Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Auf einmal ist alles anders
Die Wechseljahre sind eines der letzten nicht darüber. Dabei kann die Zeit nach
In
der amerikanischen Serie „House of Cards“gibt es eine bemerkenswerte Szene. Die Protagonistin Claire Underwood tritt darin an ihren Kühlschrank, um einen Wein zu holen. Sie greift nach der Flasche, kurz lehnt sie sich mit dem Oberkörper in den Schrank, als wolle sie die Kühle mit ihrer Haut aufsaugen. „Hast du auch Hitzewallungen?“, fragt ihre Freundin Felicity, die ihr in die Küche gefolgt ist. Doch Claire wiegelt ab und wechselt das Thema.
Die Szene ist kurz, eher ein Augenzwinkern unter Eingeweihten, und von vielen Zuschauern und auch Zuschauerinnen vermutlich unbemerkt. Und doch ist sie bemerkenswert, denn sie richtet den Scheinwerfer auf ein Thema, das in der Öffentlichkeit sonst eher ein Schattendasein fristet: Claire Underwood ist in den Wechseljahren.
Reden will Underwood in der Szene nicht darüber – und damit geht es der Serienfigur wie vielen Frauen, die still leiden, nicht einmal mit den Freundinnen, der Mutter oder der Schwester sprechen. Die Wechseljahre sind eines der letzten großen Tabuthemen in der Gesellschaft. Obwohl allein in Deutschland aktuell um die sieben Millionen Frauen betroffen sind, ist es eine Lebensphase, die meist verschämt kommentiert wird. Es geht dann um Schlafstörungen, Hitzewallungen, um die Mangelhaftigkeit des eigenen Körpers, der einen so plötzlich im Stich lässt. Selbst Frauen, die durch diese Phase gehen, wissen oft nur wenig über das, was währenddessen in ihrem Körper passiert.
Was, also, steckt hinter den Wechseljahren? Die renommierte Gynäkologin Sheila de Liz bezeichnet die Zeit als „Metamorphose“(siehe Interview auf dieser Seite).
Körper und Geist einer Frau erleben eine gewaltige Veränderung. Ab Ende 30, Anfang 40 sortiert sich der Hormonhaushalt neu, die Eierstöcke produzieren immer weniger Östrogen und Progesteron, jene weiblichen Geschlechtshormone, die Frauen in der fruchtbaren Phase ihres Lebens auf eine Schwangerschaft vorbereiten. Diese Zeit nennt man Prämenopause. Auf sie folgt die Perimenopause, die Jahre rund um die letzte Blutung, die als die eigentlichen Wechseljahre gelten. Im Schnitt haben Frauen im Alter von 51 Jahren ihre letzte Periode, danach beginnt die dritte Phase, die Postmenopause.
Der veränderte Hormonhaushalt hat körperliche
Folgen, Hitzewallungen, Schlafstörungen, aber auch psychische. Viele Frauen fühlen sich in den Wechseljahren deutlich sensibler, leicht reizbar, oft unruhig ohne erkennbaren Grund.
Nicht umsonst vergleicht die Wissenschaft diese Zeit mit der Pubertät. Beide Phasen sind untrennbar miteinander verbunden: In der ersten wird der Körper geschlechtsreif. In der zweiten Phase bereitet der Körper sich auf die Zeit nach der fruchtbaren Phase vor.
Rein biologisch betrachtet ist die Veränderung sinnvoll: Die Natur hat es so eingerichtet, dass Frauen nur so lange fruchtbar sind, wie sie auch Kinder großziehen können. Die Menopause war deshalb traditionell auch immer so etwas wie die Grenze zwischen Jugend und Alter. Der Zeitpunkt, ab dem eine Frau in der Gesellschaft als alt gilt.
Doch Frauen werden schon lange immer älter. Die Wechseljahre fallen nicht mehr in die letzte Phase, sondern in die Mitte des Lebens. Eine unsichtbare Grenze rund um den 50. Geburtstag spüren dennoch viele Frauen. Die Journalistin Ba
Die Wechseljahre sind für Frauen so etwa eine zweite Pubertät
scha Mika hat diese Gedanken einst in ihrem Buch „Mutprobe“formuliert: „Frauen trifft die zweite Lebenshälfte besonders hart – ungleich schärfer als Männer.“Ältere Frauen würden für den Rest der Gesellschaft unsichtbar, sie büßten an fast allem ein: ihrer erotischen Ausstrahlung, ihrer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und ihren Chancen in der Arbeitswelt.
Für alternde Frauen gebe es keinen Platz, sagt auch die Schriftstellerin Ulrike Draesner, die sich in ihrem Buch „Eine Frau wird älter“mit ihren eigenen Erfahrungen auseinandersetzt. Sie attestiert sich selbst eine „Ahnungslosigkeit über das Altern“: Ältere Frauen würden meist aus einem Blickwinkel betrachtet, der ihr Älterwerden als Mangel interpretiert. „Es fehlen gesellschaftlich etablierte Formen, über das Altern der Frau anders als im Modus des Defizits und seiner Behebung (‚so bleibst du attraktiv für deinen Mann‘) oder medizinischer Fürsorge zu sprechen“, schreibt Draesner. Es fehle auch an Vorbildern, die eine moderne Form des Alterns vorleben. Frauen in oder nach den Wechseljahren kämen in der Gesellschaft, in Film, Fernsehen, Literatur so gut wie nicht vor.
In der Tat sind Frauen über 50 in Film und Fernsehen deutlich unterrepräsentiert. Die Wissenschaftlerin Elizabeth Prommer hat mit ihrem Team vor zwei Jahren 3500 Stunden Fernsehprogramm und 800 deutsche Kinofilme ausgewertet. Das Ergebnis: Ab 30 würden viele Frauen von den TV-Bildschirmen verschwinden. „Nicht nur in der Fiktion“, sagt Prommer, „sondern auch als Sprecherinnen – nicht als Moderatorinnen,
da nicht unbedingt, als Nachrichtenmoderatorin, aber als sichtbare Journalistinnen, Expertinnen und alles, was wir am Bildschirm sehen“.
Seit einiger Zeit aber ändert sich etwas in der öffentlichen Wahrnehmung. Auf den Bestseller-Listen stehen Bücher wie „Älterwerden ist sexy“oder „Woman on Fire“von Sheila de Liz. Schauspielerin Angelina Jolie verkündete vor einiger Zeit: „Ich mag es, in der Menopause zu sein.“Sie fühle sich älter, beständiger, sei froh, endlich erwachsen zu sein. Auch Michelle Obama, die ehemalige First Lady der USA, sprach in ihrem Podcast offen über ihre Wechseljahre. „Als hätte jemand in mir den Ofen hochgedreht“, so habe es sich manchmal angefühlt, sagte Obama und forderte Frauen auf, sich mehr mit ihrer eigenen Sexualität und ihren Körpern zu beschäftigen.
Sheila de Liz, die Gynäkologin und Bestseller-Autorin, hat ihrem Buch den Untertitel „Die fabelhaften Wechseljahre“gegeben. Die Menopause, sagt sie im Interview mit unserer Redaktion, sei „nicht das Ende, sondern ein ganz großartiger Neuanfang“.