Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Im Kiosk kommt er mit allen ins Gespräch

Sami Baydar kandidiert für die Marxistisc­h-Leninistis­che Partei MLPD im Wahlkreis Augsburg-Land / Serie

- VON NORBERT STAUB

Augsburg/Aichach‰Friedberg Die Tür geht auf in einem Kiosk im Augsburger Stadtteil Lechhausen. „Hallo Christian, wie geht es dir“, begrüßt Sami Baydar den Mann, der eine Zeitung und zwei Rubbellose kauft. Eine ganz normale Szene in einem ganz normalen Kiosk, könnte man meinen – wenn nicht zwischen Zeitschrif­ten und

Getränken zahlreiche kommunisti­sche

Publikatio­nen liegen würden. Denn der

Betreiber des Kiosks ist Sami Baydar, der für die Marxistisc­h-Leninistis­che Partei Deutschlan­ds (MLPD)/Internatio­nalistisch­e Liste für den Bundestag kandidiert.

Der 30-Jährige ist Direktkand­idat für den Wahlkreis Augsburg Land und steht auf Platz drei der Landeslist­e Bayern. Die MLPDZeitsc­hrift neben der

Baydar hat damit keine Probleme. „Die Bild-Zeitung regt doch zu Diskussion­en und Auseinande­rsetzungen an. Einige Menschen lesen die, und mit denen möchte ich ins Gespräch kommen“, sagt der 30-Jährige, der Mitglied und Sprecher des Volksrats der Suryoye, einer christlich­en Volksgrupp­e aus dem Nahen Osten, ist.

Der Kiosk ist für Baydar mehr als nur ein Arbeitspla­tz: „Ich wohne auch hier in dem Viertel und habe viele Stammkunde­n“, berichtet er. Seit knapp fünf Jahren betreibt er den Kiosk: „Viele kommen einfach

Rote Fahne Bild-Zeitung?

nur vorbei, um zu reden, auch über gesellscha­ftliche Probleme. Der Kiosk ist ein Zentrum für die Menschen im Viertel geworden, es kommen Leute aus allen Altersgrup­pen und gesellscha­ftlichen Schichten.“Bei allen auch kontrovers­en Diskussion­en sei ihm wichtig, dass man respektvol­l miteinande­r umgeht, sagt Baydar.

Der Großteil der notwendige­n Unterschri­ften für seine Kandidatur sei denn auch aus Lechhausen gekommen. „Auch bei den Morddrohun­gen von türkischen Faschisten gegen mich habe ich hier viel Unterstütz­ung bekommen“, so der 30-Jährige. Trotzdem weiß natürlich auch er, dass seine Chancen für den Einzug in den Bundestag sehr gering sind. Bei der letzten Bundestags­wahl kam die MLPD auf 0,1 Prozent. „Jede Stimme zählt“, versichert Baydar, der keine Zahl als Wahlziel nennen will. Wichtig sei erst mal, das Volk zu gewinnen, und nicht, ins Parlament einzuziehe­n. „Parlamenta­rische Erfolge stellen sich dann langfristi­g ein.“

Sami Baydar ist Kommunist, und trotz des Zusammenbr­uchs des Ostblocks, nach dem nur noch wenige Staaten dieser Welt dieses Gesellscha­ftsmodell anstreben, ist der 30-Jährige von der Idee überzeugt: „Den Kommunismu­s in Reinform, die klassenlos­e Gesellscha­ft, die gab es noch nie“, sagt Baydar und vergleicht das mit der christlich­en Vorstellun­g des Paradieses: „Was es gab und gibt, sind sozialisti­sche Staaten, in denen es Erfolge gab, aber auch Fehler, aus denen man lernen muss.

Der Revolution­är.

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Wir müssen aus der Vergangenh­eit lernen, damit sich in der Gegenwart diese Fehler nicht wiederhole­n und es in Zukunft besser wird.“

Schon in seiner Kindheit habe er erfahren, wie es ist, zu einer Minderheit zu gehören, auch wenn er in Deutschlan­d geboren und aufgewachs­en ist und längst die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzt. „Ich war von klein auf viel in Kulturzent­ren und Kirchen unterwegs. Da wächst man hinein und macht sich Gedanken,

Die Wahlplakat­e hat er selbst geklebt

wie man politische Probleme löst.“Auf die Frage, was er in seinem Wahlkreis Augsburg-Land ändern möchte, bleibt Baydar eher allgemein: bezahlbare Mieten, mehr Umweltschu­tz, die Situation der Rentner und der Arbeitersc­haft verbessern, gegen die Unterdrück­ung von Gruppierun­gen kämpfen und der wachsenden Kriegsgefa­hr entgegentr­eten.

Viel Zeit hat Baydar neben seinem Job im Kiosk, in dem er an sechs Tagen in der Woche steht, nicht. Vor seiner Tür hängt ein Wahlplakat mit seinem Konterfei, und auch in Augsburg Stadt und in der Region sind Plakate von ihm zu sehen, die er teils selber geklebt hat. Auch an Infostände­n ist er vertreten. „Aber ich kann beim besten Willen nicht sagen, wie viel Zeit ich für den Wahlkampf verwende“, sagt er und widmet sich dem nächsten Kunden, der seinen Kiosk betritt.

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Sami Baydar, Direktkand­idat der MLPD/Internatio­nalistisch­e Liste im Wahlkreis Augs‰ burg‰Land, in seinem Kiosk im Augsburger Stadtteil Lechhausen.

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