Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache“

Sport-Geschäftsf­ührer Stefan Reuter ist von der Qualität des FCA-Kaders trotz des Fehlstarts überzeugt. Er erklärt, was besser werden muss, was er von streikende­n Spielern während Transferve­rhandlunge­n hält und warum Messi nie in der Bundesliga spielen wi

- Interview: Robert Götz und Marco Scheinhof

Herr Reuter, der FCA ist mit einem Punkt aus den ersten drei Spielen in die Länderspie­lpause gegangen. Damit können Sie nicht zufrieden sein.

Stefan Reuter: Natürlich ist man unzufriede­n, wenn die Ergebnisse ausbleiben, weil wir mit viel Vorfreude in die Saison gestartet sind. Man sieht einfach, dass Fehler in der Bundesliga sofort und oft hart bestraft werden. Und wir haben in den ersten Spielen viel zu oft Fehler gemacht. Das hat nicht grundsätzl­ich etwas mit der Qualität und dem Potenzial der Spieler zu tun.

Mit was dann?

Reuter: Wir haben ein paar Vorgaben nicht gut umgesetzt. Wir hatten in der Vorbereitu­ng die eine oder andere Schwierigk­eit, weil der Kader nie komplett war. Da ist es schwierig, sich die Sicherheit zu holen, sich einzuspiel­en. Wenn Turniere im Sommer wie eine EM, Olympia oder die U21-EM stattfinde­n, ist mittlerwei­le auch der FCA betroffen. Damit müssen wir umgehen, da hilft es nicht zu jammern. Wir müssen das Beste aus der Situation machen.

Das bedeutet?

Reuter: Jetzt ist es wichtig, dass wir uns Sicherheit holen. Dafür ist neben einer guten Kommunikat­ion auf dem Platz auch die Fitness wichtig. Einige unserer Spieler hatten aufgrund der Verletzung­en und Abstellung­en keinen guten Trainingsr­hythmus. Für unser Spiel ist aber Fitness wichtig, damit wir den großen Klubs Paroli bieten können. Das ist uns gegen Hoffenheim und Leverkusen über weite Teile des Spiels gelungen. Aber die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache.

Und was erzählen die Ergebnisse?

Reuter: Es war ja nicht so, dass wir in beiden Spielen völlig chancenlos waren. Wir waren in beiden Spielen bis zur 75. Minute im Spiel, bekommen aber dann zum Teil einfache Gegentore.

War man da vielleicht zu übereifrig?

Reuter: Wir haben in den beiden Heimspiele­n die Geduld verloren. Das zeigte sich darin, was wir für Chancen in den letzten beiden Viertelstu­nden zugelassen haben. Wir müssen lernen, dass man nicht einfach aufmachen darf und jeder nur noch nach vorne denkt.

Provokant gefragt: In Frankfurt hat Ihre Mannschaft mit einer sehr defensiven Taktik ein 0:0 geholt. Kann sie vielleicht nur verteidige­n?

Reuter: Wir haben durchaus spielerisc­hes Potenzial und mehr Qualität im Kader als in den vergangene­n Jahren. Aber man muss die Reihenfolg­e beachten: Eine gute Ordnung, wenig zulassen, kompakt stehen und aus einer guten Kompakthei­t schnell umschalten – das muss unser Anspruch sein. Wir müssen aber auch versuchen, uns über Phasen mit Ballbesitz wieder etwas zu erholen. Denn man kann keine 90 Minuten Pressing spielen. Aber es wäre falsch zu glauben, dass wir in anderen Bereichen nachlassen dürfen, nur weil wir mehr Qualität im Kader haben.

An welchen Namen machen Sie das spielerisc­he Potenzial fest?

Reuter: An gar keinen, denn das betrifft die ganze Mannschaft. Wenn man die Qualität von vor ein paar Jahren vergleicht mit der von heute, haben wir uns definitiv verbessert.

Wie sind Sie bislang mit Niklas Dorsch zufrieden? Für seinen Transfer gab es viel Lob, so richtig überzeugt hat er aber bislang noch nicht.

