Augsburger Allgemeine (Land Nord)
So massiv werden Wahlplakate beschädigt
Die Kandidatenplakate sind ein beliebtes Ziel für Zerstörungen. Eine Gruppierung im Augsburger Land wird besonders massiv angegangen, eine andere wiederum bleibt weitgehend verschont
Landkreis Augsburg Manche Kandidaten oder Kandidatinnen bekommen über Nacht Eselsohren verpasst, anderen wiederum wachsen plötzlich Hörner aus dem Kopf, und immer wieder prangt auch mal ein Hitler-Bärtchen im Gesicht. Wahlplakate sind immer wieder beliebte Objekte, die Schmierfinken magisch anziehen. Doch nicht immer bleibt es bei Kritzeleien. Erst vor wenigen Tagen hat der Ortsverband der Grünen in Neusäß Anzeige erstattet, da zahlreiche Plakate zerstört wurden. Besonders angegangen wird zudem der Kandidat der AfD. Nur eine Partei bleibt bislang vom Vandalismus weitgehend verschont.
„In Gersthofen haben Unbekannte auf das Plakat von Rainer Kraft das Wort ,Stirb‘ geschrieben, einen Zielkreis auf sein Gesicht gemalt und dieses mit angespitzten Stöcken durchbohrt“, sagt Kreisvorsitzender Reinhard Kistner. Zudem wurden wie berichtet vor wenigen Tagen Farbkugeln gegen die Fassade seines Hauses in Gersthofen geschmissen. Für die Polizei sind solche Beschädigungen kein Kavaliersdelikt. „Im Rahmen der Anzeigenaufnahme werden alle infrage kommenden Delikte aufgenommen“, sagt Polizeisprecher Stefan Faller. In der Regel käme auch für derartige Beschriftungen der Tatbestand der Beleidigung infrage. „Eine rechtliche Bewertung obliegt letztendlich der Staatsanwaltschaft.“Demnach drohen den Tätern bis zu drei Jahren Haft, wenn sie verfassungsfeindliche Symbole auf Plakate schmieren.
Nach den Farbwürfen haben sich die Täter in einem Flugblatt an Krafts Nachbarn gewandt und sie informiert, dass „gestern Nacht Antifaschisten/-innen bei ihrem Nachbarn waren (...).“Begründet wurde die Sachbeschädigung mit Krafts politischer Einstellung. „Die Rechten sind nicht die Lösung der Krise“, heißt es auf dem Flugblatt. Für die AfD ist Gersthofen dennoch kein Hotspot der Zerstörungen. Diese liegen laut Kistner eher in Königsbrunn und Meitingen.
Vandalismus bei Wahlkämpfen ist aber auch für die SPD nichts Neues. Höhere Schäden als bei den Wahlen zuvor verzeichnet der Kreisverband jedoch nicht. „Was jedoch auffällig ist, dass die Schmierereien auf SPD-Plakaten meiner Meinung nach überwiegend dem rechten Lager zuzuordnen sind“, sagt Fabian Wamser, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks AugsburgLand. So seien immer wieder Schmierereien wie „Verräter“oder „Feinde Deutschlands“auf den Plakaten der Sozialdemokraten zu lesen. Auffällig viel Vorfälle hat es seiner Meinung nach in letzter Zeit in gegeben. „Hier fanden bekanntlich Beschädigungen an der Kirche und anderen Orten statt, aber eben auch an SPD-Plakaten.“
Jens Gaiser von der CSU hat wiederum Wulfertshausen als Brennpunkt ausgemacht. Dort fand nach Auskunft des Bundeswahlkreisgeschäftsführers die heftigste Zerstörung von Wahlwerbung nach heutigem Stand statt. „Es wurden drei Plakatständer der CSU in Brand gesteckt, die an einer Hecke standen“, sagt Gaiser. Glücklicherweise hätten die Flammen nicht auf die Hecke übergegriffen. Die häufigste Beschädigung an den Plakaten seiner Partei seien aber „Bärtchen“oder sonstige Kritzeleien. Dabei haben die politischen Gegner vor allem eine Person verstärkt im Visier. „Plakate mit dem Konterfei von Markus Söder sind häufiger Ziel von Vandalismus als Plakate mit Hansjörg Durz“, hat Gaiser beobachtet.
Bei den Grünen wiederum fällt auf, dass vor allem im südlichen Landkreis die Plakate zerstört oder beschädigt werden. Mehrfach passiert sei dies laut Kreis-GeschäftsKlosterlechfeld führerin Juliane Vinzelberg in Klosterlechfeld. „Aber auch in Königsbrunn und Schwabmünchen wurden Schmierereien und zerstörte Großflächenplakate gemeldet und zur Anzeige gebracht“, sagt sie. Rund 13.000 Euro hätten die Grünen bereits für den Wahlkampf im Augsburger Land investiert. „Die Schäden können wir aktuell mit einem vierstelligen Betrag beziffern“, so Vinzelberg. Sie ärgert sich jedoch vor allem darüber, dass die ehrenamtlichen Helfer zusätzlich Zeit aufwenden müssen, um die zerstörten Plakate auszutauschen.
Ganz anders ist die Situation bei den Freien Wählern. „Wir haben in diesem Bundestagswahlkampf nur vereinzelt mit Plakatvandalismus oder -diebstahl zu kämpfen, was sehr erfreulich ist“, sagt Franziska Hochmair, Kreisgeschäftsführerin. Vor allem bei den vergangenen überregionalen Wahlen hätte es mehr Fälle gegeben – auch schwerwiegende wie Brandstiftung. Die Partei spart sich jedoch nicht nur die Kosten für den Ersatz, auch die Plakatierungskosten für den Wahlkreis Augsburg-Land und AichachFriedberg belaufen sich lediglich auf einen niederen vierstelligen Betrag. „Die Kosten sind deshalb niedrig, weil wir die Plakatierung durchweg mit unseren Ortsverbänden und Ehrenamtlichen koordinieren können und keine externe Firma damit beauftragen müssen“, erklärt Hochmair. Außerdem habe man sich gegen Großflächenplakate in diesem Wahljahr entschieden.
Verzichten wollen die Parteien trotz einer immer stärkeren Digitalisierung aber nicht auf den Wahlkampf per Plakat. Es sei ein gutes Mittel, um überhaupt auf die bevorstehende Wahl, Kandidaten und das Programm aufmerksam zu machen, heißt es übereinstimmend. Wer nicht plakatiere, trage einen Imageschaden davon, sagen beispielsweise die Freien Wähler. Und dieser Schaden sei größer als ein Plakat mit Eselsohren oder teuflischen Hörnern.
Warum Plakate trotz Digitalisierung hängen