Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Wir können uns Aussitzen nicht länger leisten“
SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze erklärt, wie ihre Partei nach einem Wahlsieg die Energiewende und einen sozialen Ausgleich beim Klimaschutz umsetzen möchte. Und sie spricht über ihre eigenen Zukunftspläne
Frau Schulze, viele Klimaschutzmaßnahmen werden zu höheren Preisen führen, die gerade Menschen mit niedrigeren Einkommen treffen …
Svenja Schulze:
Anwohnern und Artenschutz. Was zählt mehr?
Schulze: Da müssen wir einen Ausgleich finden. Denn der Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten ist nicht geholfen, wenn wir die Energiewende nicht hinbekommen. Denn der Klimawandel zählt zu den größten Bedrohungen unserer Ökosysteme. Darum müssen auch Naturschützer nach gemeinsamen Lösungen suchen, wie der Ausbau beschleunigt werden kann. Solaranlagen auf Dächern sind zum Beispiel sehr naturverträglich.
Auch gegen den Willen der Hausbesitzer? Wollen Sie die Solardach-Pflicht?
Schulze: Ich finde das richtig, der öffentliche Bereich muss vorangehen, auf neue Gebäude gehören Solaranlagen auf jeden Fall und bei den alten überall dort, wo es möglich ist. Da nutzen wir unsere Potenziale noch nicht.
Auch über die Zukunft der Mobilität wird gerade viel gesprochen, etwa auf der Internationalen Automobil-Ausstellung, die gerade stattfindet. Über Freude am Fahren oder die Freiheit, die ein Auto bietet, redet dagegen fast niemand mehr. Ist das Autoland Deutschland ein Auslaufmodell?
Schulze: Ich verstehe sehr gut, dass das Auto für viele Menschen eine wichtige Rolle spielt. Gerade auch auf dem Land wird das Auto wichtig bleiben, und deshalb unterstützen wir ja auch den Umstieg auf Elektroautos. Darauf hat sich die Industrie eingestellt. Und wer es ausprobiert hat, weiß: Elektrisch fahrende Autos machen durchaus auch Spaß.
Eine Studie der EU hält auch die Atomkraft für nachhaltig, und das könnte bedeuten, dass Geldanlagen in Atomanlagen künftig für Anleger empfohlen werden. Muss Deutschland, das mit der Kernkraft im kommenden Jahr abgeschlossen haben wird, seinen Atomausstieg überdenken?
Schulze: Nein, ganz im Gegenteil. Diese Studie ist fachlich mangelhaft und nicht haltbar. In Deutschland haben drei Generationen die Atomkraft genutzt, 30000 Generationen werden sich mit dem Müll beschäftigen. Das ist alles andere als nachhaltig. Und es verursacht sehr hohe Kosten – und das in Zeiten, wo mit den erneuerbaren Energien viel günstigere Alternativen verfügbar sind. Ich weiß, dass Länder wie Frankreich weiter auf Atomkraft setzen. Aber ich habe auch engagierte Verbündete wie Österreich, Dänemark, Luxemburg oder Spanien, die das nicht wollen. Wir sind gemeinsam überzeugt, dass Atomkraft kein Öko-Label bekommen darf, und wollen dafür kämpfen. Denn wie glaubwürdig wäre ein Nachhaltigkeits-Label für Anleger noch, wenn sich dahinter die Atomkraft verbirgt?
„Der Vielfalt von Pflanzen und Tierarten ist nicht geholfen, wenn wir die Energiewende nicht hinbekommen.“Svenja Schulze
Ihre SPD hat sich ja inzwischen aus dem Umfragetief herausgekämpft und kann sich sogar Hoffnung machen, mit Olaf Scholz den nächsten Kanzler zu stellen. Aber dazu braucht es Partner, wahrscheinlich zwei. Welche Parteien sind Ihre Wunschpartner?
Schulze: Sieht man sich die Umfragen an, wird es wohl einen rot-grünen Kern geben. Wer dann noch dazukommt, wird man sehen, die Anforderungen hat Olaf Scholz ja klar umrissen. Für uns ist klar, dass wir den Klimaschutz entscheidend voranbringen werden, das ist nicht verhandelbar. Mit der Union hat das nicht gut genug funktioniert, CDU und CSU brauchen jetzt mal eine Denkpause in der Opposition.
Wenn die Grünen mitregieren, dürften sie das Umweltministerium für sich reklamieren …
Schulze: Ich bin sehr gerne Umweltministerin und ich denke, dass ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren sehr viel für die Umwelt herausgeholt habe. Wenn Olaf Scholz Kanzler wird, werde ich mich schon an geeigneter Stelle weiter nützlich machen können.
Geht es jetzt Bienen und anderen Insekten denn heute besser als vor Ihrem Amtsantritt?
Schulze: Es gibt jetzt erstmals ein Insektenschutzgesetz, es gibt strengere Vorgaben für den Einsatz von Pestiziden und der Glyphosat-Ausstieg kommt. All das wird Wirkung entfalten.
Sie haben früher die exotische Sportart Unterwasser-Rugby betrieben, ein kämpferisches Spiel, bei dem getaucht wird. Was haben Sie dabei für die Politik gelernt?
Schulze: Dass es auf den langen Atem ankommt. Durchhalten, das kann man da sehr gut lernen – jetzt im Wahlkampf ist das das Entscheidende.