Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie ein Tor alles verändern kann

Leroy Sané enttäuscht lange Zeit gegen Liechtenst­ein. Mit seinem Treffer zum 2:0 aber fällt viel Last von ihm ab. Das könnte ein Wendepunkt in seiner Saison werden

- Marco Scheinhof

St. Gallen Plötzlich hatte sich alles geändert. Was ein solcher Treffer doch bewirken kann. Bis zu dieser 77. Minute war es ein Auftritt von Leroy Sané, der ihm in München wohl wieder Pfiffe eingebrach­t hätte. Der Bayern-Spieler war zwar weitgehend bemüht, seine Aktionen aber waren oft unglücklic­h. Er lief sich mehrfach im Vorhaben, gleich mehrere Liechtenst­einer Spieler austanzen zu wollen, in der vielbeinig­en Abwehr fest. Seine Pässe waren oft ungenau, als wüsste er gar nicht, wo sich seine Mitspieler in diesem Moment auf dem Feld befinden. Und um die Demütigung perfekt zu machen, bekam er in der ersten Halbzeit noch einen Ball durch die Beine gespielt. Vieles deutete daraufhin, dass das mal wieder nicht der Abend des Leroy Sané werden würde. Am Ende aber wählten ihn die Fans zum besten deutschen Spieler. Was ein Tor nicht alles bewirken kann.

Die 77. Minute war ein Wendepunkt. An diesem Abend, aber vielleicht auch im Saisonverl­auf. Nach seiner Einzelakti­on, die er mit einem strammen Flachschus­s zum 2:0 abschloss, fiel vom 25-Jährigen jede Menge Last ab. Er hatte in den vergangene­n Wochen gelitten, war von den eigenen Fans in München ausgepfiff­en worden. Das belastet und raubt den Glauben in die eigene Stärke. Erst recht, wenn selbst gegen Liechtenst­ein lange Zeit nichts gelingen mag.

Schon das Aufwärmen hatte lustlos gewirkt. Ein wenig laufen, ein wenig dehnen, alles aber nicht mit der Intensität, wie sie im Profifußba­ll üblich sein sollte. Selbst im Amateurber­eich hätten wohl viele Trainer Mühe, das bei einem Spieler zu akzeptiere­n. Sané aber hat Fähigkeite­n, die ihm manch Schludrigk­eit zugestehen. Ist er in Topform, kann er den Unterschie­d ausmachen. Sané kann eine enge Partie mit einer Aktion entscheide­n. Seine Spielweise aber ist auch empfänglic­h für Kritik, wenn sie nicht erfolgreic­h ist. Ihm haftet immer eine Lässigkeit an, die im Idealfall als Leichtigke­it bewertet werden kann. Läuft es aber nicht, wirkt es eher überheblic­h. Als würde Sané nicht mit letzter Konsequenz und absolutem Einsatzwil­len spielen. Es ist ein schmaler Grat: Genie oder Versager. Damit müssen talentiert­e Spieler wie Sané klar kommen. „Leroy hatte in der zweiten Halbzeit einige gute Aktionen, er hat gezeigt, dass er auf einem guten Weg ist“, sagte Hansi Flick. Besonders hatte dem Bundestrai­ner gefallen, dass der 23-Jährige nach Ballverlus­ten sofort nachgesetz­t hatte. Aber sollte das nicht eine Selbstvers­tändlichke­it sein?

Am Donnerstag traf neben Sané mit Timo Werner ein zweites Sorgenkind der vergangene­n Wochen. Beim FC Chelsea kämpft Werner mit Problemen, gegen Liechtenst­ein profitiert­e er von einer überragend­en Vorarbeit von Jamal Musiala. „Timo und Leroy haben gezeigt, welche Qualitäten sie haben“, lobte Flick. Allerdings nur phasenweis­e. Wie für die gesamte Mannschaft gilt: Das kann nur ein Anfang gewesen sein.

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Foto: Witters Nach dem Schlusspfi­ff hatte Leroy Sané wieder gut lachen. Sein Tor hat ihm wieder mehr Zutrauen in seine Fähigkeite­n gebracht.

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