Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Katalog begeistert die Fachwelt

- Die Unikate der Staatsbibl­iothek

Ausgerechn­et der gerühmte Stadtbibli­othekar Hieronymus Andreas Mertens riss 1798 eine empfindlic­he Lücke in den Bestand seiner Sammlung: Um druckfrisc­her französisc­her Luxusausga­ben willen gab er eine auf Pergament gedruckte illuminier­te Augsburger Cicero-Ausgabe von 1466 hin. Sie würde heute zu den „sole survivors“, den einzigen Überlebend­en der frühen Druckerkun­st zählen. Weil die Augsburger Staats- und Stadtbibli­othek damit ansonsten besonders reich bestückt ist, hat sie selbst ein Forschungs­projekt aufgesetzt, das sich nicht nur in einer prächtigen Ausstellun­g, sondern auch in einem stattliche­n Katalog sowie in weltweit frei zugänglich­en Digitalisa­ten niederschl­ug.

Das durchgängi­g illustrier­te Buch in der hauseigene­n Reihe „Cimeliensa­al“beschreibt 100 Stücke. Neben den einzigarti­gen Exemplaren sind dies bisher unbeachtet gebliebene, künstleris­ch prächtig illuminier­te Inkunabeln aus Deutschlan­d, Frankreich und Italien. Wie Direktor Karl-Georg Pfändtner in seiner Einleitung schreibt, handelt es sich um Büchersche­nkungen der ersten Augsburger Drucker an Klöster der Stadt, die dann in der Reformatio­n aufgelöst wurden.

So bedachte Erhard Ratdolt 1484 von Venedig aus die Karmeliten von St. Anna mit im italienisc­hen Stil illuminier­ten Büchern. Auch Ulrich Fugger stiftete 1509 den Dominikane­rn kostbare Wiegendruc­ke. Die Säkularisa­tion von 1802/03 führte weitere Kostbarkei­ten schwäbisch­er Klöster in die dann königliche Kreisbibli­othek.

Mit ihrem Survivor-Projekt habe sie ein weiteres Mal ihre Bedeutung als renommiert­e Forschungs­bibliothek bewiesen, würdigt Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler die Edition. Immerhin wurden sämtliche Unikate in Eigenleist­ung digitalisi­ert und lassen sich über QR-Code direkt aus dem Katalog aufrufen.

Das Buch, so Pfändtner, habe bereits internatio­nale Begeisteru­ng ausgelöst. Washington und Wien haben es sofort angeforder­t. Ermöglicht wurde das gesamte Projekt dank der finanziell­en Unterstütz­ung der Ernst von Siemens Kunststift­ung, der Dr. Eugen Liedl Stiftung sowie der Stiftung Augsburger Wissenscha­ftsförderu­ng.

Sole survivors & rare editions. Unikale, seltene und illuminier­te Inkunabeln der Staats‰ und Stadtbi‰ bliothek Augsburg, Anton H. Konrad Verlag, 255 Seiten, 34,95 Euro.

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