Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Alleinerzi­ehende Mutter in den 60er-Jahren

Sie stammt aus einer Familie, in der es viele Zwillinge gab. Auch Hildegard Springer gehörte dazu. Was die 81-jährige Gersthofer­in nach dem Krieg erlebte, erzählt sie jetzt

- VON DIANA ZAPF‰DENIZ

Gersthofen Kürzlich feierte Hildegard Springer aus Gersthofen ihren 81. Geburtstag. Sie hatte eine Zwillingss­chwester und stammt aus einer Familie in der Mehrlingsg­eburten nicht selten waren. So gebar sie selbst unter anderem ein MädchenDuo. Sie blickt zurück auf ein Leben voller Höhen und Tiefen. Wie es ihr gelang, als unverheira­tete Mutter mehrere Kinder großzuzieh­en und wer ihr dabei geholfen hat.

Geboren wurde sie in Gersthofen im August 1940 als der Zweite Weltkrieg tobte. Alleine war sie nie, denn ihre Zwillingss­chwester Josefine begleitete sie Zeit ihres Lebens. „In meiner Familie gab es immer und immer wieder Zwillinge“, weiß die gepflegte Dame mit dem verschmitz­ten Lächeln und den strahlende­n Augen. „Eine meiner Schwestern bekam Zwillinge, zwei Schwestern meiner Mutter und die Frau meines Onkels väterliche­rseits bekamen Zwillinge.“Doch überlebten die beiden Buben ihrer Tante Mina in den 50er-Jahren nicht. „Das war schlimm. Sie wollte eigentlich nach der Geburt der Kinder heiraten. Als beide Babys starben,

sie nie wieder geheiratet und auch keine Kinder mehr bekommen.“Von ihrer Tante Babette starb ein Zwilling bei der Geburt. „Tante Marthas Zwillinge sind in den 40er-Jahren beide durchgekom­men.“

Hildegard Springer und ihre Schwester Josefine besuchten die Koloniesch­ule von Hoechst. „Mein Vater arbeitete als Schreiner bei Hoechst und deshalb durften wir dort zur Schule“, erzählt die Seniorin. „Danach machten wir noch die 8. Klasse in der Pestalozzi­schule. Mehr gab´s nicht. Mit 14 Jahren gingen wir arbeiten. Das war damals so.“Eine Ausbildung gab es nicht. „Ich bin im Café Holland putzen gegangen und Josefine hat in einem Haushalt geputzt.“

In ihrer Teenagerze­it ging sie viel und gerne Tanzen. In der Costa Bar in Oberhausen lernte sie dabei den in Augsburg stationier­ten Sergeant John E. Hagens aus North Carolina kennen. Als sie von ihm im Sommer 1960 ihr erstes Kind zur Welt bringen sollte, ahnte sie nicht, was sie erwartet. „Als das Baby da war, zeigte die Hebamme es mir und sagte dann, ,es kommt nochmal eines.’“Es waren zwei Mädchen.“

Die Hebamme, die sie betreute, sagte ihr nicht, dass sie mit Zwillingen schwanger sei und sie selbst habe das auch nicht gemerkt. „Zwei Wochen musste man zu der Zeit nach der Geburt in der Klinik blei

Schon mit 14 Jahren zur Arbeit gegangen

ben. Meine Mädchen Sarina und Jasmin habe ich nicht mit nach Hause nehmen können, denn sie mussten drei Monate in der Kinderklin­ik in Oberhausen bleiben.“

Danach nahm sie die beiden Mädchen nach Hause. Gemeinsam mit ihrer Zwillingss­chwester wohnte sie nach wie vor bei den Eltern. „Meine Eltern haben meine Zwillinge sehr gerne gehabt.“Aber einfach sei die Zeit damals nicht gewesen. „Zudem waren meine Kinder dunkelhäut­ig und da wurde viel hinten herum geredet.“Den Rassismus habe es schon immer gegeben, aber heute sei das aus ihrer Sicht nicht mehr so. Insgesamt hat die rüstige Rentnerin sieben Kinder geboren und alle ohne Vater aufgezogen. „Wenn ich meine Josefine nicht gehabt hätte, hätte ich das alles nicht geschafft“, erinnert sie sich wehmütig an ihre Zwillingss­chwester zurück, die vor sechs Jahhat ren starb. „Bis meine großen Mädchen etwa 14 waren, haben Josefine und ich zusammen gewohnt und sie hat meine Kinder mit großgezoge­n. Dank ihr konnte ich auch arbeiten gehen.“Denn als Sarina und Jasmin sechs Jahre alt waren, musste Springer wieder selbst Geld verdienen und bekam eine Anstellung in der Zwirnerei Michalke in Langweid. „Acht Stunden Akkordarbe­it täglich und das 30 Jahre lang“, sagt sie. Heiß und laut sei es gewesen und sie musste ständig die Leiter rauf und wieder runter. „Aber mir hat es gefallen. Bin gerne dorthin gegangen und habe viele Leute kennengele­rnt, hauptsächl­ich Türken und Griechen.“

Dazwischen bekam sie immer wieder Kinder, insgesamt sieben an der Zahl. „Verhütung kannte man damals nicht“, zuckt sie mit den Schultern. Drei Mädchen gab sie nach Amerika zur Adoption frei. Es sei damals einfach alles zu viel gewesen. „Die Mädchen kamen zu zwei dunkelhäut­igen Ehepaaren, wovon die Männer ebenfalls in Augsburg stationier­t waren, und die ich zuvor auch persönlich kennenlern­te. Das waren gute und nette Leute.“Heute würde sie das nicht mehr so machen. „Jetzt geht es uns gut, aber zu der Zeit war es sehr schwer und ich wollte, dass es meinen Kindern an nichts fehlt.“Kontakt hält sie bis heute zu allen ihren Kindern. Inzwischen ist sie mehrfache Oma und Uroma sowohl in Amerika als auch in Deutschlan­d.

Ihre „Finni“oder „Findl“, wie sie ihre Zwillingss­chwester Josefine immer liebevoll nannte, vermisst Hildegard Springer sehr. „Ich freue mich, dass es allen meinen Kindern gut geht. Das ist das Wichtigste“, lächelt sie zufrieden und dankbar.

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Foto: Diana Zapf‰Deniz Hildegard Springer freut sich über ihre große Familie. Sie ist mehrfache Oma und Uroma. Ihre verstorben­e Zwillingss­chwester, die auf dem Schwarz‰Wei߉Bild mit ihren Zwillingsm­ädchen bei der Kommunion zu sehen ist, fehlt ihr.
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Repro: Diana Zapf‰Deniz Hildegard Springer mit fünf ihrer Kinder in den 60er‰Jahren. Sie war alleinerzi­e‰ hend.

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