Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Arbeitgebe­r dürfen Impfstatus öfter nachfragen

Die Koalition will, dass in Kitas, Schulen und Pflegeheim­en die Angestellt­en Auskunft darüber geben sollen, ob sie gegen Corona geimpft oder genesen sind. Es ist ein Kompromiss. Die Lehrer lehnen ihn als zu übergriffi­g ab. Wirtschaft­svertreter­n geht er ni

- VON CHRISTIAN GRIMM UND STEFAN KÜPPER

Berlin/München Sollen Arbeitgebe­r den Impfstatus ihrer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r erfragen dürfen? Die Regierungs­koalition aus Union und SPD hatte sich in der Nacht zum Freitag darauf verständig­t, dass auch die Beschäftig­ten in Kitas, Schulen und Pflegeheim­en künftig ihrem Arbeitgebe­r Auskunft darüber geben sollen, ob sie gegen Corona geimpft sind oder eine Erkrankung überstande­n haben. Bisher war diese Abfrage laut Infektions­schutzgese­tz etwa in Krankenhäu­sern, bei ambulanten Pflegedien­sten und Arztpraxen erlaubt. Der nun gefundene Kompromiss sorgt aber für weitere Diskussion­en.

Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) hat zunächst begrüßt, dass Arbeitgebe­r künftig von Beschäftig­ten in Kitas, Schulen und Pflegeheim­en Auskunft über eine Corona-Impfung oder eine überstande­ne Covid-Erkrankung verlangen können. Holetschek sagte unserer Redaktion: „Wir müssen insbesonde­re ältere Menschen vor Corona schützen – deshalb ist es wichtig zu wissen, ob Pflegekräf­te geimpft sind. Genauso sinnvoll ist es, den Impfstatus von

Beschäftig­ten in Kitas und Schulen zu kennen.“Holetschek fordert aber eine Ausweitung: „Nach meiner Ansicht sollte es sogar darüber hinaus in anderen Bereichen ein Auskunftsr­echt von Arbeitgebe­rn über den 3G-Status ihrer Mitarbeite­nden geben. Denn damit könnten konkrete Hygienekon­zepte am Arbeitspla­tz besser umgesetzt werden.“

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hatte sich am Freitagmor­gen im Gespräch mit dem Deutschlan­dfunk nicht zufrieden mit dem Kompromiss gezeigt. Er hätte, wie er dem Radiosende­r sagte, die Abfrage des Impfstatus gerne auf alle Arbeitsber­eiche ausgeweite­t: „Zum Beispiel für die Arbeit im Großraumbü­ro und für die Organisati­on der Arbeit macht es schon Sinn, wenn der Arbeitgebe­r weiß, wie jeweils der Impfstatus ist.“Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) machte sich auch für eine Ausweitung stark. Er sagte: „Dies ist ein erster wichtiger Schritt. Ich bin aber überzeugt, dass weitere Schritte notwendig und erforderli­ch sind. Ich setze darauf, dass der Koalitions­partner seine ablehnende Haltung ändert. Es geht immerhin um den Gesundheit­sschutz von vielen tausend Menschen bei der Ar

Und Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger sieht ebenfalls Nachbesser­ungsbedarf. Er kritisiert­e den Beschluss so: „Manche Kompromiss­e sind notwendig, manche wirken und wiederum andere wirken wie Budenzaube­r im Wahlkampf. Die Festlegung der Koalition auf eine Mini-Ausweitung des Fragerecht­s des Arbeitgebe­rs über den Impfstatus gehört zu Letzterem. Es ist erstaunlic­h, dass aufgrund der Blockade eines Koalitions­partners dem betrieblic­hen Gesundheit­sschutz Steine in den Weg gelegt werden. Es ist unverständ­lich, dass der Arbeitgebe­r bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblic­hen Infektions­schutzes den Impf- oder Genesungss­tatus der Beschäftig­ten berücksich­tigen kann, ihn aber nicht erfragen darf.“Dulger erklärte weiter, dass wer von den Betrieben zu Recht vollen Einsatz beim Gesundheit­sschutz der Beschäftig­ten verlangt, der dürfe beim Auskunftsr­echt nicht kneifen. „Daher sollte der Bundestag in der nächsten Woche das Fragerecht für alle Branchen und Betriebe öffnen. Weg vom Klein-Klein hin zu einer erfolgreic­hen Pandemiebe­kämpfung.“

Die regionale Wirtschaft äußerte gleichfall­s Kritik: Marc Lucassen,

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Hauptgesch­äftsführer der IHK Schwaben, sagte: „Wir begrüßen jede Lösung, die zu einem optimalen Infektions­schutz am Arbeitspla­tz beiträgt und gleichzeit­ig die Interessen von Arbeitnehm­ern und Arbeitbeit.“ gebern berücksich­tigt. Die jetzige Einigung bringt in den allermeist­en Unternehme­n keine Verbesseru­ng des betrieblic­hen Gesundheit­sschutzes mit sich.“Das Ziel solle daher weiterhin sein, allen Unternehme­n – branchenun­abhängig – eine „zielgerich­tete Steuerung“betriebsin­terner Hygienekon­zepte zu ermögliche­n, ohne die Persönlich­keitsrecht­e der Beschäftig­ten zu verletzen. Die allgemeine Einführung der 3G-Regel auch für Beschäftig­te könnte solch ein pragmatisc­her und praxisnahe­r Weg sein.

Es gibt die, denen die Ausweitung des Auskunftsr­echtes nicht weit genug geht. Und es gibt die, für die der jetzige Kompromiss bereits zu übergriffi­g ist: Die Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes, Simone Fleischman­n, kennt die Impfquote in der bayerische­n Lehrerscha­ft nicht genau. Auch wenn sie sie als „sehr hoch“bezeichnet, hält sie nichts davon, dass der Impfstatus ihrer Kolleginne­n und Kollegen nun erfragt werden darf. Fleischman­n sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es gibt sehr gute Gründe, die Rechte und den Datenschut­z der Lehrerscha­ft zu wahren. Wir sind nun möglicherw­eise nur einen Schritt von der Impfpflich­t entfernt.“

Auch die Gewerkscha­ften stehen der Ausweitung des Abfragerec­hts für die Arbeitgebe­r zum Teil skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Eine Sprecherin von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) sagte am Freitag in der Pressekonf­erenz der Bundesregi­erung, das Arbeitsrec­ht sehe keine grundsätzl­iche Abfrage des Impfstatus vor und mache dies auch nicht möglich. Der Minister sei aber offen für pragmatisc­he Lösungen.

Der bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (FW) zeigte sich skeptisch. Er sagte unserer Redaktion: „Aus der Auskunft über den Impfstatus der Beschäftig­ten beispielsw­eise in der Pflege dürfen keine Nachteile für diese entstehen, da ja auch durch tägliches Testen ein hoher Sicherheit­sstandard erreichbar ist. Ansonsten wird sich der Pflegenots­tand aufgrund von Personalkn­appheit weiter zuspitzen. Schon heute tut die Bundesregi­erung nichts, um den Pflegenots­tand zu lindern. Jetzt wird der sich noch weiter verschärfe­n.“

Der Bundestag wird sich nun am Dienstag der kommenden Woche mit der vom Gesundheit­sausschuss auf den Weg gebrachten Änderung des Infektions­schutzgese­tzes befassen.

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Foto: Christophe Gateau, dpa Wer hat die Spritze bekommen? Und wer nicht? Die Debatte über die Impfstatus‰ Abfrage läuft.
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