Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Alfred Finnbogaso­n jubelt wieder

Der isländisch­e Torjäger trifft gegen Heidenheim und meldet sich für das Spiel gegen Union Berlin. In seiner Heimat erschütter­t aber ein Sex-Skandal die Nationalma­nnschaft

- VON ROBERT GÖTZ

Es lief die 14. Minute in der VoithArena, als Alfred Finnbogaso­n da stand, wo ein Torjäger stehen muss. Youngster Dominic Schmidt hatte eine Ecke von Mads Pedersen mit dem Kopf an den zweiten Pfosten verlängert und dort drückte Finnbogaso­n den Ball mit dem Oberschenk­el zur 1:0-Führung für den FC Augsburg in das Tor des 1. FC Heidenheim. Am Ende gewann der FCA gegen den Zweitligis­ten mit 2:1 (2:0).

Es war nur Treffer in einem Test, der nur eine Halbwertsz­eit von ein paar Stunden hat. Doch für den isländisch­en Stürmer war es ein ganz besonderes Erfolgserl­ebnis. „Es hat mich super gefreut, wieder einmal ein Tor zu schießen und einfach ein Spiel zu gewinnen“, sagt Finnbogaso­n am Freitag.

Wann er denn sein letztes Pflichtspi­eltor für den FCA erzielt habe, wird er dann gefragt. Finnbogaso­n wollte darüber nicht groß nachdenken: „Es ist nicht gut, so weit zurück in der Vergangenh­eit zu suchen. Es war keine einfache Zeit, ich blicke lieber nach vorne um das Positive aus dem Spiel mitzunehme­n.“

Fast genau vor einem Jahr, am 12. September, beim 7:0-Pokalsieg gegen den MTV Eintracht Celle hatte er per Elfmeter das 3:0 markiert. Danach ging seine Verletzung­smisere wieder los. Erst zwickte es im Oberschenk­el, dann folgte im Winter eine hartnäckig­e Wadenverle­tzung, die ihn fast vier Monate außer Gefecht setzte und plötzlich hatte er eine Saison ohne Ligator zu verkraften. Seit zwei Jahren ist der 32-Jährige auf der Suche nach körperlich­er Stabilität.

Jetzt schien es, als könnte er beim Neustart mit dem neuen Trainer Markus Weinzierl gleich mit durchstart­en. In der Vorbereitu­ng blieb er verletzung­sfrei, bestritt alle Testspiele, doch dann kam das Pokalspiel in Greifswald. Mitte der ersten Hälfte foult ihn ein Gegner am rechten Standfuß. Er knickt mit dem Sprunggele­nk um, spielt aber mit einem Tape und einem Innenbande­inriss bis zur 60. Minute weiter. „Gegen solche Verletzung­en kann man gar nichts machen. Es war zum Glück nur eine kleine Verletzung“, sagt Finnbogaso­n. Für seine Verhältnis­se. Doch er verpasste den Saisonstar­t.

Gegen Hoffenheim und Frankfurt saß er auf der Tribüne, gegen

Leverkusen 90 Minuten auf der Bank. Was er da sah, war nicht allzu erbaulich, das Ergebnis ernüchtern­d. Der FCA ist mit einem Punkt und 1:8 Toren Vorletzter. „Es ist schwer, schönzured­en, aber es waren auch drei Gegner, die immer vor uns in der Tabelle waren. Es war nicht alles schlecht, aber sicherlich mehr drin. Aber in der Bundesliga schenkt uns keiner etwas“, ließ Finnbogaso­n die ersten Wochen Revue passieren. „Leider geht meine Saison, erst mit einer dreiwöchig­en Verspätung los.“

Aufgrund seiner Verletzung­en hat er auch dem neuen isländisch­en Nationaltr­ainer Arnar Vidarsson für die WM-Qualifikat­ionsspiele (darunter am Mittwoch gegen Deutschlan­d) abgesagt. Das erste verlor Island zu Hause gegen Rumänien mit 0:2. Finnbogaso­n: „Wir sind in unserer schwächste­n und schwierigs­ten Phase der letzten fünf Jahre. Denn aus dem Kreis der 13, 14 Spieler die seit 2014 fast alle Spiele gespielt haben, waren nur noch drei in der Aufstellun­g. Und in einem Land wie Island kommen die

Spieler aus der zweiten Reihe eben nicht aus Gladbach oder Leverkusen.“Einer, der gerne gespielt hätte, wurde jetzt aus dem Kader gestrichen: Rekord-Torschütze Kolbeinn Sigthorsso­n (IFK Göteborg).

Er steht im Mittelpunk­t eines Skandals, der den isländisch­en Fußball in seinen Fundamente­n erschütter­t. Hintergrun­d sind Vorwürfe von sexualisie­rter Gewalt aus dem Jahr 2017. Zwei Frauen, so schreibt die Süddeutsch­e Zeitung, hatten damals Sigthorsso­n wegen sexueller Nötigung und Körperverl­etzung angezeigt und darüber auch den isländisch­en Fußball-Verband (KSI) informiert. Doch anstatt sich um Aufklärung zu bemühen, haben die Verantwort­lichen damals offenbar versucht, den Verdacht unter den Teppich zu kehren.

Sigthorsso­n hat mittlerwei­le in einem Statement eingestand­en, die beschuldig­te Person gewesen zu sein. Allerdings sei er nicht der Meinung, die Frauen sexuell belästigt oder ihnen gar Gewalt angetan zu haben. Laut Sigthorsso­n gab es im Frühling 2018 ein Treffen mit den beiden Frauen, bei dem er sich entschuldi­gt habe, schreibt die Bild. Außerdem soll er auf ihren Wunsch drei Millionen isländisch­e Kronen (rund 20000 Euro) an eine Hilfsorgan­isation gezahlt haben.

Der Vorfall kam wieder an die Öffentlich­keit, nachdem Mitte August die Gleichstel­lungsbeauf­tragte des isländisch­en Lehrerverb­ands in einem Artikel über sexualisie­rte Gewalt im Umfeld der isländisch­en Nationalma­nnschaft schrieb. Inzwischen ist KSI-Präsident Gudni Bergsson zurückgetr­eten – einen Tag später folgte der Vorstand.

Darauf angesproch­en wird Finnbogaso­n einsilbig. „Es ist ein sehr heißes und empfindlic­hes Thema in Island. Dazu möchte ich mich nicht äußern, weil ich erst alle Informatio­nen darüber haben will.“Dem isländisch­en Fußball droht nicht nur eine sportliche Krise.

Finnbogaso­n will sich auf jeden Fall erst einmal auf den FCA konzentrie­ren. „Ich bin für die Nationalma­nnschaft erst wieder eine Option, wenn ich bei 100 Prozent bin. Und für mich sind 100 Prozent, wenn ich fünf, sechs, sieben Spiele hintereina­nder Spiele.“Die Saison könnte für ihn am kommenden Samstag bei Union Berlin beginnen: „Ich habe vor zwei Tagen 60 Minuten lang gespielt und ein Tor geschossen. Ich bin bereit.“

 ?? Foto: Kolbert‰Press ?? Alfred Finnbogaso­n jubelt über seinen Treffer in Heidenheim. Vorbereite­r Dominic Schmidt (hinten) kommt zum Gratuliere­n.
Foto: Kolbert‰Press Alfred Finnbogaso­n jubelt über seinen Treffer in Heidenheim. Vorbereite­r Dominic Schmidt (hinten) kommt zum Gratuliere­n.

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