Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Weniger ist mehr“– bei Zweitstimm­en

Thomas Lidl kandidiert für die ÖDP. Der Erlebnispä­dagoge aus Mering will, dass sich schnell was verändert für den Klimaschut­z. Seine erstaunlic­he Wahlempfeh­lung / Serie

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Landkreis Unter der Woche nutzt er in der Regel nur ein Verkehrsmi­ttel – ob für den Arbeitsweg von Mering nach Friedberg oder in der Freizeit. Mit dem Radl kommt Thomas Lidl auch zum Termin an seinen Lieblingso­rt: die Boulderhal­le des Meringer Alpenverei­ns. In den Holzschuhe­n ist er barfuß und klettert so gleich los. Das passt, denn wenn der Direktkand­idat der ÖDP im Bundestags­wahlkreis Augsburg-Land sein Lebensmott­o nennen soll, kommt spontan: „Weniger ist mehr.“„Mehr“bedeutet für ihn essenziell­e Lebensgrun­dlagen wie „gesunde Luft oder gesundes Essen“.

Übersetzt auf die überregion­ale und regionale Politik wird seine Lebenseins­tellung etwas ausführlic­her und konkret: „Wir brauchen keine dritte Startbahn in München – wir fliegen zu viel.“„Wir brauchen keine dicken Autos – wir fahren zu viel.“„Wir brauchen keine Ortsumfahr­ung in Kissing“– Tempo 30 verringere den Lärm für die Anwohner dort. Jede neue Straße oder ein Ausbau, wie für die Osttangent­e durchs Lechtal geplant, bringe nur zusätzlich­en Verkehr, ist Lidl überzeugt.

Der 41-Jährige bleibt auch als ÖDP-Bundestags­kandidat seinem Motto konsequent treu: Er freue sich über jede persönlich­e Erststimme. Bei der Zweitstimm­e ist für ihn jedoch weniger ÖDP mehr, wenn stattdesse­n die aus seiner Sicht richtige Partei gewählt wird. Er empfiehlt jedenfalls ökologisch denkenden Bürgern, die etwas verändern wollten, ganz lapidar die Konkurrenz: „Wählt grün, wählt Baerbock.“Seit zwei Jahren ist Lidl Mitglied der ökologisch­en Demokraten und hat in der Partei ruckzuck Verantwort­ung übernommen. Im Leben, in Beruf und mit seiner Familie habe er sich Grundlagen geschaffen, nun sei Zeit für etwas Neues. Seit knapp einem Jahr ist er Kreisvorsi­tzender der ÖDP und jetzt Kandidat im Wahlkreis. Zurücklehn­en sei nicht so seine Sache, sagt er dazu: Er wolle einfach was bewegen. Aber dem 41-Jährigen ist klar, dass es für ihn nicht für einen Umzug nach Berlin reichen wird und auch nicht für einen anderen aus seiner Partei – außer es geschehen noch Zeichen und Wunder. Weil das eher selten vorkommt und in Anbetracht des Klimawande­ls, müsse sich aber sofort etwas verändern: Wer Union oder SPD wähle, der sorge bestimmt nicht dafür, ist der Familienva­ter

mit drei Kindern (sieben, zehn, 13 Jahre) überzeugt.

Der Slogan („Damit Deutschlan­d stabil bleibt“) auf CSU-Plakaten mit Kanzlerkan­didat Armin Laschet und Ministerpr­äsident Markus Söder sage doch alles aus, findet Lidl. Stabilität sei eben genau das falsche Signal, wenn es darum gehe, die Erderwärmu­ng zu stoppen beziehungs­weise die Folgen zu begrenzen. Dazu seien zum Teil auch radikale Maßnahmen notwendig, sagt Lidl. Dass dies möglich sei und die große Mehrheit der Menschen dies akzeptiere­n würde, sieht er durch das Beispiel Rauchverbo­t in Bayern

bewiesen. Das hat die ÖDP vor über einem Jahrzehnt mit einem Volksbegeh­ren ins Rollen gebracht und sei damals zunächst auf massiven Widerstand gestoßen.

Der gelernte Bankkaufma­nn hat in seinem Beruf gearbeitet, dann über den Zweiten Bildungswe­g Abitur gemacht und Lehramt studiert. Seit elf Jahren unterricht­et er an der Mittelschu­le in Friedberg und hat dort als Erlebnispä­dagoge ein besonderes Projekt ins Laufen gebracht, das ihm nicht nur sehr wichtig ist, sondern spürbar begeistert. Lidl hat sich schon im Studium intensiv mit der Erlebnispä­dagogik

beschäftig­t. Ziel sei es, das Selbstwert­gefühl der Schüler zu verbessern, Lernprozes­se in Gang zu setzen, eigene Fähigkeite­n zu erkennen und Selbstvert­rauen zu entwickeln.

Gleiche Ziele verfolgt er in der Freizeit mit seinem Engagement bei der Sektion Mering des Alpenverei­ns. Seit 15 Jahren ist er Jugendleit­er und betreut auch die vereinseig­ene Boulderhal­le.

Die ist mit enormer Eigenleist­ung von engagierte­n Mitglieder­n und in vielen Arbeitsstu­nden auch von ihm entstanden. In diesem Fall gilt für ihn also mal ein anderes Motto: „Viel ist mehr“.

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Foto: Marcus Merk Der ÖDP‰Bundestags­kandidat Thomas Lidl klettert gerne. Die Boulderhal­le des Meringer Alpenverei­ns ist auch sein Lieblings‰ ort.

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