Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Commerzienrat Günni“gibt seine Kneipe auf
Günter Fritsch hat über zwei Jahrzehnte das Gasthaus Der Commerzienrat Riegele am Königsplatz geführt. Dass er das Wirtsleben an den Nagel hing, hat nicht nur mit Corona zu tun
Es soll Stammgäste gegeben haben, die kamen über 20 Jahre lang jeden Tag in den Commerzienrat, um ihr Bier zu trinken und einen Plausch abzuhalten. „Das hier ist für mich mehr Wohnzimmer als mein eigenes daheim“, soll der ein oder andere sinngemäß gesagt haben. Doch seit rund vier Wochen hat die Kneipe in dem denkmalgeschützten Haus in der Bürgermeister-Fischer-Straße/ Ecke Königsplatz geschlossen. Wirt Günter Fritsch hat nach 25 Jahren sein Leben als Gastronom beendet. Der 56-Jährige hat mit einem lachenden und einem weinenden Auge Abschied von „seiner“Gaststätte genommen, in der er manchmal sogar übernachtet hatte.
Zuletzt hatte Günter Fritsch im März dieses Jahres für Schlagzeilen gesorgt. Da stand der Wirt wegen eines Corona-Bußgeldes vor dem Augsburger Amtsgericht. Weil einer seiner Servicekräfte beim Bedienen die Maske nicht ordnungsgemäß über Mund und Nase getragen haben soll, sollte Fritsch als verantwortlicher Gastronom 2500 Euro Strafe zahlen. Er legte dagegen Einspruch ein – mit Erfolg. Das Gericht stellte das Verfahren ein, weil den Wirt keine oder nur eine sehr geringe Schuld treffe. Seine Gäste feierten seinen Sieg. Danach, sagt Fritsch, habe er sich vom Ordnungsamt getriezt gefühlt. Immer wieder seien die Abstände seiner Tische abgemessen worden. Derzeit hat Fritsch deswegen noch ein weiteres Verfahren am Laufen. Die Corona-Pandemie mit all ihren Konsequenzen war jedoch nicht ausschlaggebend für seine Aufgabe der Kneipe. Das betont er. Aber sie habe ihn im Plan bestärkt, sein Leben als Wirt an den Nagel zu hängen. In dieses war Günter Fritsch vor 25 Jahren zufällig hineingeraten.
Eigentlich war der ausgebildete Metzgermeister auf der Suche nach eigenen Metzgerei-Räumlichkeiten in Augsburgs Innenstadt. Schon sein Vater hatte am Kappeneck in der Jakobervorstadt eine Metzgerei betrieben. „Doch dann rief mich ein Bekannter an und fragte, ob ich stattdessen eine Kneipe übernehmen will.“Fritsch überlegte nicht lange. „Das Haus kannte ich schon als Kind, früher waren dort die Riegele-Bierhallen. Und Mitte der 90er-Jahre ein eigenes Geschäft in Augsburgs Fußgängerzone zu haben, war für mich etwas Erhabenes.“Der Commerzienrat Riegele und Günter Fritsch wuchsen im
Lauf der Jahre so eng zusammen, dass der Wirt zu dem „Commerzienrat“von Augsburg wurde. Der gebürtige Fuggerstädter lacht. „Bei vielen heiße ich Commerzienrat Günni – sie sprechen es in einem Wort aus.“Jeden Tag, von Montag bis Sonntag, bewirtete Fritsch seine Gäste, kochte auch selbst viel. Privatleben und Beruf wurden eins. „In den 25 Jahren hatte ich insgesamt drei Mal je zehn Tage Urlaub. Das war wohl eine meiner größten Dummheiten“, sagt er im Rückblick. Aber Fritsch hadert nicht. „Ich habe viel für das Leben gelernt“, findet er und meint damit vor allem die besondere Konstellation seiner Gäste.
„Zu mir kamen nicht nur alle Altersklassen, sondern auch Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten – von Hartz-IV-Empfängern bis zu Polizisten und Richtern. Spätestens nach Feierabend waren sie alle da.“Darauf ist er stolz. Gemütlichkeit und unterschiedliche Menschen zusammenzubringen, das war „Commerzienrat Günni“am wichtigsten. Gerne konfrontierte er Gäste untereinander mit dem Spruch: „Ihr kennts euch doch“– wohlwissend, dass sie es nicht taten. „Dann stellte ich sie untereinander vor. Das war mein einfachster Trick.“Seine Stammgäste, laut Fritsch zählten dazu rund 400 Kunden, habe er alle beim Namen gekannt.
In Erinnerung bleiben ihm die vielen Gespräche, die er in 25 Jahren geführt hat. Fritsch war nicht nur Wirt, sondern auch Psychologe, Seelsorger, Rausschmeißer oder Mitfeiernder. „Ich habe so viel Lebenserfahrung gesammelt, die ich in keinem Job der Welt erhalten hätte“, ist er überzeugt. Dennoch zog er den Schlussstrich, weil die Umstände in der Gastronomie, sagt er, über die Jahre schlechter wurden.
Fritsch erzählt von steigenden
Pacht-, Bierpreisen und Stromkosten, von strenger werdenden Auflagen und von Personalmangel. Und dann kam auch noch Corona. Es sei jetzt gut gewesen. Mit der Brauerei Riegele habe er das Pachtverhältnis wegen einer Nachfolgerin im gegenseitigen Einvernehmen beendet. „Ich bin bester Dinge, dass es für die Gäste bald weitergeht.“Wichtig sei ihm vor allem, dass seine Mitarbeiter in der Küche und im Service übernommen werden. Und er selbst? „Ich werde mich erst mal besinnen, was ich machen will. Was immer auch kommt, der Commerzienrat war mir eine Ehre.“