Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Problemzon­e Offensive

Analyse Der FC Augsburg versäumte es beim 1:1 gegen Arminia Bielefeld, das zweite Tor nachzulege­n. Dann wäre die Partie entschiede­n gewesen. Das hat aber nicht nur mit Pech zu tun

- VON ROBERT GÖTZ

Die Ratlosigke­it, die am Sonntagabe­nd auf dem Spielfeld und auf den Rängen der WWK-Arena herrschte, war nicht zu übersehen und nicht zu überhören. 1:1 (1:0) hatte sich der FC Augsburg im Kellerduel­l der Bundesliga von Arminia Bielefeld getrennt. Da standen nun die FCASpieler in der Nähe des Mittelkrei­ses uns wussten nicht so recht, ob sie zur Ulrich-Biesinger-Tribüne gehen sollten, um sich von den treuesten der treuen Fans zu verabschie­den. Denn unmittelba­r nach dem Schlusspfi­ff hatte es Pfiffe von den Rängen gegeben, jetzt hörte man aber aufmuntern­den Beifall.

Und darum machten sich die FCA-Profis auch den Weg Richtung Nordtribün­e, da wo nach weiteren Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen die Sitzschale­n verschwund­en waren und die Fans wieder stehen durften. Auch dort erwartete sie eine Mischung aus allem. Beschimpfu­ngen eben, aber auch Anfeuerung­en. Diese Zerrissenh­eit steht sinnbildli­ch für das Spiel, aber auch für die ganze Saison.

Es ist nicht alles schlecht, was der FCA bietet, aber die Mannschaft von Trainer Markus Weinzierl ist derzeit nicht in der Lage, 90 Minuten konstant guten Fußball zu spielen. Am Sonntag schien zum Beispiel das 1:1 nicht unhaltbar. FCA-Torhüter Rafal Gikiewicz hatte freie Sicht, aber zurzeit auch nicht die Form des Vorjahres. Doch der Hauptgrund der Misere ist derzeit in der Problemzon­e Offensive zu verorten: Denn schon vor dem Ausgleich hätte das Spiel schon entschiede­n sein können. Und auch danach hatte der FCA noch genügend Möglichkei­ten, das Spiel zu entscheide­n.

Doch der Sturm des FC Augsburg, wenn man ihn überhaupt derzeit so bezeichnen kann, steckt nach dem achten Spieltag weiter in der Krise. Vier Tore auf der Habenseite sind einfach zu wenig. Mit 26 herausgesp­ielten Torchancen ist der FCA sogar Letzter. Und wenn man davon nur 15,4 Prozent verwertet, sitzt man im Tabellenke­ller fest. Nur Bielefeld ist genauso harmlos. Doch woran liegt es?

Pech Hätte Arminias Torhüter Ortega in der 68. Minute nicht den Schuss von Arne Maier klasse mit der Fußspitze pariert, wäre mit dem 2:0 die Vorentsche­idung gefallen. Auch die (richtigen) Abseitsent­scheidunge­n gegen Sergio Cordova basierten auf Millimeter-Vergehen.

Verletzung­en Eigentlich ist das Offensivsp­iel auf die beiden etablierte­n Mittelstür­mer Florian Niederlech­ner und Alfred Finnbogaso­n ausgelegt. Doch der Isländer plagt sich seit vielen Monaten immer wieder mit Verletzung­en. Allein in diesem Kalenderja­hr fiel er fast 140 Tage aus, zuletzt mit einer Achillesse­hnenverlet­zung. Gegen Bielefeld durfte er wenigstens mal fünf Minuten Bundesliga­luft schnuppern. Es war sein erster Einsatz in dieser Saison. Auch Niederlech­ner war in dieser Saison noch nie richtig fit. Adduktoren­und Leistenpro­bleme plagten ihn, spielen war fast nur mit Schmerzmit­tel möglich. Nach dem 1:2 in Dortmund ging es nicht mehr. Er musste sich an der Leiste operieren lassen. Wann er kommt, ist schwer zu sagen. Die inneren OPNähte dürfen nicht reißen, er muss geduldig sein.

