Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frage der Woche Auf Bügeln ganz verzichten?

- SOPHIA HUBER RICHARD MAYR

Es gibt Menschen, die sich in vielen Bereichen des Lebens gerne mehr Aufwand als nötig machen. Sei es beim Einpacken von Weihnachts­geschenken, beim Kochen und Essen anrichten, bei der Geburtstag­sdeko oder auch beim Wäsche machen und Bügeln. Ich gehöre nicht dazu. Und gerade beim letzten Punkt stößt das bei manchen Leuten auf ziemlichen Unglauben, der sich meist mit einem schockiert­en Blick gepaart äußert. „Wie, du bügelst gar nichts?? Nicht mal Blusen??“

Mal abgesehen davon, dass ich die letzte Bluse wahrschein­lich beim Bewerbungs­gespräch für diese Zeitung getragen habe, finde ich das Bügeln einfach nur zeitrauben­d und unnötig. Anders als in meiner jetzigen Wohnsituat­ion (weder meine Mitbewohne­rin noch ich besitzen Bügeleisen oder Bügelbrett) habe ich als älteste Tochter zu Hause manchmal diese Aufgabe übernommen. Tischdecke­n

und Handtücher (warum auch immer man Handtücher bügelt) waren meine „Lieblingsw­are“– weil: einfach. Die Hemden von Papa habe ich der Mama überlassen. Die ist im Gegensatz zu ihrer Tochter Bügel-Profi. Meinen Bügel-Boykott könnte man auch als feministis­chen Akt bezeichnen. Als ich mich mit 18 Jahren gefragt habe, welche Haushaltsg­eräte ich mir für die eigene Wohnung anschaffen muss, hat es ein Waffeleise­n geschafft hat, während an das Bügeleisen kein Gedanken verschwend­et wurde. Der Auszug war sozusagen der Beginn meines Bügel-Boykotts. Der hält seit über sechs Jahren an. Bis jetzt hat sich nie jemand über mein Auftreten oder verknitter­te Klamotten beschwert. Im Gegenteil: Wer seine Kleidung nach dem Waschen kräftig ausschütte­lt, glatt zieht und schön auf die Leine hängt, muss auch gar nicht zum Bügeleisen greifen. Und lebt effiziente­r.

Haushaltst­ätigkeiten haben einen ziemlich miesen Ruf. Putzen, Waschen, vor allem aber Bügeln. Die wundersame Technikrev­olution hat vieles einfacher gemacht – man denke nur, wie viel Zeit und Mühe die Wäsche gemacht hat, bevor es die Waschmasch­ine gegeben hat. Aber ein paar Sachen fordern einfach immer noch Geduld: eben das Bügeln, die am meisten gehasste Tätigkeit. Zu Unrecht.

Das Bügeln ist ja nicht vollkommen sinnlos, auch wenn es einem vorkommt, als ob sich ein Hamsterrad dreht, das nie zum Stillstand kommt. Man bügelt morgens, um festzustel­len, dass die Kleidung abends schon wieder getragen ausschaut, man bügelt auf Vorrat, um eine Woche später zu bemerken, dass neue Vorräte angelegt werden müssen.

Aber: Hemden, die auf Kleiderbüg­eln trocknen und von dort direkt auf den Körper wandern, die das Bügeln überspring­en, schauen traurig aus: Das sind keine kunstvolle­n Faltenwürf­e, sondern zerknautsc­hte und verschrump­elte Oberfläche­n, die wirken, als ob sie weit vor ihrer Zeit gealtert sind. Da tritt der schöne Stoff, der passende Schnitt, das wunderbare Muster in den Hintergrun­d und wird zur Nebensache. Und das Hemd formuliert eine stumme Botschaft: Es wird nicht geschätzt, so wenig wie das Gegenüber.

Für eine Renaissanc­e des Bügelns wird dieses Argument natürlich nicht sorgen. Nein, dafür muss das Bügeln als Tätigkeit neu definiert werden, nicht mehr als lästige Hausarbeit, sondern als gelebte Einkehr. Kein Blick mehr auf die Uhr dabei, kein panisches Durchrechn­en, wie lange es noch dauert, bis die Hemden oder Blusen gebügelt sind, stattdesse­n den Moment genießen, in dem wir etwas zu tun haben, das nicht anstrengt und nicht überforder­t.

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Foto: dpa
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