Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mehr Briefwahl, mehr Betrug?
Im Internet kursiert die Behauptung, dass Briefwahl das Risiko für gefälschte Ergebnisse erhöht. Was Experten dazu sagen
● Die Behauptung Es ist ein Trend, der schon seit Jahren zu beobachten ist und durch die Corona-Pandemie noch einmal verstärkt wurde: Wählerinnen und Wähler geben ihre Stimme immer häufiger per Briefwahl ab. In Augsburg wird für die Bundestagswahl am 26. September mit einem Rekordwert gerechnet. Doch nicht alle politischen Parteien sind von der Briefwahl überzeugt. Die AfD empfiehlt ihren Unterstützerinnen und Unterstützern, am Wahltag persönlich ins Wahllokal zu gehen. In einem Post auf der laut Facebook offiziellen Seite des Kreisverbands der AfD Leipzig ist zu lesen, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter nach Deutschland schicken müsste, weil es in der Bundesrepublik immer wieder zu Wahlbetrug komme und die Briefwahl das Risiko fördere. Stimmt das?
● Die Fakten Richtig ist, dass das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) ein Team nach Deutschland schickt, um die Bundestagswahl zu beobachten. Das ist allerdings ein normaler Vorgang, wie Sprecherin Katya Andrusz sagt: „Alle Länder der OSZE haben sich verpflichtet, das ODIHR zur Wahl einzuladen – so auch Deutschland.“Zur diesjährigen Wahl wird es ein Experten-Team bestehend aus fünf Personen sein. Am Wahltag selbst gibt es stichprobenartige Beobachtungen ohne Anmeldung. Ganz wichtig ist Andrusz dabei: „Die Wahlbeobachtung ist politisch absolut neutral. Es ist uns egal, wer die Wahl gewinnt. Wir schauen nur, wie die Wahl gewonnen wird und beobachten den Prozess, um beurteilen zu können, ob die Wahl den internationalen Standards genügt.“
Dass Briefwahlen das Risiko für Betrug steigern – dafür mangelt es an Hinweisen. Deutschland habe eine langjährige Erfahrung mit Briefwahlen. Die Briefwahl könne mehr Wählerinnen und Wählern ermöglichen, Gebrauch von ihrem Wahlrecht zu machen. Trotzdem seien ein etablierter, zuverlässiger Postdienst und ein wirksamer Schutz vor möglichem Missbrauch wichtig. Wie dieser Schutz aussieht, ist auf der Seite des Bundeswahlleiters zu lesen: Es gibt unter anderem einen Sperrvermerk, der verhindert, dass die Wählenden am Wahltag noch einmal im Wahllokal abstimmen können.
Was mit den Briefwahlzetteln zwischen Stimmabgabe und Auszählung passiert, erklärt Andreas
Böttcher vom LandeswahlleiterBüro in Bayern: „Die Gemeinde sammelt die Wahlbriefe ungeöffnet und hält sie unter Verschluss. Am Wahltag werden diese an den zuständigen Briefwahlvorstand übergeben.“Zwar werde mit dem Zählen und Öffnen der Wahlbriefe bereits vor 18 Uhr begonnen, die Stimmzettelumschläge bleiben jedoch verschlossen. „Hierbei wird entschieden, ob einzelne Wahlbriefe vom Wahlvorstand zu beanstanden und zurückzuweisen sind, beispielsweise wenn dem Wahlbriefumschlag kein oder kein gültiger Wahlschein beiliegt.“Anschließend werden die Stimmzettelumschläge in die Wahlurne gelegt. Erst ab 18 Uhr wird die Wahlurne geöffnet, damit die Stimmzettelumschläge gezählt werden können. Danach öffnen mehrere Beisitzende die Umschläge und nehmen die Stimmzettel heraus, um die Stimmen auszuzählen. Über die Gültigkeit der Stimmzettel, die Anlass zu Bedenken geben, entscheidet der Wahlvorstand gesondert, erklärt Böttcher.
Auffälligkeiten bei vergangenen Wahlen in Deutschland hätten weder der Landeswahlleiter noch die OSZE beobachten können. „Dem Landeswahlleiter liegen keine Belege für eine systematische respektive signifikante Verfälschung der Wahlergebnisse (im Rahmen der Stimmabgabe und -auszählung) bei den letzten Bundestagswahlen oder den weiteren Wahlen in seinem Zuständigkeitsbereich vor“, erklärt Böttcher. Im Abschlussbericht der ODIHR-Wahlbeobachtung von 2017 gibt es zwar fünf Empfehlungen, um den Wahlprozess in Deutschland zu verbessern. Keine von ihnen erwähnt jedoch die Briefwahl.