Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine späte Dax-Erkenntnis
Boris Roessler, dpa den Wirecard-Skandal. Der Zahlungsdienstleister hatte sich trotz milliardenschwerer Luftbuchungen, die im Sommer 2020 aufflogen, noch über Monate im Dax halten können, weil die Regeln einen raschen Rauswurf aus dem Leitindex nicht zuließen. Für Kritik sorgte auch, dass für Wirecard der Essenslieferant Delivery Hero in den Dax aufrückte und damit ein Unternehmen, das seit seiner Gründung 2011 im laufenden Geschäft noch nie Geld verdient hat. Trotz der neuen Unternehmen gibt es keine Auswirkungen auf den Punktestand des Dax. Nur das Gewicht der Aktien ändert sich. Die bisherigen 30 Mitglieder verlieren zugunsten der Neuaufnahmen einen Teil ihres Gewichts.
Die Wirecard-Schande ist eine Schande für den Börsenplatz Deutschland. Der Skandal deckte nicht nur ein massives Versagen der Aufsichtsbehörde BaFin auf, sondern kam auch einer Ohrfeige für die Verantwortlichen des Deutschen Aktienindex gleich. Denn die Betrugsfirma konnte noch, als der Schwindel längst aufgeflogen war, zu lange im Schoß der Dax-Familie verweilen. Damit wurde wieder einmal Vertrauen in Aktienanlagen zerstört. Nach dem Zusammenbruch des einst hysterisch gehypten Neuen Marktes um die Jahrtausendwende entstand der Eindruck, dass Hochstaplern nicht genügend auf die Finger geklopft wird – und das gerade zum Nachteil der Kleinanleger-Gemeinde. Aus dem Versagen hat die Deutsche Börse endlich Konsequenzen gezogen und beugt durch strengere Regelungen hoffentlich einem zweiten Fall „Wirecard“vor.
Auch war es zwingend notwendig, zumindest künftig den Einzug chronisch defizitärer Firmen wie Delivery Hero in den Dax zu erschweren. All die Beschlüsse sind aus Sicht von Kleinaktionären ebenso wichtig wie die Ausweitung des Dax von 30 auf 40 Werte. Der Schritt wird dazu beitragen, dass der Index breiter, also besser die vielfältige börsennotierte Firmenlandschaft in Deutschland abbildet.