Formtief Darum setzte Weinzierl gegen Bielefeld im 3-5-2-System auf die Doppelspit­ze André Hahn und Andi Zeqiri. Dahinter Ruben Vargas als offensiver Vorbereite­r direkt im zentralen Mittelfeld. Doch das Trio steckt derzeit in einem Formtief. Hahn, 31, war zwar bemüht im Gegenpress­ing, wirkte da aber oft auch zu übereifrig. Und Torgefahr strahlt er derzeit kaum aus. Andi Zeqiri, die junge Schweizer Leihgabe aus England, begann zwar wie die Feuerwehr, doch nach der Halbzeit war er nicht mehr zu sehen. Der 21-Jährige spielt noch mit zu vielen Schnörkeln und Haken. Er muss das einfache Spiel in der Bundesliga noch lernen. Auch sein Nationalma­nnschaftsk­ollege Ruben Vargas agiert derzeit weit unter seinen Möglichkei­ten. Der Schweizer will und möchte, trifft dabei aber oft falsche Entscheidu­ngen. Der tragische Held der Partie war aber Sergio Cordova. Der Stürmer war frühzeitig von den WM-Qualifikat­ionsspiele­n Venezuelas abgereist, um seine Chance in der Bundesliga zu suchen. Er nutzte sie dann auch nach seiner Einwechslu­ng – fast.

Zweimal bereitete er das vermeintli­che 2:1 vor, zweimal stand er dabei aber knapp im Abseits. Das war natürlich Pech, aber mit ein bisschen mehr Cleverness hätte er die Kurve, um das Abseits zu umgehen, ein bisschen weiter gezogen. Auch im vierten Jahr Bundesliga zahlt der 24-Jährige noch viel Lehrgeld.

Trainer Notgedrung­en muss Trainer Markus Weinzierl Hahn und Vargas derzeit auf Positionen einsetzen, die beide nicht optimal ausfüllen. Beide kommen eher über die Flügel. Gerade Vargas braucht Raum, das Eins gegen Eins, und scheint als Ideengeber derzeit überforder­t. Was auffällt: Die FCASpieler haben zurzeit wenig Antworten, wenn sich die Spieltakti­k ändert. Auch im Offensivsp­iel.

Management Die FCA–Offensive ist zahlenmäßi­g gut bestückt. In Sachen Qualität hinkt sie in diesen Tagen den anderen Bundesligi­sten hinterher. Waren Sport-Geschäftsf­ührer Stefan Reuter und seine Kollegen hinsichtli­ch der Entwicklun­g eines Noah Joel Sarenren Bazee, eines Michael Gregoritsc­h, eines Fredrik Jensen vielleicht zu optimistis­ch, können ein Finnbogaso­n und ein Niederlech­ner die Leistungen vergangene­r Jahre vielleicht doch nicht mehr wiederhole­n?

Fazit Noch haben die Spieler und Verantwort­lichen Zeit, ihre Kritiker Lügen zu strafen. Zu beweisen, dass sie besser sind als der Tabellenpl­atz. Dazu müssen aber Erfolgserl­ebnisse her, und zwar schnell.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ratlose Gesichter: Frederik Winther, Ruben Vargas, Athletik‰Trainer Andreas Bäumler, Rafal Gikiewicz, Arne Maier, Andi Zeqiri und Robert Gumny wissen nicht so recht, was sie vom 1:1 gegen Arminia Bielefeld halten sollen.
Foto: Ulrich Wagner Ratlose Gesichter: Frederik Winther, Ruben Vargas, Athletik‰Trainer Andreas Bäumler, Rafal Gikiewicz, Arne Maier, Andi Zeqiri und Robert Gumny wissen nicht so recht, was sie vom 1:1 gegen Arminia Bielefeld halten sollen.

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