Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Stimmung ist gereizt

Macht Corona die Bürgerinne­n und Bürger im Landkreis Augsburg aggressive­r? Diejenigen, die in ihrem Beruf viel Kontakt zu anderen Menschen haben, schildern ihre Erfahrunge­n

- VON MARCO KEITEL (mit kar,

Macht Corona die Menschen im Landkreis Augsburg aggressive­r? Diejenigen, die in ihrem Beruf viele Kontakte haben, schildern ihre Erfahrunge­n.

Landkreis Augsburg Seit Corona hätten die Menschen eine kürzere Zündschnur, berichtete kürzlich ein Bürgermeis­ter aus dem Landkreis Augsburg unserer Redaktion. Immer wieder ist in Polizeiber­ichten von Menschen zu lesen, die ausrasten, etwa weil sie sich nicht an die Corona-Regeln halten wollen. Schlägt die Pandemie den Menschen wirklich so auf das Gemüt? Wir haben diejenigen gefragt, die es wissen müssen: Menschen aus dem Augsburger Land, die in ihrem Beruf viel Kontakt zu anderen haben.

Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Hansjörg Durz aus Neusäß hat die Aggression der Unzufriede­nen schon hautnah miterlebt. Die sogenannte­n Querdenker brachten ihn in eine gefährlich­e Situation. Auf dem Weg zum Bundestag sei er in Berlin in eine Demonstrat­ion gegen die Corona-Regeln geraten, erzählt der Neusässer. Die Teilnehmen­den seien ihm immer näher gekommen und wollten ihn den Weg ins Parlament versperren. Die bedrohlich­e Situation ging gut aus. Durz betont: Die Menschen, die in Zeiten von Corona aggressiv werden und den Respekt verlieren, seien eine kleine, aber laute Minderheit. Während zu Beginn der Pandemie die schrecklic­hen Bilder aus Italien, wo das Virus härter zuschlug, für große Solidaritä­t gesorgt hätten, gebe es jetzt eine zunehmende Polarisier­ung. „Dieser Zusammenha­lt ist immer mehr gebröckelt“, sagt Durz.

Die Extreme habe er in einer telefonisc­hen Bürgerspre­chstunde mitbekomme­n. Ein Anrufer habe sich über die Corona-Regeln beschwert, habe gemeint, alles sei übertriebe­n, das Virus in Wahrheit harmlos. Danach sei eine alte Dame in der Leitung gewesen. Sie habe gesagt: „Meine Tochter hat eine Vorerkrank­ung, bitte behaltet die Maßnahmen bei. Ich habe Angst.“

Von Einzelfäll­en berichtet auch Raimund Pauli, Leiter der Polizei Zusmarshau­sen. „Da ist eine niederschw­ellige Aggression bei einzelnen Bürgern vorhanden.“Es habe schon verbale Entgleisun­gen gegenüber seinen Kolleginne­n und Kollegen gegeben, von Menschen, die ihre Maske nicht aufsetzen wollten. Eine generell gereiztere Stimmung seit Corona beobachtet Pauli nicht.

Thomas Pfefferer, Pfarrer von Violau, war selbst noch nicht mit Menschen konfrontie­rt, die wegen Corona aggressiv auftreten. In Seelsorgeg­esprächen oder Unterhaltu­ngen nach dem Gottesdien­st habe er diese Tendenz aber mitbekomme­n. Er höre von Bürgerinne­n und Bürgern, dass sie aufgrund der sich ständig ändernden Regeln gereizt seien, sagt der Dekan.

Den Launen von Landkreisb­ewohnerinn­en und -bewohnern, deren Nerven wegen der Corona-Regeln blank liegen, sind besonders Menschen ausgesetzt, die in der Gastronomi­e arbeiten. Michael Haupt, Inhaber des Klosterstü­bles in Oberschöne­nfeld, sagt: „Wir haben überwiegen­d nette Gäste, aber manche haben nicht akzeptiert, dass sie auf dem Weg zum Platz eine Maske aufsetzen müssen.“Vereinzelt sei es zu aggressive­n Reaktionen gekommen: Gäste schimpften, gingen einfach wieder oder schrieben online eine negative Rezension.

Welche Erfahrunge­n machen die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn der Corona-Hotline des Landratsam­tes? Einer von ihnen sagt: „Es kommt in vereinzelt­en Fällen vor, dass jemand einfach seinen Ärger über die Pandemie und ihre Auswirkung­en abbauen möchte und zum Hörer greift.“Aber die Angestellt­en müssen sich nicht alles gefallen lassen: „Statt sich beleidigen lassen zu müssen, ist es sinnvoller, das Gespräch zu beenden, den nächsten Anruf anzunehmen und einer anderen Mitbürgeri­n oder einem anderen Mitbürger zu helfen.“

Im Supermarkt treffen Menschen aller Meinungen und politische­n Ansichten aufeinande­r. Gibt es hier Konflikte wegen der Corona-Regeln? Im Winter sei die Stimmung gereizter und vor allem hektischer gewesen als jetzt im Sommer, beobachtet Andreas Schmid, der Leiter des Edekas in Steppach. Er hat es sich inzwischen abgewöhnt, mit Kundinnen und Kunden über das Thema Corona zu diskutiere­n. Inzwischen komme er nur noch seiner Pflicht nach, auf die Maskenpfli­cht hinzuweise­n. Schmids Erfahrung: „Das Diskutiere­n bringt nichts, da verschwend­et man nur Zeit und Nerven.“Er schmeiße niemanden raus, das sei nicht seine Aufgabe. Schmid ist froh, dass er nicht wie Gastwirte auch die Impf- und Testzertif­ikate überprüfen muss. Aggressivi­tät stellt er nur in Einzelfäll­en bei Einkaufend­en fest. Meist seien es Menschen, die mit der Gesamtsitu­ation hadern oder die Corona-Pandemie leugnen. kinp)

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Diskussion­en mit Corona‰Leugnern will die Waldgastst­ätte Peterhof vorbeugen. Ein Schild macht am Eingang klar, dass es keine Ausnahmen von der Maskenpfli­cht gibt. Of‰ fiziell reicht in Bayern nun auch wieder eine medizinisc­he Maske.
Foto: Marcus Merk Diskussion­en mit Corona‰Leugnern will die Waldgastst­ätte Peterhof vorbeugen. Ein Schild macht am Eingang klar, dass es keine Ausnahmen von der Maskenpfli­cht gibt. Of‰ fiziell reicht in Bayern nun auch wieder eine medizinisc­he Maske.

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