Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Augsburgs Kandidaten auf Stimmenfang
Drei Wochen vor der Bundestagswahl präsentieren sich fast alle Parteien in der Innenstadt. Manche Bewerber machen dabei besondere Erfahrungen. Was bei den Passanten zieht – und was nicht
Nicht einmal mehr drei Wochen sind es bis zur Bundestagswahl am 26. September. Die Spannung steigt, der Wahlkampf in Augsburg läuft auf Hochtouren. Die Kandidierenden suchen jetzt besonders den direkten Kontakt zu Wählerinnen und Wählern. Auch in Zeiten des Internets sei der Straßenwahlkampf ein wesentlicher Faktor im Werben um Stimmen, heißt es über die Parteigrenzen hinweg. Auch der Wahlkampf auf der Straße gewinnt an Brisanz. Weil es in Augsburg immer mehr Briefwähler gibt, muss frühzeitig um jede Stimme gekämpft werden. Wir haben uns am Wochenende umgehört, wie der Straßenwahlkampf läuft und wie er bei Passanten ankommt.
SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr hat am Samstag vier Termine an Infoständen und ist noch dazu bei zwei Veranstaltungen als Gast angekündigt. Einsatzgebiet ist nicht nur Augsburg, es geht auch zweimal nach Königsbrunn. Die Nachbarkommune gehört zum Wahlkreis Augsburg, in dem rund 210.000 Wahlberechtigte erfasst sind. „Für uns spielt der Straßenwahlkampf eine sehr große und wichtige Rolle, um mit den Menschen unmittelbar in Kontakt zu treten und ansprechbar zu sein“, sagt Ulrike Bahr. Sowohl in der Innenstadt als auch in den Stadtteilen sei man unterwegs. Zu den Aktionen gehören der Tür-zu-TürWahlkampf, Verteilaktionen, Infostände, Plakatieren und eigene Veranstaltungen. „Alles Corona-konform versteht sich“, ergänzt die SPD-Politikerin. Vor-Ort-Gespräche seien auf alle Fälle nahbarer. Gesprochen werde unter anderem über die Briefwahl, die Positionen der SPD und den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.
CSU-Bundestagsabgeordneter Volker Ullrich bewältigt am Samstag ebenfalls ein umfangreiches Programm. Drei Infostände sind es ab dem Vormittag. Sie stehen am Marktplatz in Königsbrunn, beim Kaufland in Lechhausen und am Helmut-Haller-Platz in Oberhausen. Nachmittags findet ein Spazier
mit Bürgerinnen und Bürgern in Königsbrunn statt. In den Stadtteilen erreiche man in der Regel tatsächlich die Personen, die in Augsburg abstimmen, sagt Ullrich. Man sei aber auch in der Innenstadt vertreten. Am Samstag war die CSU nachmittags am Moritzplatz. Ullrich sagt: „Die Bürger schätzen sehr, dass wir präsent sind, für unsere Positionen werben und uns stellen. Es motiviert auch die eigenen Parteimitglieder, sich dort zu beteiligen.“Die Stimmung sei gut. Mit Infoständen mache man sichtbar, dass Parteien sich um das Vertrauen der Menschen bemühen. „Wir sind ansprechbar, stehen für Fragen aber auch für Anregungen und Kritik zur Verfügung“, so der CSU-Politiker.
Fast alle Parteien, die einen Direktkandidaten stellen – im Wahlkreis sind das 16 –, sind am Samstag in der Innenstadt vertreten. Die Partei Die Basis ist in der Annastra
präsent. Zugeteilt werden die Plätze von der Stadt, bei den Standorten wird gewechselt. Die Parteien stehen also nicht immer an derselben Stelle. Denn natürlich laufen am Königsplatz mehr Menschen vorbei als zum Beispiel am Holbeinplatz.
