Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Anwalt der Verbraucher
Nachruf Heinz Hellerström hat früh erkannt, dass guter Wirtschaftsjournalismus nicht aus dem Referieren trockener Firmenbilanzen besteht. Seine Texte waren von hohem Nutzwert und ihrer Zeit damit weit voraus
Augsburg Gewissenhaftigkeit ist eine herausragende journalistische Tugend. Gewissenhaftigkeit bedeutet, gründlich zu recherchieren, alle Seiten anzuhören, die Fakten mit Bedacht zu gewichten, seine Schlüsse daraus zu ziehen und alles verständlich aufzuschreiben. In dem Sinne war Heinz Hellerström, in unserer Redaktion kurz und liebevoll meist „Helli“genannt, ein durch und durch gewissenhafter Chronist wirtschaftlicher Zusammenhänge. Wie jetzt bekannt wurde, ist er im Alter von 76 Jahren gestorben
In den Zeiten, als die Digitalisierung noch keine Rolle spielte, ließ sich der Hang zu Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit auch an der Höhe der Papier- und Zeitungsberge auf einem Schreibtisch bemessen.
Wer das Büro von Heinz betrat – man war ja schnell mit dem freundlichen, humorvollen Kollegen per Du – nahm den ein oder anderen hoch aufschießenden Stapel der Gründlichkeit wahr. Das papierlose Büro: im Hellerströmschen Kosmos eine ferne, unerreichbare Utopie.
Hellerström, in Dessau geboren, in Stuttgart und München aufgewachsen und promovierter Historiker, war durch und durch Journalist. Mit Neugier, Intellekt und Lust übte er seinen Beruf aus. Unserer Redaktion gehörte er von 1977 bis 2001 an, 13 Jahre davon leitete er das Wirtschaftsressort. Wer ein Plätzchen suchte, um nach allen von ihm eingeforderten Recherchen eine Zigarette zu rauchen, fand im Büro des Ressortleiters immer ein freundliches und gemütliches Asyl. Es wurde diskutiert, nicht nur über die Arbeit, auch über Politik und das Leben an sich.
Zu Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft gesellte sich eine dritte Tugend: Der versierte Wirtschaftsjournalist konnte sich verständlich ausdrücken, was in der damals noch sehr zahlenlastigen Profession alles andere als selbstverständlich war. Hellerström holte seine Kundschaft ab, wie das heute so salopp heißt. Er war nicht nur ein ausgewiesener Experte für Agrar- und Sozialpolitik, sondern einer der ersten Verbraucher-Journalisten des Landes. Seine Texte lasen sich informativ und vergnüglich, hatten aber auch einen hohen Nutzwert.
„Ihr gutes Recht“, „Tipps und
Trends“oder „Gewusst wie“waren Kolumnen, die Hellerström pflegte. Wirtschaft war für ihn mehr als trockene Bilanzen, doch auch aus ihnen kitzelte er häufig spannende Texte heraus. Regionale Firmen, aber auch Kammern, Verbände oder Gewerkschaften lagen ihm beson- ders am Herzen.
Einen Wirt- schaftsjournalismus, der die Menschen und nicht das Fachchinesisch in den Vordergrund rückt, brachte er mit großer
Geduld auch zahlreichen Schülerinnen und Schülern nahe. Dabei waren seine kritischen Nachfragen zu Texten legendär. Erschien dann ein solcher, von Helli redigierter Bericht im Blatt, konnte man sich als junger Reporter auf der sicheren Seite wähnen. „Von Helli redigiert“war ein Gütesiegel.
Auch als er in seinen späten Journalisten-Jahren schon von Krankheiten geplagt wurde, schrieb er noch die ein oder andere Glosse, pointensicher und auf knappem Platz. Er beherrschte auch diese Königsklasse des Journalismus. Heinz Hellerström hat die Wirtschaftsberichterstattung in der Region lange geprägt und vielen jungen Journalisten ein gutes Rüstzeug mit auf den Weg gegeben.