Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine überraschende Entdeckung im Klosterkeller
Wie gut kennt Wikipedia die Orte im Landkreis Augsburg? Heute: Klosterlechfeld
Klosterlechfeld Ende des 16. Jahrhunderts soll sich die Witwe des Augsburger Bürgermeisters, Regina von Imhof, auf dem Weg zu ihrem Schloss nach Untermeitingen verirrt haben. Der Nebel war dicht, das Lechfeld düster und sumpfig. In der Hoffnung, mithilfe der Gottesmutter wieder auf den richtigen Weg zu gelangen, gelobte sie, in ihrem Namen eine Kapelle zu bauen.
Als die Lichter des Schlosses endlich vor ihr im Nebel auftauchten, steckte ihr Kutscher der Legende nach seine Peitsche in die Erde. Der Platz für die künftige Wallfahrtskirche Maria Hilf stand somit fest – der Legende nach zumindest. „Eine clevere Geschäftsfrau“, sagt Willi Walch. Er ist von der Geschichte nicht ganz überzeugt.
Der gebürtige Scheuringer (Landkreis Landsberg) Walch ist seit 1962 in Klosterlechfeld verwurzelt. Als gelernter Buchdrucker und mit seinem historischen Wissen über Klosterlechfeld, das er sich aus persönlichem Interesse angeeignet hat, könnte der Rentner ein eigenes Buch über seine
Heimatgemeinde füllen. Die Gründungslegende von Klosterlechfeld, ein PR-Schachzug einer weitsichtigen Frau aus dem 17. Jahrhundert? „Ich vermute, dass sie sich wohl dachte: Mensch, da ist eine große Lücke zwischen Augsburg und Landsberg. Die Bevölkerung muss versorgt werden – da baue ich etwas hin.“
Gelungen ist es alle Male. Nach dem Bau der Wallfahrtskirche kam ein Kloster hinzu. Von da an gab es wichtige Einnahmen und einen bedeutsamen wirtschaftlichen Faktor für das heutige Klosterlechfeld: den Wallfahrtsbetrieb. Laut Walch handelte es sich in Klosterlechfeld nach Altötting um den am zweitstärksten besuchten Wallfahrtsort in Bayern.
„Die ganzen Wallfahrer – um 1760 herum waren es mehr als 200.000 in einem Jahr, bei gutem Wetter fast 3000 pro Tag – mussten natürlich auch verköstigt werden“, erklärt Walch. „So siedelten sich dann sehr viele Wirtschaften an.“Das habe bis vor ein paar Jahren Auswirkungen auf Klosterlechfeld gehabt. „Mindestens fünf Gasthäuser ließen sich Ende des 20. Jahrhunderts auf Wallfahrer zurückführen“, sagt Walch und kann aus dem Stegreif ihre Namen aufzählen.
Auch das Marktrecht erhielt Klosterlechfeld auf Grundlage des Wallfahrtbetriebs vom König verliehen. Fünf Märkte durften so pro Jahr durchgeführt werden. „Das war ganz wertvoll und wichtig für die umliegende Bevölkerung. Die kamen nicht nur, um Süßigkeiten zu kaufen oder mit dem Schaukelpferd sich zu verlustieren, sondern der Markt diente den Leuten als Grundversorgung.“
Neben dem Kirchenbesuch wollte man mit den Märkten einen weiteren Anreiz für Wallfahrer schaffen. Laut Walch bestanden die Märkte bis in das 20. Jahrhundert. Ab den 1970erund -80er-Jahren wurden jedoch sie immer weniger besucht. Heute gebe es nur noch den Pfingstmarkt auf der Klosterwiese und einen Handwerkermarkt.
Aber nicht nur Regina von Imhof, die von den Wirtschaften Abgaben erhielt, war weitsichtig, sondern auch der Bettelorden der Franziskaner im Kloster. Im Klostergarten bauten die Patres Obst und Gemüse an, das sie verkauften. Um sich für schlechtere Zeiten eine Nahrungsreserve anzulegen, lagerten sie dieses und andere erbettelte Nahrung im großen Keller des Klosters.
Dieser große Keller spielte während des Zweiten Weltkriegs noch einmal eine wichtige Rolle für Klosterlechfeld. Das Wissen um die Größe ging jedoch schnell wieder verloren. Bis vor etwa zehn Jahren das Gebäude zu bröckeln begann und immer wieder Kies abrutschte.
Erst als dann öffentlich darüber diskutiert wurde und man sich fragte, was ist denn bloß da los, warum rutscht der Kies ab, sei man dahintergekommen, sagt Walch: „Einer, der während der des Zweiten Weltkriegs Bub war, kam an und erinnerte sich plötzlich, dass dort der Luftschutzbunker von Klosterlechfeld war. Denn der Keller war zweigeschossig – und das untere der beiden Geschosse war in Vergessenheit geraten.“