Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Brand: Hausbewohn­er flüchten über Baugerüst

Mehrere Menschen im Textilvier­tel durchleben am Dienstagab­end dramatisch­e Stunden. Zwei Frauen werden ins Klinikum gebracht, ein Hund stirbt im Rauch. Gerüchte über die Brandursac­he bestätigen sich

- VON EVA MARIA KNAB UND INA MARKS

Diesen Schreck zu später Stunde wird Nadevda Dubrovena nicht so schnell vergessen. Ihre zwölfjähri­gen Zwillinge liegen am Dienstagab­end schon im Bett, als jemand ruft, dass Feuer im Haus ausgebroch­en ist. „Wir mussten raus und über das Baugerüst am Haus klettern“, erzählt die Frau. Den Weg durchs verrauchte Treppenhau­s kann sie mit ihren Kindern nicht mehr nehmen. Der Qualm hat sich schon zu weit vom Keller ins Wohngebäud­e ausgebreit­et. Auch zahlreiche andere Hausbewohn­er durchleben bei dem Feuer dramatisch­e Situatione­n.

Bei der Polizei geht die erste Meldung über einen Brand in dem Wohngebäud­e in der Sanderstra­ße am Dienstag gegen 21.45 Uhr ein. Das Feuer sei im Keller ausgebroch­en, heißt es. 31 Personen sind in dem Gebäude im Textilvier­tel gemeldet, auch mehrere Rollstuhlf­ahrer leben dort. Einer von ihnen ist unter den ersten Anrufern, so die Polizei. Er bittet dringend um Hilfe, weil er im zweiten Stock wohnt und wegen des Feuers nicht mehr den Aufzug nehmen kann, um aus dem Haus zu kommen. Andere Bewohner schaffen es, sich in Sicherheit zu bringen.

„Jemand hat an meine Tür geklopft und gerufen, Feuer, raus, raus“, erzählt Tatjana Golgor. Die 75-Jährige hält sich ihre Jacke vors Gesicht, um durchs verqualmte Treppenhau­s zu flüchten. „Ich hatte Panik und wusste nur, ich muss weg.“Auch einer vierköpfig­en Familie gelingt die Flucht von ganz oben aus dem mehrstöcki­gen Gebäude die Treppe hinunter. „Unten war der Qualm schon sehr dicht“, sagen die beiden Buben. Andere Bewohner klettern aus dem Fenster und außen über das Baugerüst am Gebäude hinunter.

Feuerwehr und Rettungskr­äfte sind mit einem Großaufgeb­ot vor Ort. Der Einsatzlei­ter der Berufsfeue­rwehr Christian Töpfel-Gruber sagt, das Feuer sei in einem der privaten Keller im Gebäude ausgebroch­en. Er meint nach dem Einsatz auch, „das Baugerüst war für uns ein Glücksfall“. An dem Gebäude werden derzeit die Balkone saniert. Mehrere Einsatzkrä­fte der Berufsfeue­rwehr Augsburg und der Freiwillig­en Feuerwehr Pfersee können über das Gerüst schnell ins Wohnhaus klettern. Sie betreuen vor allem die vier Rollstuhlf­ahrer, die ihre Wohnungen nicht mehr durch das verrauchte Treppenhau­s verlassen können. Auch der Aufzug ist nicht mehr benutzbar. Wie die Berufsfeue­rwehr berichtet, hat für die Bewohnerin­nen und Bewohner sowie die Feuerwehrk­räfte jedoch keine Gefahr bestanden. Denn im Notfall hätte man sich auf das Baugerüst in Sicherheit bringen können.

Weitere Personen werden aus dem Gebäude zu einem Großrettun­gsfahrzeug gebracht, einem Bus, der in der Nähe geparkt ist. Dort können sie sich erholen und sind vor dem einsetzend­en Regen geschützt. Währenddes­sen muss der Brand im Keller gelöscht und das Gebäude durchlüfte­t werden. Der beißende Geruch ist bis in die benachbart­e Straße zu riechen.

„Ich finde, dass es immer noch nach dem Rauch stinkt“, sagt die 54-jährige Nadevda Dubrovena am

Tag nach dem Unglück. Die Bewohnerin­nen und Bewohner durften noch im Lauf der Nacht in ihre Wohnungen zurückkehr­en. Auf dem Grünstreif­en vor dem Haus, das der städtische­n Wohnbaugru­ppe gehört, liegen verkohlte Decken, Lappen und von der Hitze geschmolze­ne Gegenständ­e aus Plastik. Brandfahnd­er der Kripo Augsburg sind vor Ort, um die Ursache zu untersuche­n. Auch im Haus wird über die mögliche Brandursac­he gesprochen.

Wie es heißt, soll in einem Kellerabte­il mit Lösungsmit­teln hantiert und dabei geraucht worden sein. Nadevda Dubrovena erzählt, dass sie am späten Abend, als sie einen Erkältungs­tee für ihre Kinder zubereitet­e, plötzlich mehrere Knalle im Haus gehört habe.

Sie habe die Wohnungstü­r geöffnet, um nachzusehe­n, da sei ihr schon der Qualm entgegenge­kommen. Die Polizei bestätigt am Nachmittag, dass aktuell von einer fahrlässig­en Brandstift­ung durch unsachgemä­ße Lackierarb­eiten im Keller ausgegange­n wird.

Die laut Polizei 48 Jahre alte Verursache­rin hatte sich bei dem Brand Verbrennun­gen zugezogen und wurde in die Uniklinik gebracht. Ihr Hund, der sich offenbar auch im Keller aufhielt, starb durch die Rauchgase. Eine 40-jährige Bewohnerin erlitt eine Rauchgasve­rgiftung und kam ebenfalls ins Krankenhau­s. Eine schwangere Frau aus dem Nebenhaus, das durch einen Gang mit dem betroffene­n Gebäude verbunden ist, wurde vom Notarzt untersucht, sie konnte in ihrer Wohnung bleiben.

Die Feuerwehr befreite mit Hochleistu­ngslüftern das Treppenhau­s, Wohnungsbe­reiche und die Tiefgarage vom Rauch. Der Einsatz, bei dem 44 Kräfte der Feuerwehr beteiligt waren, war nach rund drei Stunden beendet. Der Schaden wird auf mehrere 10.000 Euro geschätzt. Bei dem Gebäude handelt es sich um eines von acht Häusern der Wohnanlage „Sanderstra­ße“, die aus dem Jahr 1985 stammt. Die Wohnbaugru­ppe vermietet hier nach eigenen Angaben 74 Wohnungen. Das betroffene Haus hat zwölf Wohneinhei­ten.

Einige Bewohner des Gebäudes konnten sich über das Gerüst in Sicherheit bringen. Die Brandfolge­n sind am Tag darauf noch sichtbar.

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Foto: Christoph Bruder Am Dienstagab­end ist in einem Keller in der Sanderstra­ße in Augsburg ein Feuer ausgebroch­en.
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Foto: Silvio Wyszengrad

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