Die Linke ist am Samstag am Holbeinplatz. „Kein Plakat, kein Online-Format ersetzt die persönliche Begegnung“, sagt Direktkandidat Frederik Hintermayr. Der Straßenwahlkampf bringe viel, ergänzt er: „Zum einen lernen wir als Wahlkämpfer dort die Menschen in ihrer Lebensrealität mit Problemen und Wünschen unmittelbar kennen, zum anderen können die Menschen auch uns kennenlernen und greifbar erleben.“Eine Aussage, die Emil Bauer (MLPD) teilt. Seine Partei ist am Königsplatz platziert worden: „Das Wichtigste ist, mit den Leuten zu reden.“Etwa 100 Meter entfernt ist der Stand der FDP. „Straßengang wahlkampf ist viel wichtiger, als ich gedacht habe“, sagt Kandidat Alexander Meyer. Für ihn, den Quereinsteiger, sei es eine neue Erfahrung. Erfahren muss er aber auch, dass die Menschen höchst selten aktiv werden und selbst den Stand ansteuern. „Man muss offensiv auf die Passanten zugehen, dann funktioniert es auch meist mit einem Gespräch.“Diesen Eindruck bestätigen Beobachtungen am Samstag. Die meisten Passanten laufen in der Regel schnell an den Infoständen vorbei. „Ich bin an der Wahl interessiert“, sagt Klaus Wagner, „aber ich brauche keine Wahlprospekte oder Kugelschreiber.“
Dass Gespräche mit Passanten mit Kritik verbunden sein können, erleben die Wahlkämpfenden der Grünen am Moritzplatz. „Es kann vorkommen, dass man beleidigt wird“, schildert Landtagsabgeordnete Stephanie Schuhknecht, „vielße fach sind es aber gute Diskussionen.“Dass die große Nachfrage nach der Briefwahl die Situation verändere, sei festzustellen. „Dass unsere Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am 13. September nach Augsburg kommt, mag für den einen oder anderen dann schon zu spät sein“, sagt sie. Dennoch sei der Auftritt der Bundesvorsitzenden für alle Grünen in Augsburg der Höhepunkt im Wahlkampf.
Die AfD hat ihren Infostand in der Annastraße. Man sei bewusst in die Innenstadt gegangen, um möglichst viele Menschen an einem belebten Einkaufssamstag anzusprechen, sagt AfD-Direktkandidat Raimond Scheirich. Dass die AfD wegen ihrer rechtspopulistischen Haltung auf Ablehnung bei der politischen Konkurrenz stößt, ist kein Geheimnis. Angriffe gegen Infostände, wie es sie in der Vergangenheit ab, seien mittlerweile nicht mehr zu verzeichnen, sagt Scheirich: „Die Lage hat sich zum Glück beruhigt.“Auch die Zahl der beschädigten Wahlplakate sei gegenüber früheren Jahren zurückgegangen. Dass die AfD ihre Plakate oft hoch an Laternenmasten hängt, sei eine Reaktion auf die Zerstörungen.
Am Königsplatz stehen Stände der ÖDP und der V-Partei. Die Stadträte Christian Pettinger (ÖDP) und Roland Wegner (V-Partei) haben sich vormittags freundlich begrüßt. „Wir haben schließlich das gleiche Anliegen, unsere Positionen bei den Wählerinnen und Wählern bekannt zu machen“, sagt Wegner. Dazu eigne sich ein Standort in zentraler Lage am besten. ÖDP-Kandidat Alexander Mai hat eine Strategie ausgearbeitet, wie er Passanten anspricht. „Bei Jüngeren ist es das Thema Nahverkehr.“Bei der Generation ab 30 Jahren sei es das Erziehungsgehalt. Bei den Älteren scheitere er allerdings in den meisten Fällen: „Kein Interesse“, heiße es dann häufig. An den nächsten Wochenenden werde er aber wieder im Einsatz sein, sagt Mai. Er wird dann auch wieder seinen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern begegnen.
»Innenteil
Diese Woche stellen wir die Direktkandidaten vor, die bereits im Bundestag vertreten sind. Den Auftakt macht Claudia Roth (Grüne), es folgen Ulrike Bahr (SPD) und Volker Ullrich (CSU).