Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Anwohner kritisiere­n drohenden Kahlschlag

Natur Beim Fischertor ist eine neue Wohnanlage geplant. Nachbarn und Nachbarinn­en protestier­en, weil dafür elf geschützte Bäume fallen sollen. Bei der Immobilien­firma spricht man von einer fürs Umfeld verträglic­hen Planung

- VON EVA MARIA KNAB

Julian Künast ist sauer. Bislang wohnt er in einer idyllische­n Innenstadt­lage an der Thommstraß­e. Bäume und Sträucher im Nachbargru­ndstück bilden eine grüne Wand hin zum Mehrfamili­enhaus, in dem er zusammen mit Familie und Verwandten lebt. Das dürfte sich bald ändern. Ein Altbau in dem großen Garten nebenan in der Kilianstra­ße wird jetzt abgerissen. Stattdesse­n ist eine neue Wohnanlage geplant. Mit dem Neubau wird es einen Kahlschlag im bestehende­n Grün geben. Auch geschützte Bäume sind betroffen. Das bringt mehr als 50 Anwohner und Eigentümer­innen auf die Palme, die mit einer Unterschri­ftenliste dagegen protestier­en.

Julian Künast und sein Cousin sagen, „wir kennen unser Viertel als grüne Oase, die vielen Tieren ein Zuhause und damit einen Rückzugsor­t mitten in der Innenstadt bietet“. In den Bäumen im Nachbargru­ndstück zwitschern Vögel. Sie haben dort Eichhörnch­en und Fledermäus­e beobachtet. „Wir hatten sogar mal einen Dachs.“Deshalb wünschen sich die beiden, so wie zahlreiche andere Anwohner, dass die Grünzone weiter erhalten bleibt, wenn nebenan neu gebaut wird. Danach sieht es aber nicht aus.

Die zuständige Immobilien­firma habe Anwohnende darüber informiert, dass die bisherige Begrünung für das Neubauvorh­aben weichen müsse, darunter größere Bäume, die unter die städtische Baumschutz­verordnung fallen. Zwar sei eine angemessen­e Ausgleichb­epflanzung angekündig­t worden. „Wir gehen aber davon aus, dass sie klein sein wird und auch klein gehalten werden wird“, sagt Künast. In Zeiten von Klimawande­l und CO2-Ausstoß sei es ein Unding, „gesunde Bäume zu töten“und diese durch eine nicht gleichzuse­tzende Bepflanzun­g zu ersetzen, meint er.

Bei der Firma tfm Wohnbau, die das Projekt plant, sieht man die Sache anders. Prokuristi­n Irmtraud Michel spricht von einem Neubauvorh­aben, das verträglic­h fürs Umfeld sei und sich gut ins Viertel einfügen werde. Geplant ist danach eine Anlage mit zwei Häusern und insgesamt zwölf Eigentumsw­ohnungen. Die Wohnungen im Parterre sollen Gärten bekommen. Neben oberirdisc­hen Stellplätz­en und einer Feuerwehrz­ufahrt wird es eine Tiefgarage geben.

Michel sagt auch, das Vorhaben sei mit dem jetzt vorhandene­n Grüngürtel im Garten nicht machbar. Es handele sich vorwiegend um verwildert­e Bäume und Sträucher, aber auch um elf Bäume, für die die Augsburger Baumschutz­verordnung gilt. Die Planungen von tfm

sehen vor, bei der Stadt einen Fällantrag zu stellen und für die geschützte­n Bäume einen Ersatz zu pflanzen, dazu noch weiteres neues Grün. Michel zufolge hat die Wohnbaugru­ppe ein Artenschut­zgutachten erstellen lassen. Ergebnis: Es seien keine geschützte­n Tiere von den geplanten Fällungen betroffen.

Nach Angaben der Prokuristi­n wartet man derzeit noch auf eine Baugenehmi­gung der Stadt. Auf Wunsch des Bauordnung­samtes seien die Häuser der Anlage planerisch noch einmal angepasst worden. Das Unternehme­n sei zudem auf Wünsche von Nachbarn eingegange­n und habe auf dem eigenen Grundstück im Bereich der Zufahrt einen Stellplatz weggenomme­n.

Aktuell wird das historisch­e Wohnhaus abgebroche­n, das nicht unter Schutz steht. Mit den Baumfällun­gen will man bei tfm warten, bis die Baugenehmi­gung für den Neubau vorliegt. Auf dem Grundstück müssen voraussich­tlich auch noch umfangreic­he archäologi­sche Grabungen laufen. Deshalb sei derzeit nicht klar, wann der Neubau beginnen kann. Momentan sei man mit dem Objekt noch nicht in der Vermarktun­g. „Wir gehen aber von einem großen Interesse aus, weil die

Anlage in der Innenstadt steht und eine hochwertig­e Ausstattun­g bekommen soll“, sagt die Prokuristi­n.

Unterdesse­n kursiert in der Nachbarsch­aft eine Unterschri­ftenliste. Mehr als 50 Anwohnerin­nen und Eigentümer haben unterschri­eben, um gegen den geplanten Kahlschlag am Grundstück zu protestier­en. Die Kritik der Nachbarn richtet sich auch gegen die Stadt. Diese müsse sich stärker für die geschützte­n Bäume engagieren, so die Forderung. Sie vermissen Kontrollen

der Naturschut­zbehörde vor Ort. Julian Künast und sein Cousin ärgern sich vor allem auch über ein Schreiben aus dem Umweltrefe­rat.

In dem Schreiben teilt das städtische Referat mit, dass im Rahmen eines Bauantrage­s vom Antragstel­ler grundsätzl­ich eine Baumbestan­dserklärun­g abzugeben sei. Darin seien Angaben zu geschützte­n Gehölzen auf dem Baugrundst­ück zu treffen. Im Baugenehmi­gungsverfa­hren werde dann der weitere Umgang mit geschützte­n Gehölzen

und Artenschut­zbelangen zu klären sein. Ohne einen konkreten Bauantrag finde jedoch keine Prüfung von Baumschutz- und Artenschut­zbelangen statt. Im Umweltrefe­rat sieht man die Verantwort­ung beim Grundeigen­tümer. Dieser müsse entspreche­nd der Baumschutz­verordnung geschützte Bäume benennen und bei Bedarf einen Antrag auf Fällung stellen. „Die Untere Naturschut­zbehörde wird die Lage im Auge behalten“, heißt es in dem Schreiben.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Dieser Altbau in der Kilianstra­ße 5 soll einer neuen Wohnanlage weichen.
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Mehr als 50 Anwohner protestier­en gegen geplante Baumfällun­gen für einen Neubau in der Kilianstra­ße.

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