Reuter: Gegen Leverkusen hatte er bis auf eine Ausnahme viele richtig gute Aktionen. Er kommt immer besser in Schwung. Die Anlaufschw­ierigkeite­n sind ganz normal. Er wurde im Sommer U21-Europameis­ter, das ist ein emotionale­r Höhepunkt, aber auch eine zusätzlich­e Belastung in der letzten Saison. Das ist er noch nicht gewohnt. Ich hätte Sorgen, wenn er nicht intensiv arbeiten würde oder nicht mehr von seiner Spielweise überzeugt ist. Bei bin ich vollkommen ruhig, er wird Akzente setzen. Bei Arne Maier ist es ähnlich. Er spielte die U21-EM und Olympia, und jetzt zwickt mal die Muskulatur. Wir müssen ihn da hinbringen, dass er den Trainingsr­hythmus hat, dass er aus einem kleinen, kräftemäßi­gen Loch wieder rauskommt.

Dennoch haben Sie versucht, sich in diesem Mannschaft­steil mit Kevin Vogt zu verstärken.

Reuter: Wenn es eine Chance gibt, dass wir im Rahmen unserer Möglichkei­ten die Mannschaft verstärken können, versuchen wir das.

Auch bei Ritsu Doan?

Reuter: Wir beschäftig­en uns mit vielen Spielern. Aber es klappt eben nicht immer. Wir brauchen auch eine gewisse finanziell­e Hygiene in der Kabine. Nur so kann ein Gemeinscha­ftsgefühl entstehen.

War diese Hygiene in der vergangene­n Saison gegeben nach den Zugängen von Gikiewicz, Caligiuri oder Strobl?

Reuter: Ja, absolut. Es muss immer eine gewisse Nachvollzi­ehbarkeit vorhanden sein, und diese sehen wir gegeben.

Spieler haben während Corona auch auf Teile des Gehalts verzichtet, während der Verein Topverdien­er holt.

Reuter: Das ist die eine Sichtweise. Die andere, die auch aus der Mannschaft kam, ist, dass wir versuchen müssen, immer wieder Qualität zu holen. Davon profitiert jeder Spieler. Zudem war der Gehaltsver­zicht damals eine wichtige Geste, ein Zeichen aus der Mannschaft zu senden.

Waren Sie in der jetzigen Transferph­ase versucht, einen Spieler abzugeben. Felix Uduokhai zum Beispiel?

Reuter: Wir wollten in der Transferpe­riode keine Qualität abgeben. Wenn ein Angebot gekommen wäre, das viel Geld versproche­n hätte, muss man schauen, dass man Winwin-Situatione­n herstellt. Aber so ein Angebot lag nicht vor. Wir haben aber Marco Richter abgegeben, bei dem es ja auch eine Vorgeschic­hte gab. Es war klar, wenn eine gewisse Größenordn­ung erreicht wird, ermögliche­n wir dem Spieler den nächsten Schritt. Auch wenn wir ihn gerne hierbehalt­en hätten.

Welche Vorgeschic­hte meinen Sie?

Reuter:

Die, dass ein Jahr zuvor

Reuter über den Transfer von Kevin Danso

schon mal ein Angebot aus Köln vorlag, das aber relativ spät in der Transferpe­riode kam und nicht unseren Vorstellun­gen entsprach. Jetzt glauben wir, dass es innerhalb des Kaders vertretbar war, auch weil wir Arne Maier ausleihen konnten. Hut ab aber vor Marco, wie er damals damit umgegangen ist, dass es mit Köln nicht geklappt hat. Er hat sich weiter für den FCA reingehaue­n.

Anders als Kevin Danso.

Reuter: Das stimmt. Viel mehr will ich dazu nicht sagen. Ich denke, er hätte eine gute Chance gehabt zu spielen, seine Seite sah das anders. Wir haben eine Lösung gefunden, die für alle in Ordnung ist. Keiner kann uns vorwerfen, dass wir uns nicht an unser Wort halten. Gegen solche Vorwürfe wehren wir uns entschiede­n.

Mit Andi Zeqiri haben Sie noch auf den letzten Drücker einen Neuzugang für den Sturm bekommen.

Reuter: Das Schöne ist, dass wir ihn schon sehr lange verfolgen. Als er nach Brighton gewechselt ist, hatten wir keine Chance, ihn zu verpflicht­en. Solche Kontakte reißen aber nicht ab. Jetzt sind wir zum Zug gekommen, was uns sehr freut. Uns hat vorne die Durchschla­gskraft geNiklas fehlt, das lag auch an Verletzung­en. Bei fünf möglichen Wechseln ist es für den Trainer wichtig, dass er offensiv nachlegen kann. Gerade bei unserer intensiven Spielweise. Dieser Transfer heißt aber nicht, dass wir mit den Spielern, die hier sind, nicht zufrieden sind. Wir glauben, dass Andi uns auf alle Fälle weiterhilf­t.

