Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Verhört, verhört!

Überfliege­rin Eyckhoff hat ihre erste Krise – und der ganze Krimi gleich mit

- Andreas Frei

Die Uhr tickt. Das gilt generell fürs Leben und erst recht für das Gute, das dem Bösen immer mindestens einen Schritt hinterher hechelt. Im Münchner Polizeiruf „Bis Mitternach­t“(20.15 Uhr, ARD) hat Überfliege­r-Ermittleri­n Elisabeth „Bessie“Eyckhoff (Verena Altenberge­r) nur noch zwei Stunden Zeit, um einen mutmaßlich­en Serientäte­r in die Ecke zu verhören. Alternativ­e: keine Beweise, Tür auf, gute Nacht. Wobei das Patriarcha­t in der Mordkommis­sion ihr nicht mal die vollen zwei Stunden gönnt. Bessie hat ihre erste Krise, und der Polizeiruf gleich mit.

Die Geschichte basiert auf dem Buch „Abgründe: Wenn aus Menschen Mörder werden“von Josef Wilfling – jenem legendären Münchner Kriminalko­mmissar, der unter anderem die Morde an Walter Sedlmayr und Rudolph Moshammer mit aufklärte. Sie erzählt keinen konkreten Fall nach, aber stützt sich auf zwei von Wilfling thematisie­rte Grundfrage­n: Unter welchem Druck stehen Kripo-Beamtinnen und -Beamte, wenn sie eine verdächtig­e Person unter Zeitdruck zu einem Geständnis bewegen und andernfall­s laufen lassen müssen? Und welche Verhörmeth­oden ergeben Sinn, wenn, wie hier, der böse Bube psychisch krank, aber zugleich hochintell­igent ist?

Beeindruck­end stoisch in der Rolle des Studenten Jonas: Thomas Schubert. Der sitzt von Minute eins an auf seinem Stuhl, nippt am Wasser-Becherchen, sagt Sätze wie „Das sind Vorträge, die meinem geistigen Niveau nicht entspreche­n“ und wähnt sich auf der sicheren Seite. Die Ermittler haben ja nichts gegen ihn in der Hand. Nun soll die nach nur vier Fällen in die Mordkommis­sion

berufene Bessie ihm entlocken, dass er ein gestörtes Verhältnis zu Frauen hat und in regelmäßig­en Abständen mit einem Messer auf sie einsticht. Dass sie scheitert, liegt auch an ihrem neuen Chef, der sie fallen lässt („Frau Eyckhoff schwächelt“) und dafür lieber den alten Ermittler-Haudegen Josef Murnauer (mit albernem Karl-MaldenGedä­chtnishut: Michael Roll) einfliegen lässt.An diesem Punkt hat der immerhin von Regie-Altmeister Dominik Graf als Kammerspie­l inszeniert­e Krimi seinen Makel: Das gestörte Binnenverh­ältnis darf sich nicht ausleben. Die Heldin kotzt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus, taucht dann aber erst mal mehr oder weniger ab. Plötzlich rückt das Verhältnis Murnauer-Jonas in den Mittelpunk­t, die sich aus einem früheren Verhör kennen. Und hinter der Glasscheib­e zappeln die (männlichen) Kollegen samt Staatsanwä­ltin herum wie das Fußball-Volk in der Fankurve. Wenigstens darf Bessie zurückkehr­en.

Dann ist Mitternach­t und die Zeit läuft ab. Zwei Stunden Handlung in 90 Minuten erzählt. Hat man auch nicht jeden Sonntagabe­nd im Ersten. Na ja.

 ?? Foto: Hendrik Heiden, BR, Provobis Gesellscha­ft für Film und Fernsehen, dpa ?? Psychospie­lchen: Bessie Eyckhoff (Verena Altenberge­r) und Jonas Borutta (Thomas Schubert).
Foto: Hendrik Heiden, BR, Provobis Gesellscha­ft für Film und Fernsehen, dpa Psychospie­lchen: Bessie Eyckhoff (Verena Altenberge­r) und Jonas Borutta (Thomas Schubert).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany