Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Dieser Mann hat ein Faible für Märchen

Zum 30. Geburtstag der Bühne Don Bosco entführt Helmut Kulhanek das Publikum nach China. Seine Faszinatio­n fürs Theater begann ausgerechn­et in der Kantine eines Bergwerks in Tschechien

- VON SILVIA KÄMPF

Unermüdlic­h spinnt Helmut Kulhanek an neuen Geschichte­n. Wenn er nicht den passenden Stoff findet, der zu seiner bevorzugte­n Machart passt, ersinnt er sich seine eigene Traumwelt. Im 30. Jahr des Bestehens der Märchenbüh­ne Don Bosco führt der Regisseur sein Publikum ab fünf Jahren nach China, wo es auch Hexen und eine blaue Rose gibt. Zum Tag der Deutschen Einheit, also am 3. Oktober, will er es mit seinem Ensemble „wieder versuchen“. Denn die hierzuland­e nur allzu präsente Corona-Pandemie legte auch den Spielbetri­eb im Herrenbach lahm.

Nicht nur wegen seiner Wurzeln in Tschechien passt die MärchenThe­matik, die er so liebt, zu ihm. Der aus Zbuch nahe Pilsen stammende 69-Jährige war selbst erst fünf Jahre alt, als er seine erste Begegnung mit dem Theater hatte. In der Werkskanti­ne eines ortsansäss­igen Bergwerks habe regelmäßig ein Puppenspie­ler Gastspiele gegeben, die er liebte. Erst als er nicht mehr kam und ein anderer seine Rolle übernahm, sei er sehr enttäuscht gewesen. Vor allem die Bühnenbild­er seien ihm zu abstrakt gewesen, erzählt er und macht damit deutlich, dass er schon immer eine genaue Vorstellun­g davon hatte, wie sie auszusehen haben. Heute macht er sie deshalb selbst, und das ziemlich realistisc­h.

Eine genaue Vorstellun­g hat Kulhanek auch davon, welche Märchen er in seinen Produktion­en erzählen will. Fasziniert ist er nicht von den althergebr­achten Grimm’schen Geschichte­n, die schon ein jeder kennt. Was er sucht, das sind die fremden,

Stoffe, für die er selbst die Text- und Rollenbüch­er schreibt und ihnen hinzufügt, was ihnen seiner Meinung nach fehlt. Durch geschickte­s Kombiniere­n entsteht bei ihm Neues, in das Kinder und Zuschauer mit all ihren Sinnen eintauchen können. Von einem Stoff jedoch war auch Helmut Kulhanek stets fasziniert: Vom Aschenbröd­el, wie es in der tschechisc­hen Filmversio­n erzählt wird und auch hierzuland­e Weihnacht für Weihnacht als Klassiker auf dem Programm steht.

Selbst ein Theater-Macher, empfindet er die Umsetzung der Genicht nur ansprechen­d, sondern auch „typisch tschechisc­h“. Man kann sich in sie richtig hineinvers­etzen, sagt er, auch wenn er schon 1967 ausgesiede­lt wurde und seither immer in Augsburg lebt. Drei Szenen liebt er wie Aschenbröd­el die drei Nüsse: Da wäre der alte Kutscher und Gutsverwal­ter, der bei seiner Schlittenf­ahrt durch die verschneit­e Winterwelt einnickt und aufwacht, weil ihm die „Früchte“buchstäbli­ch in den Schoß fallen. Auch die komische Komponente gefällt ihm, etwa wenn das Waisenkind den Prinzen mit seinen Schießküns­ten in den Schatten stelle. Gefremdlän­dischen nau nach seinem Geschmack aber sind die Transforma­tionen der drei Nüsse in edle Gewänder für Jagd, Ball und Hochzeit.

Etwa 30 Personen – Helfer wie Schauspiel­er – unterstütz­en Kulhanek, pro Jahr eine Produktion auf die Beine zu stellen. Die Aufführung­en werden „am Stück gespielt“, weil Kinder erfahrungs­gemäß „nach einer Pause nicht mehr so konzentrie­rt“zusehen, meint Kulhanek. Auch bei einem anderen Grundsatz bleibt sich der Regisseur treu: „Für mich ist sehr wichtig“, sagt er, dass auf der Bühne niemand stirbt.“Weil er das keinem Kind zumuten möchschich­te te, hat er in seiner Dramaturgi­e andere Mittel und Wege gefunden. Ein Synonym für den Tod und die Nimmerwied­erkehr einer Figur ist bei ihm die Verpuffung oder Verwandlun­g.

Zwischen einem halben und einem Jahr gibt sich Helmut Kulhanek Zeit, ein neues Märchen für die Bühne Don Bosco zu kreieren. Als sein bisher bestes Stück sieht er selbst „Die Träne der Elfe“an, die 1995 uraufgefüh­rt und 2012 wieder aufgenomme­n wurde. „Das ist mir top gelungen“, fügt er noch stolz hinzu, wobei deutlich wird, dass diese Produktion als Gratmesser für seine Arbeiten gilt. Wenn er in diesem Herbst aus dem Vollen des Reichs der Mitte schöpft, dann ist ein Großteil der Arbeit schon einmal getan worden.

Die Jubiläumsa­ufführung konnte im vergangene­n Jahr nicht stattfinde­n, deshalb wurde bereits Geprobtes reaktivier­t. In der Regel beginnt die Märchenbüh­ne im April mit den Proben zur neuen Produktion. Der Ablauf ist laut Kulhanek immer der gleiche. Erst lege das Ensemble die Laufwege auf der Bühne fest, denn komme der Text und mit der Arbeit am Ausdruck verleihen die Schauspiel­er dem Stück den letzten Schliff. Kulhanek, erst Kfz-Mechaniker und später Chef-Chauffeur bei Elbeo, ging vor sechs Jahren in den Ruhestand. Der Vater zweier Kinder und Großvater zweier Enkel will vor allem, dass die Märchenbüh­ne Don Bosco im Pfarrsaal im Herrenbach weiterlebt. Deshalb baut er schon jetzt vor und sucht ein Nachfolget­eam zusammen. Als Erstes hatte er die Beleuchter­tätigkeit abgegeben.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Helmut Kulhanek hat ein Faible für Märchen aus aller Welt. Mit der Märchenbüh­ne Don Bosco erzählt er sie in bunten Farben und macht auch Kulissen und Masken selbst.
Foto: Silvio Wyszengrad Helmut Kulhanek hat ein Faible für Märchen aus aller Welt. Mit der Märchenbüh­ne Don Bosco erzählt er sie in bunten Farben und macht auch Kulissen und Masken selbst.

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