Warum war das bei Maurice Malone nicht der Fall? Er wurde nach Heidenheim verliehen.

Reuter: Maurice wollte regelmäßig auf höchstmögl­ichem Niveau spielen. Wir haben dann gemeinsam eine Lösung gesucht und denken, dass Heidenheim und die 2. Liga ein guter Schritt für ihn sind, noch weiter zu reifen.

Wäre es nicht besser, wenn die U23 in der dritten Liga spielen würde?

Reuter: Das brauchen wir nicht zwingend. Die dritte Liga ist ein riesiger Kostenappa­rat. Es bringt auch nichts, wenn man in der dritten Liga nur gegen den Abstieg spielt. Das hilft in der Entwicklun­g nicht. Da können Ausleihen sinnvoller sein.

Muss die Ausbildung im Nachwuchsl­eistungsze­ntrum noch besser werden?

Reuter: Das versuchen wir. Das ist auch ein Grund, warum wir mit Claus Schromm den Posten des sportliche­n Leiters besetzt haben. Für jeden Nachwuchst­rainer ist es wichtig, dass er einen Ansprechpa­rtner hat. Seine Erfahrunge­n sind sehr wertvoll für unser Nachwuchsl­eistungsze­ntrum.

Von dem Ziel, vier, fünf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in der Startelf zu stehen, hat sich der FC Augsburg entfernt.

Reuter: Das ist klar, weil wir mit Richter und Danso zwei Nachwuchss­pieler abgegeben haben, die in der Startelf stehen könnten. Wenn man aber mit eigenen Spielern gute Transferer­löse erzielt, kann auch jeder Mitarbeite­r im Nachwuchsb­ereich stolz sein.

Was macht Ihnen Mut für die kommenden Wochen und Aufgaben? Sie müssen jetzt dann zu Union Berlin, dann kommt Gladbach.

Reuter: Wir wissen um unser Potenzial und sehen, dass konzentrie­rt gearbeitet wird. Wir sind von der Qualität des Kaders absolut überzeugt.

Sie haben gesagt, man muss lernen aus Fehlern. Aus denen von Hoffenheim wurde offenbar nicht gelernt, zumindest deutet die Schlusspha­se gegen Leverkusen darauf hin.

Reuter: Das geht oft nicht von einem Spiel zum anderen. Zudem muss man sich den Spielverla­uf gegen Leverkusen anschauen. Wir hatten früh eine gute Chance und später die Aktion gegen André Hahn, in der es Elfmeter geben kann.

Vielleicht sogar muss.

Reuter: Es ist sicherlich eher ein Elfmeter als keiner. Aber es ist wohl keine Aktion für den Videoassis­tenten, zumindest wurde uns gegenüber so argumentie­rt.

Warum schaut sich der Schiedsric­hter nicht solche Szenen noch einmal selbst an? Das könnte für Beruhigung aller sorgen.

Reuter: Man müsste vielleicht dem Schiedsric­hter auf dem Platz die Möglichkei­t einräumen – ohne Hinweis –, seinen Eindruck durch Ansicht der Bilder zu verfestige­n. Der Videoassis­tent darf nur einschreit­en, wenn es eine 100-prozentige Fehlentsch­eidung ist.

Nimmt man dem Schiedsric­hter nicht seine Autorität, wenn er plötzlich ständig rausrennt und sich vergewisse­rt?

Reuter: Die Gefahr besteht, dass sich der Schiedsric­hter nahezu jede Standardsi­tuation anschaut, bei der es eng ist im Strafraum.

In anderen Sportarten können die Mannschaft­en Situatione­n überprüfen lassen, wie im Tennis oder Hockey. Dort hat jede Mannschaft pro Halbzeit eine Challenge. Es können auch

mehr werden, und zwar immer wieder, solange sie richtig liegt. Andernfall­s ist das Recht verfallen.

Reuter: Das wäre eine Möglichkei­t. Die Szene gegen André hätten wir damit auf jeden Fall anschauen lassen. Wenn der Einspruch berechtigt ist, hat man weiterhin alle Möglichkei­ten. Wenn es nicht stimmt, hat man eine verwirkt.

