Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Arbeitgeber dürfen Impfstatus öfter nachfragen
Die Koalition will, dass in Kitas, Schulen und Pflegeheimen die Angestellten Auskunft darüber geben sollen, ob sie gegen Corona geimpft oder genesen sind. Es ist ein Kompromiss. Die Lehrer lehnen ihn als zu übergriffig ab. Wirtschaftsvertretern geht er ni
Berlin/München Sollen Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfragen dürfen? Die Regierungskoalition aus Union und SPD hatte sich in der Nacht zum Freitag darauf verständigt, dass auch die Beschäftigten in Kitas, Schulen und Pflegeheimen künftig ihrem Arbeitgeber Auskunft darüber geben sollen, ob sie gegen Corona geimpft sind oder eine Erkrankung überstanden haben. Bisher war diese Abfrage laut Infektionsschutzgesetz etwa in Krankenhäusern, bei ambulanten Pflegediensten und Arztpraxen erlaubt. Der nun gefundene Kompromiss sorgt aber für weitere Diskussionen.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat zunächst begrüßt, dass Arbeitgeber künftig von Beschäftigten in Kitas, Schulen und Pflegeheimen Auskunft über eine Corona-Impfung oder eine überstandene Covid-Erkrankung verlangen können. Holetschek sagte unserer Redaktion: „Wir müssen insbesondere ältere Menschen vor Corona schützen – deshalb ist es wichtig zu wissen, ob Pflegekräfte geimpft sind. Genauso sinnvoll ist es, den Impfstatus von
Beschäftigten in Kitas und Schulen zu kennen.“Holetschek fordert aber eine Ausweitung: „Nach meiner Ansicht sollte es sogar darüber hinaus in anderen Bereichen ein Auskunftsrecht von Arbeitgebern über den 3G-Status ihrer Mitarbeitenden geben. Denn damit könnten konkrete Hygienekonzepte am Arbeitsplatz besser umgesetzt werden.“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich am Freitagmorgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk nicht zufrieden mit dem Kompromiss gezeigt. Er hätte, wie er dem Radiosender sagte, die Abfrage des Impfstatus gerne auf alle Arbeitsbereiche ausgeweitet: „Zum Beispiel für die Arbeit im Großraumbüro und für die Organisation der Arbeit macht es schon Sinn, wenn der Arbeitgeber weiß, wie jeweils der Impfstatus ist.“Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) machte sich auch für eine Ausweitung stark. Er sagte: „Dies ist ein erster wichtiger Schritt. Ich bin aber überzeugt, dass weitere Schritte notwendig und erforderlich sind. Ich setze darauf, dass der Koalitionspartner seine ablehnende Haltung ändert. Es geht immerhin um den Gesundheitsschutz von vielen tausend Menschen bei der Ar
Und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sieht ebenfalls Nachbesserungsbedarf. Er kritisierte den Beschluss so: „Manche Kompromisse sind notwendig, manche wirken und wiederum andere wirken wie Budenzauber im Wahlkampf. Die Festlegung der Koalition auf eine Mini-Ausweitung des Fragerechts des Arbeitgebers über den Impfstatus gehört zu Letzterem. Es ist erstaunlich, dass aufgrund der Blockade eines Koalitionspartners dem betrieblichen Gesundheitsschutz Steine in den Weg gelegt werden. Es ist unverständlich, dass der Arbeitgeber bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes den Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen kann, ihn aber nicht erfragen darf.“Dulger erklärte weiter, dass wer von den Betrieben zu Recht vollen Einsatz beim Gesundheitsschutz der Beschäftigten verlangt, der dürfe beim Auskunftsrecht nicht kneifen. „Daher sollte der Bundestag in der nächsten Woche das Fragerecht für alle Branchen und Betriebe öffnen. Weg vom Klein-Klein hin zu einer erfolgreichen Pandemiebekämpfung.“
Die regionale Wirtschaft äußerte gleichfalls Kritik: Marc Lucassen,
WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK
Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, sagte: „Wir begrüßen jede Lösung, die zu einem optimalen Infektionsschutz am Arbeitsplatz beiträgt und gleichzeitig die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitbeit.“ gebern berücksichtigt. Die jetzige Einigung bringt in den allermeisten Unternehmen keine Verbesserung des betrieblichen Gesundheitsschutzes mit sich.“Das Ziel solle daher weiterhin sein, allen Unternehmen – branchenunabhängig – eine „zielgerichtete Steuerung“betriebsinterner Hygienekonzepte zu ermöglichen, ohne die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu verletzen. Die allgemeine Einführung der 3G-Regel auch für Beschäftigte könnte solch ein pragmatischer und praxisnaher Weg sein.
Es gibt die, denen die Ausweitung des Auskunftsrechtes nicht weit genug geht. Und es gibt die, für die der jetzige Kompromiss bereits zu übergriffig ist: Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Simone Fleischmann, kennt die Impfquote in der bayerischen Lehrerschaft nicht genau. Auch wenn sie sie als „sehr hoch“bezeichnet, hält sie nichts davon, dass der Impfstatus ihrer Kolleginnen und Kollegen nun erfragt werden darf. Fleischmann sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es gibt sehr gute Gründe, die Rechte und den Datenschutz der Lehrerschaft zu wahren. Wir sind nun möglicherweise nur einen Schritt von der Impfpflicht entfernt.“
Auch die Gewerkschaften stehen der Ausweitung des Abfragerechts für die Arbeitgeber zum Teil skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Eine Sprecherin von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am Freitag in der Pressekonferenz der Bundesregierung, das Arbeitsrecht sehe keine grundsätzliche Abfrage des Impfstatus vor und mache dies auch nicht möglich. Der Minister sei aber offen für pragmatische Lösungen.
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) zeigte sich skeptisch. Er sagte unserer Redaktion: „Aus der Auskunft über den Impfstatus der Beschäftigten beispielsweise in der Pflege dürfen keine Nachteile für diese entstehen, da ja auch durch tägliches Testen ein hoher Sicherheitsstandard erreichbar ist. Ansonsten wird sich der Pflegenotstand aufgrund von Personalknappheit weiter zuspitzen. Schon heute tut die Bundesregierung nichts, um den Pflegenotstand zu lindern. Jetzt wird der sich noch weiter verschärfen.“
Der Bundestag wird sich nun am Dienstag der kommenden Woche mit der vom Gesundheitsausschuss auf den Weg gebrachten Änderung des Infektionsschutzgesetzes befassen.