Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Stimmung ist gereizt
Macht Corona die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Augsburg aggressiver? Diejenigen, die in ihrem Beruf viel Kontakt zu anderen Menschen haben, schildern ihre Erfahrungen
Macht Corona die Menschen im Landkreis Augsburg aggressiver? Diejenigen, die in ihrem Beruf viele Kontakte haben, schildern ihre Erfahrungen.
Landkreis Augsburg Seit Corona hätten die Menschen eine kürzere Zündschnur, berichtete kürzlich ein Bürgermeister aus dem Landkreis Augsburg unserer Redaktion. Immer wieder ist in Polizeiberichten von Menschen zu lesen, die ausrasten, etwa weil sie sich nicht an die Corona-Regeln halten wollen. Schlägt die Pandemie den Menschen wirklich so auf das Gemüt? Wir haben diejenigen gefragt, die es wissen müssen: Menschen aus dem Augsburger Land, die in ihrem Beruf viel Kontakt zu anderen haben.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz aus Neusäß hat die Aggression der Unzufriedenen schon hautnah miterlebt. Die sogenannten Querdenker brachten ihn in eine gefährliche Situation. Auf dem Weg zum Bundestag sei er in Berlin in eine Demonstration gegen die Corona-Regeln geraten, erzählt der Neusässer. Die Teilnehmenden seien ihm immer näher gekommen und wollten ihn den Weg ins Parlament versperren. Die bedrohliche Situation ging gut aus. Durz betont: Die Menschen, die in Zeiten von Corona aggressiv werden und den Respekt verlieren, seien eine kleine, aber laute Minderheit. Während zu Beginn der Pandemie die schrecklichen Bilder aus Italien, wo das Virus härter zuschlug, für große Solidarität gesorgt hätten, gebe es jetzt eine zunehmende Polarisierung. „Dieser Zusammenhalt ist immer mehr gebröckelt“, sagt Durz.
Die Extreme habe er in einer telefonischen Bürgersprechstunde mitbekommen. Ein Anrufer habe sich über die Corona-Regeln beschwert, habe gemeint, alles sei übertrieben, das Virus in Wahrheit harmlos. Danach sei eine alte Dame in der Leitung gewesen. Sie habe gesagt: „Meine Tochter hat eine Vorerkrankung, bitte behaltet die Maßnahmen bei. Ich habe Angst.“
Von Einzelfällen berichtet auch Raimund Pauli, Leiter der Polizei Zusmarshausen. „Da ist eine niederschwellige Aggression bei einzelnen Bürgern vorhanden.“Es habe schon verbale Entgleisungen gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen gegeben, von Menschen, die ihre Maske nicht aufsetzen wollten. Eine generell gereiztere Stimmung seit Corona beobachtet Pauli nicht.
Thomas Pfefferer, Pfarrer von Violau, war selbst noch nicht mit Menschen konfrontiert, die wegen Corona aggressiv auftreten. In Seelsorgegesprächen oder Unterhaltungen nach dem Gottesdienst habe er diese Tendenz aber mitbekommen. Er höre von Bürgerinnen und Bürgern, dass sie aufgrund der sich ständig ändernden Regeln gereizt seien, sagt der Dekan.
Den Launen von Landkreisbewohnerinnen und -bewohnern, deren Nerven wegen der Corona-Regeln blank liegen, sind besonders Menschen ausgesetzt, die in der Gastronomie arbeiten. Michael Haupt, Inhaber des Klosterstübles in Oberschönenfeld, sagt: „Wir haben überwiegend nette Gäste, aber manche haben nicht akzeptiert, dass sie auf dem Weg zum Platz eine Maske aufsetzen müssen.“Vereinzelt sei es zu aggressiven Reaktionen gekommen: Gäste schimpften, gingen einfach wieder oder schrieben online eine negative Rezension.
Welche Erfahrungen machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Corona-Hotline des Landratsamtes? Einer von ihnen sagt: „Es kommt in vereinzelten Fällen vor, dass jemand einfach seinen Ärger über die Pandemie und ihre Auswirkungen abbauen möchte und zum Hörer greift.“Aber die Angestellten müssen sich nicht alles gefallen lassen: „Statt sich beleidigen lassen zu müssen, ist es sinnvoller, das Gespräch zu beenden, den nächsten Anruf anzunehmen und einer anderen Mitbürgerin oder einem anderen Mitbürger zu helfen.“
Im Supermarkt treffen Menschen aller Meinungen und politischen Ansichten aufeinander. Gibt es hier Konflikte wegen der Corona-Regeln? Im Winter sei die Stimmung gereizter und vor allem hektischer gewesen als jetzt im Sommer, beobachtet Andreas Schmid, der Leiter des Edekas in Steppach. Er hat es sich inzwischen abgewöhnt, mit Kundinnen und Kunden über das Thema Corona zu diskutieren. Inzwischen komme er nur noch seiner Pflicht nach, auf die Maskenpflicht hinzuweisen. Schmids Erfahrung: „Das Diskutieren bringt nichts, da verschwendet man nur Zeit und Nerven.“Er schmeiße niemanden raus, das sei nicht seine Aufgabe. Schmid ist froh, dass er nicht wie Gastwirte auch die Impf- und Testzertifikate überprüfen muss. Aggressivität stellt er nur in Einzelfällen bei Einkaufenden fest. Meist seien es Menschen, die mit der Gesamtsituation hadern oder die Corona-Pandemie leugnen. kinp)