Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Hartes Ringen um Premium Aerotec
Die erste Verhandlungsrunde um die Zukunft der Augsburger Firma brachte noch kein Ergebnis. Warum Beschäftigte jetzt auf einen Kanzler Scholz und mehr politischen Druck auf die Führung des Mutterkonzerns Airbus setzen
Hamburg/Augsburg Das gefällt sicher auch hartgesottenen Managerinnen und Managern nicht. Ehe die Verhandlungen über die Zukunft deutscher Airbus- und PremiumAerotec-Standorte am Mittwoch in einem Hotel in Hamburg begonnen haben, bekam die Arbeitgeberseite tausende rote Karten überreicht.
Beschäftigte von Standorten wie Augsburg, die ausgegliedert und zum Teil verkauft werden sollen, haben mit ihren Unterschriften dem immer stärker werdenden Protest gegen die radikalen Pläne der Konzernführung eine persönliche Note gegeben. Der Text auf den postkartengroßen Schriftstücken ist in IchPerspektive gehalten und appelliert an das Ehrgefühl von Airbus-Chef Guillaume Faury und seiner Führungscrew. Dort steht: „Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft unserer Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland.“Zudem wird die Befürchtung ausgesprochen, die Pläne dienten nur einem einzigen Zweck, nämlich „dem Aufbau von mehr Wettbewerbsdruck durch Billiger-Strategien und Standort-Konkurrenzen auf dem Rücken der Beschäftigten“.
Dann folgt auf den roten Karten ein schwerwiegender Vorwurf: „Sie wollen die Belegschaft spalten und leichter erpressbar machen.“All das mündet in die kämpferische Ansage: „Nicht mit mir!“Nachdem Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall Druck aufgebaut und angekündigt haben, notfalls zu streiken, ist die Airbus-Führung an den Verhandlungstisch zurückgekehrt. Bei der ersten Gesprächsrunde kam jedoch, wie Teilnehmerinnen und
Teilnehmer schildern, nichts heraus. Das ist für den Auftakt einer Tarifauseinandersetzung üblich. Bei den Gesprächen wurden noch einmal die gegensätzlichen Standpunkte ausgetauscht und man hat sich auf 7. September vertagt.
Dabei ist von mit Airbus vertrauten Personen zu erfahren, dass die Unternehmensleitung das Ausmaß des Widerstandes unterschätzt habe und nun wieder dialogbereit sei. Ob und wann Faury und sein Vorstandsteam indes auf Kompromisskurs umsteuern, ist unklar. Auf alle Fälle steht das Management des Konzerns in Deutschland zumindest unter politischer Beobachtung: Nach Informationen unserer Redaktion hat Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) inzwischen gedem Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall Wort gehalten und mit dem Airbus-Management über die Ängste in der Belegschaft gesprochen. Ob er dabei der Unternehmensspitze ins Gewissen geredet hat, gilt als unklar.
Deutschland wäre als Großaktionär des Flugzeugbauers in der Lage, Einfluss auf Standort- und Beschäftigtenthemen zu nehmen. Dabei verfügt die Bundesregierung über ein doppeltes Druckmittel: Einerseits kann sie ein Aktienpaket von knapp elf Prozent in die Waagschale werfen, andererseits ist sie in der Lage, nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass Deutschland einer der wichtigsten Kunden für militärische Airbus-Produkte wie Kampfflugzeuge oder Hubschrauber ist. In
Frankreich muss diese Trumpfkarte von der Regierung erst gar nicht ausgespielt werden, weil der Konzernführung bewusst ist, dass die Mächtigen in Paris sofort massiven Druck auf das Unternehmen ausüben würden, wenn Arbeitsplätze und Standorte gefährdet sind. Industriepolitik ist in Frankreich Chefsache für den Präsidenten, was in Deutschland, wie es nicht nur im Gewerkschaftslager heißt, zuletzt in der entschiedenen Spielart unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) der Fall gewesen war.
So bleibt der französische Luftfahrtzulieferer Stelia unter dem schützenden Airbus-Dach und soll nicht wie sein deutsches Gegenstück, die in Augsburg sitzende Firma Premium Aerotec, zum Teil vergenüber kauft werden. Von der Veräußerung wären am Lech rund 2200 von 2800 Beschäftigten betroffen. Am Ende könnte, wie in Augsburg befürchtet wird, nach einer Übernahme durch einen Investor massiv Produktion ins Ausland verlagert und damit Arbeitsplätze in großem Umfang abgebaut werden. Letztlich sei es auf lange Sicht nicht auszuschließen, dass der Standort ausblute.
So weit muss es nicht kommen. In Beschäftigtenkreisen wird ein neues Kapitel im Kampf um die Arbeitsplätze durchgespielt, das Ende vergangenen Jahres, als sich das Airbus-Management auf den Weg machte, Premium Aerotec auf den Kopf zu stellen, als undenkbar erschien: Damals rechnete kaum einer damit, dass Olaf Scholz Kanzler werden könnte, was jetzt möglich erscheint. Der SPD-Mann hat im Wahlkampf das ebenfalls vom Verkauf bedrohte Premium-AerotecWerk in Varel besucht und den dortigen rund 1300 Beschäftigten seine Unterstützung zugesichert. Das Kalkül mancher Gewerkschafter lautet also: Bei einem Kanzler Scholz und einer ihm vertrauten SPD-Person an der Spitze des Kanzleramtes könnte der deutsche Druck auf den Airbus-Vorstand deutlich ansteigen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Konzern auch von heiß verfolgten Vorhaben Abstand nimmt. So wurde das Großraumflugzeug A380 lange als die ultimative Lösung für den Luftverkehr der Zukunft gepriesen und dann doch eingestellt. Am Mittwoch, am Tage der ersten Verhandlungsrunde mit der Arbeitnehmerseite, vermeldete Airbus, dass in diesem Jahr die letzten drei der Maschinen ausgeliefert würden.