Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der König der Anarchie
Ein Streit bei Punk-Legenden und die Widersprüche des Lebens
Jetzt kann man es sich ja leicht machen. Denn das Ganze ist herrlich blöd. Da sind nämlich die Sex Pistols, Punk-Legenden mit nur einem Album vor fast 45 Jahren, aber unsterblichen Parolen-Hits wie die Beschwörung „Anarchy in the U.K.“und die Lästerung „God Save the Queen“. Der Sänger Johnny Rotten grölte also: Keine Macht für niemand – und vor allem keine Majestät!
Und jetzt: Klingt es wie Ludwig XIV. und sein „L’État, c’est moi!“, wenn der 65-Jährige, bürgerlich John Lydon, sagt: „Ich bin der Leadsänger und Songwriter, Frontman, das Symbol, all das, überhaupt alles!“Absolutismus im Punk! Ludwig
in Paris sah sich als der Staat, Johnny in London sagt: Die Band, das bin ich! Majestät zeigte sich empört, weil die anderen Sex Pistols, die es halt doch gibt, Songs der Band für eine Kino-Doku über Gitarrist Steve Jones freigaben und Ihro Gnaden Einspruch nun auch vor Gericht scheiterte. Majestätsbeleidigung? Schön blöd.
Aber das hat auch Tiefe. Musste nicht Jim Morrison verhindern, dass der Rest der Doors einen Song in die Autowerbung verkaufte: „Come on, Buick, light my fire“? Und lehnten Die Ärzte nicht die eine Million Mark ab, die Coca-Cola einst Stars zahlte, um sie auf die Dose zu nehmen – im Gegensatz zu den Fantastischen Vier (aber ja schön: die Fantas auf der Cola). Da kann man schon mal nachdenken: Worauf gründet das Wir, das ja vermeintlich auch eine Gesellschaft zusammenhalten soll: Wert oder Wohlstand? Und, ja, auch das, Johnny: Wie intolerant sind die, die absolute Toleranz predigen? Aber es führt auch zu den Stones und dem Tod von Charlie Watts, denn: Wer ist die Band? Wäre nicht klar, dass sie ohne Mick Jagger aufhören? Aber ohne Charlie, angeblich doch „die Seele der Stones“, geht es?