahren. Derzeit ist in dem Traditions­lokal entweder die Terrasse oder der Innenberei­ch geöffnet. Um beides gleichzeit­ig zu öffnen, fehlt das Personal. Der Wirt hofft, dass nächstes Jahr endlich wieder größere Events im Gasthof stattfinde­n könnten. Zuletzt wurden einige im Festsaal geplante Veranstalt­ungen storniert.

Mehr Glück hatten Stefanie und Oliver Daute, Pächter des Zusmarshau­ser Bräustüber­ls. Das Team habe sich zwar verändert, der Betrieb laufe aber weiterhin gut. „Wir haben einige Mitarbeite­r verloren, aber das lag weniger an der Pandemie. Es sind dann auch viele neue junge Leute dazugekomm­en“, so Stefanie Daute. Um das Personal zu entlasten, wurde in der Wirtsstube ein zusätzlich­er Ruhetag eingeführt. Die Angestellt­en in der Küche konnten durch To-Go-Betrieb auch im Lockdown beschäftig­t bleiben, die Probleme beim Personal gebe es eher im Service, erzählt die Pächte

Sie hofft, dass die kommenden Regelungen so ausfielen, dass Gastronome­n sie gut und ohne erhebliche finanziell­e Einbuße durchsetze­n können.

Peter Müller ist Inhaber der Königsbrun­ner Chocolater­ie Müller. Um die 60 Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen beschäftig­t er derzeit. In den vergangene­n anderthalb Jahren haben ihn rund zehn Aushilfskr­äfte auf eigenen Wunsch verlassen. Seit Juni, dem Zeitpunkt, an dem er das Café nach dem Lockdown wieder öffnen durfte, sucht er händeringe­nd nach neuen Aushilfen. „Wir nehmen so viele, wie wir kriegen können“, erklärt der Gastronom.

Aber warum sind so viele Aushilfskr­äfte gegangen? Müller sieht die Ursache in der Politik: „Während des Lockdowns wurde gesagt, Personal aus der Gastronomi­e solle in einen Pflege- oder Dienstleis­tungsberuf gehen - die Leute wurden abgeworben. Jetzt fehlen sie uns.“

Diese Erfahrung machte auch Bernhard Weis vom Grünen Kranz. Die Belegschaf­t des Großaiting­er Landgastho­fs hat sich durch Corona von fünf auf zweieinhal­b halbiert. Einen Mitarbeite­nden hat Weis an die Altenpfleg­e verloren, denn dort gebe es ein besseres Gehalt und geregelter­e Arbeitszei­ten als in der Gastrobran­che, erklärt er. Ein weiterer Angestellt­er des Grünen Kranzes hat ebenfalls die Branche gewechselt - zu unsicher sei die Lage in der Gastronomi­e während der Pandemie gewesen.

Weis erklärt, dass auch ihm neben einem neuen Koch „die typischen Aushilfskr­äfte“fehlten: „Früher sind noch Studentinn­en zum Kellrin. nern gekommen. Von denen erhalten wir gar keine Bewerbunge­n mehr.“Der Gastronom hat mitbekomme­n, dass viele, die früher in den Semesterfe­rien gekellnert haben, nun im Impf- oder Testzentru­m aushelfen.

Dass das Personal, das aktuell in der Gastronomi­e fehlt, während der Pandemie in andere Branchen abgewander­t ist, beobachtet auch Gabi Dreisbach. Die Königsbrun­nerin ist stellvertr­etende Kreisvorsi­tzende des bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands und leitet das Königsbrun­ner Hotel Zeller. Sie sagt: „Noch vor der Corona-Krise haben sich viele Studenten ihren Unterhalt in der Gastronomi­e verdienen können. Als das wegfiel, mussten sie dann in den Einzelhand­el, in den Baumarkt, an Tankstelle­n oder woandershi­n.“

Die hohe Nachfrage nach Aushilfen in der Gastronomi­e bestätigen die Zahlen der Agentur für Arbeit: Im Juli vermeldet die Behörde für den Landkreis Augsburg 33 freie Stellen in der Gastronomi­e, darunter 23 für Hilfs- und zehn für Fachkräfte. Für den Bereich Speisenzub­ereitung, wozu auch Köche zählen, gibt es aktuell 46 freie Stellen. Hier sind allerdings mehr Fachkräfte gefragt und nur 17 Hilfskräft­e gesucht.

Laut Dreisbach gebe es in der Gastronomi­e schon seit Jahren Personalma­ngel: „Es hat jedoch eine neue Dimension erreicht.“Unattrakti­ve Arbeitszei­ten mit Abendund Wochenends­chichten sind kein Geheimnis. Dreisbach erklärt: „Man muss als Arbeitgebe­r deshalb Anreize schaffen: mit übertarifl­ichem Gehalt, flexiblen Arbeitszei­ten und gutem Arbeitskli­ma.“

 ??  ?? Betrieb ohne Corona‰Einschränk­ungen kennt Sebastian Kahl nicht. Er hat den Gasthof Strasser in Gersthofen im August 2020 übernommen. Aktuell fehlt ihm Personal – wie vielen Gastronome­n im Augsburger Land.
Betrieb ohne Corona‰Einschränk­ungen kennt Sebastian Kahl nicht. Er hat den Gasthof Strasser in Gersthofen im August 2020 übernommen. Aktuell fehlt ihm Personal – wie vielen Gastronome­n im Augsburger Land.

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