Werden solchen Ideen auch mal in der Bundesliga diskutiert?

Reuter: Das wird immer mal wieder angesproch­en, weil es das in anderen Sportarten auch gibt. Wir diskutiere­n in der Bundesliga öfter über so etwas. Ob etwas in diese Richtung irgendwann kommt, kann ich nicht sagen. Das sind Prozesse, die länger dauern.

Von der großen Bescheiden­heit ist im internatio­nalen Fußball nicht viel übrig geblieben.

Reuter: Wenn man sieht, was da teilweise ausgegeben wird, ist das Wahnsinn. Wenn Paris angeblich 200 Millionen Euro Ablöse für Mbappé für ein Jahr Restvertra­g ablehnt, kostet der Spieler insgesamt für diese Saison 250 Millionen Euro. Das gibt einem zu denken. In der Bundesliga hat man dagegen gemerkt, dass es Corona gibt. Internatio­nal müssen sich die großen Vereine die Gelder oft nicht erarbeiten.

Wenn plötzlich ein Lionel Messi ablösefrei auf dem Markt ist, wird er nie mit einem Klub in der Bundesliga in Verbindung gebracht. Warum?

Reuter: Weil die großen Vereine in Deutschlan­d ähnlich wie wir eine gewisse Hierarchie und Hygiene innerhalb des Kaders brauchen. Wenn man einem Spieler das Doppelte zahlt als dem jetzigen Topverdien­er, der auch Weltfußbal­ler ist, kann man darauf warten, dass die Top Fünf im Kader kommen und sagen, jetzt will ich mehr. Für die Hygiene wäre das nötig, aber irgendwann kann sich auch ein deutscher TopKlub so etwas nicht mehr leisten.

„Ich denke, er hätte eine gute Chance gehabt zu spielen, seine Seite sah das anders. Wir haben eine Lösung ge‰ funden, die für alle in Ordnung ist.“

Es scheint auch eine neue Art des Verhandeln­s zu geben. Zumindest wollen sich immer mehr Spieler aus ihren Verträgen streiken.

Reuter: Es ist kein leichtes Geschäft. Es geht um Spiel, Sport und Spaß, es ist aber auch ein Business. Ich finde es bedenklich, wenn ein Spieler, der mit voller Überzeugun­g einen Vertrag unterschri­eben hat, plötzlich sagt, dass er sich nicht mehr im Stande fühlt zu spielen. Nur weil er eine bessere Offerte hat. Es ist wichtig, dass man als Klub eine klare Vorstellun­g hat. Wenn die erfüllt wird, ist es eine gute Lösung. Dann ist es die klassische Win-win-Situation. Wenn die Forderung nicht erfüllt wird, muss er eben bleiben und wäre gut beraten, wieder Gas zu geben.

Vergiftet so etwas die Hygiene?

Reuter: Optimal ist das nicht fürs Mannschaft­sgefüge. Die Einflüsse von außen werden immer größer. Selbst zu meiner Zeit war ich einer der wenigen Spieler, die keinen Berater hatten. Wenn ich jemandem gegenübers­itze, kann ich meine Position aber selbst vertreten. Man muss vielleicht nicht immer das Letzte rauspresse­n. Es geht auch um die persönlich­e Entwicklun­g und das Wohlfühlen. Das spürt nur der Spieler, der Berater schaut oftmals nur auf die Zahlen.

● Stefan Reuter, 54, geboren in Dinkelsbüh­l, bestritt 502 Bundes‰ liga‰Spiele für den 1. FC Nürnberg, Bayern München und Borussia Dortmund. War in seiner aktiven Kar‰ riere Weltmeiste­r, Europameis­ter, Champions‰League‰Sieger und fünf‰ facher Deutscher Meister. Er ist dreifacher Vater. Sein Sohn Stefan, 21, spielt beim Regionalli­gisten SV Heimstette­n. Reuter ist seit 27. De‰ zember 2012 Manager beim FCA. Sein Vertrag läuft bis 2023.

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Foto: Ulrich Wagner Stefan Reuter ist seit Ende 2012 für den sportliche­n Bereich beim FC Augsburg verantwort­lich. In dieser Zeit stieg der FCA nie aus der Bundesliga ab.

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