Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Taxifahrer ist nach Prozess um 1000 Euro „reicher“

Der Mann wurde von einem Fahrgast verprügelt. Vor Gericht kam es zu einer überrasche­nden Wende

- VON KLAUS UTZNI

Ein Strafproze­ss kann für so manche unvorherge­sehene Überraschu­ng sorgen - nicht nur für den Angeklagte­n, auch für einen Zeugen. Ein Taxifahrer, 35, der im Januar 2020 am Königsplat­z von einem Fahrgast ziemlich brutal verprügelt wurde und der die Attacke bereits abgeschrie­ben hatte, war um 1000 Euro „reicher“, als er jetzt das Strafjusti­zzentrum am Ende einer kurzen Verhandlun­g gegen den Täter verließ. Denn der hatte dem Opfer im Gerichtssa­al plötzlich ein ganz passables Schmerzens­geld zugesicher­t, mit dem der Taxler überhaupt nicht gerechnet hatte. Doch die noble Geste hatte ihren Grund.

An einem frühen Morgen im Januar 2020 hatte der Taxler an der Ecke Fuggerstra­ße und Königsplat­z auf Kundschaft gewartet. Kurz nach fünf Uhr trat der nun Angeklagte, 44, mit seiner damals schwangere­n Freundin an das Taxi. Es kam zum Streit, weil der 44-Jährige im Gegensatz

zu seiner Begleiteri­n nicht mit dem Taxi fahren wollte. Ein Wort gab das andere, das Wortgefech­t sprang auf den Taxler über, der sich Ruhe erbat. Daraufhin rastete der Angeklagte aus, prügelte mit Fäusten auf den Taxifahrer ein, auch als dieser am Boden lag. Das Opfer erlitt einen Bruch des Nasenbeins, Prellungen im Gesicht und war eine Woche arbeitsunf­ähig. Der Fahrgast, damals mit 1,2 Promille Alkohol im Blut, rannte vor der anrückende­n Polizei davon, stürzte aber nahe des Königsplat­zes auf die Straße und verkroch sich unter ein geparktes Auto. Dort wurde er von der Polizei festgenomm­en.

Wie sich herausstel­lte, war der 44-Jährige erst wenige Monate vor der Prügelei wegen Drogenhand­els vom Amtsgerich­t zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden, stand also unter offener Bewährung. Wird ein so bestrafter Täter innerhalb der Bewährungs­zeit rückfällig, dann sieht es ziemlich düster für ihn aus. Nicht nur die Bewährung für die alte Strafe kann widerrufen werden. Bei einem neuen Urteil droht weitere Haft.

Vor diesem Dilemma steht nun der angeklagte Fahrgast. Ein Gefängnisa­ufenthalt schwebt wie ein

Damoklessc­hwert über ihm. Im Prozess vor Strafricht­erin Susanne Scheiwille­r bereitet Verteidige­r Marco Müller für seinen Mandanten das Feld und rettet ihm damit die Freiheit. Der Angeklagte habe sich in einer schwierige­n Lebenssitu­ation befunden, sei wohnsitzlo­s gewesen, die Freundin habe ein Kind erwartet. „Der Streit und die Prügel waren völlig überflüssi­g, das alles hätte es nicht gebraucht“, räumt der Anwalt ein. Der Angeklagte nickt. Es tue ihm furchtbar leid, fügt er hinzu.

Im Zeugenstan­d beteuert der verprügelt­e Taxler, er habe heute „keine Probleme mehr mit dem Vorfall. „Machen Sie so was nicht wieder“, mahnt er allerdings den Angeklagte­n. Auf die Frage des Verteidige­rs sagt der Zeuge, nein, er habe bislang kein Schmerzens­geld gefordert. „Ein Schmerzens­geld gehört sich aber in so einem Fall“, überrascht Anwalt Müller den Taxler. Sein Mandant, so der Verteidige­r, biete ein Schmerzens­geld von 1000 Euro an. Der Zeuge weiß nun gar nicht, wie ihm geschieht, rückt zögerlich seine Bankcard mit seinen Kontodaten heraus, die im Protokoll festhalten werden.

Das Geständnis, die Entschuldi­gung und vor allem das Angebot des Schmerzens­geldes – ein strafmilde­rnder Täter-Opfer-Ausgleich – führen letztlich zu einem milden Urteil. Richterin Scheiwille­r belässt es bei einer erneuten Bewährungs­strafe von acht Monaten. „Es stand schon auf der Kippe“, macht sie dem Angeklagte­n klar, dass es hätte auch anders kommen können. Als Bewährungs­auflage muss der 44-Jährige das versproche­ne Schmerzens­geld an das Opfer zahlen sowie weitere 500 Euro an den „Weißen Ring“. Ein Bewährungs­helfer wird ihm erneut zur Seite gestellt. Der soll dafür sorgen, dass der Verurteilt­e weiterhin ein geordnetes Leben zusammen mit der Mutter seines inzwischen vier Monate alten Kindes führt. Das Urteil wird noch im Gerichtssa­al rechtskräf­tig.

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Symbolfoto: Silvio Wyszengrad Ein Fahrgast hat einen Taxifahrer ver‰ prügelt.

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