Augsburger Allgemeine (Land Nord)
SchwarzGrün will weniger Autos in der Grottenau
Mobilität Die Auto-Schneise durch die Innenstadt gilt seit Jahren als Problem. Geprüft werden soll nun eine Verkehrsberuhigung. Doch wie viel Ausweichverkehr würde sie erzeugen?
Das schwarz-grüne Regierungsbündnis will, nachdem es kommendes Jahr einen Verkehrsversuch für eine „autofreie Maximilianstraße“durchgesetzt hat, nun eine Umgestaltung einiger großer Innenstadtstraßen prüfen. Am Montag stellte die Koalition den Antrag, dass die Verwaltung sich darüber Gedanken machen soll, wie die Ost-West-Verbindung zwischen Theater und Jakobertor (also die Achse Grottenau/ Karlstraße/Leonhardsberg/Pilgerhausund Jakoberstraße) „im Sinne einer weitgehenden Verkehrsberuhigung gestaltet beziehungsweise neugestaltet werden kann“.
Hauptaspekt soll sein, die Straße zur „kühlen Meile“umzubauen, also sie etwa durch Baumpflanzungen vor Überhitzung im Hochsommer zu schützen. Auch die Trassierung einer Straßenbahn und die Schaffung breiterer Radwege sollen geprüft werden, so der Wunsch von CSU und Grünen.
Mit dem Antragszeitpunkt am Montag, dem Tag der Inbetriebnahme des Verkehrs- und Parkleitsystems in der Innenstadt, wollten die Regierungsfraktionen womöglich ein politisches Zeichen setzen: Ja zum Parkleitsystem, aber auch Ja zu einer weiteren Verkehrsberuhigung in der Innenstadt. Die Forderung nach einer Umgestaltung der OstWest-Achse gibt es schon seit Jahren und war im Vorfeld der Kommunalwahl sowohl von Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) als auch von Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne) für gut geheißen worden, wenngleich mit unterschiedlichen Nuancierungen. Die CSU hatte von Beginn an darauf hingewiesen, dass man bei einer Verkehrsberuhigung das Thema Verkehrsverlagerungen im Blick haben müsse.
In der Tat sieht der Antrag nun zwingend vor, zu prüfen, welche Folgen eine Verkehrsberuhigung auf die umliegenden Straßenzüge haben würde beziehungsweise welche Straßen so optimiert werden müssten, dass eine Verkehrsberuhigung möglich wäre. Untersucht werden sollen unter anderem Jakoberwallstraße, Thommstraße und Eserwall. Offen ist auch, ob eine Straßenbahnlinie, die allerdings nicht so schnell kommen wird, einen eigenen Gleiskörper haben könnte, wenn sie auf der Ost-West-Achse fährt. Stellenweise, das hatte die Bauverwaltung in der Vergangenheit schon anklingen lassen, könnte das nämlich eng werden. Die Stadt nannte zuletzt eine Zahl von 24.000 Kraftfahrzeugen pro Tag, fußend auf einer Zählung aus 2018. Eine Spur je Richtung könnte gerade noch so ausreichen, aber nicht zu den Stoßzeiten und an manchen Einkaufs-Samstagen, ließ Baureferent Gerd Merkle (CSU) noch vor der Wahl verlauten. Ausweichrouten seien schon gut ausgelastet, sodass manche Wohngebiete wie das Pfärrle oder das Georgsviertel mehr Verkehr abbekommen könnten.
Die Frage, wie mit der Grottenau umgegangen werden soll, die vor 15 Jahren einer der Orte mit der höchsten Feinstaubbelastung in Deutschland war, ist schon lange ein Thema. Die Freien Wähler forderten in der Vergangenheit eine große Tunnellösung, die FDP forderte den Bau einer großen Umgehungsstraße (Nordtangente). Schwarz-Grün hat der Vergangenheit aber schon deutlich gemacht, dass es große Straßenneubauten in Augsburg nicht geben wird. Zuletzt hatte das „Forum Augsburg lebenswert“, ein Zusammenschluss mehrerer (Umwelt-)Verbände und Initiativen, 2019 eine Verkehrsberuhigung der Ost-West-Achse ins Spiel gebracht. Die damalige Vision sah Tempo 30, eine Reduzierung der Autospuren auf eine je Richtung, Bäume sowie eine eigene Straßenbahntrasse auf Rasengleisen in der Straßenmitte vor. Eine Straßenbahn in der Grottenau vom Hauptbahnhof kommend über die Prinzregentenstraße ist seit Jahren als Vision im städtischen Nahverkehrsplan enthalten. Am neuen Bahnhofstunnel wurde sogar schon vorausschauend eine wenige Meter lange Abzweigung unter dem Bahnhofsvorplatz eingebaut, um komplizierte Anbau-Arbeiten zu vermeiden. Welche Linie durch die Grottenau fahren könnte, ist offen. Denkbar wäre, eine künftige Linie zwischen Innovationspark und Hauptbahnhof, die aber noch Zukunftsmusik ist, auf der Trasse der 1er nach Lechhausen zu verlängern.
„Wenn die Verkehrsberuhigung jetzt angegangen wird, wäre das ein richtiger Schritt“, so Jörg Schiffler, Vorsitzender des Forums Augsburg lebenswert (FAL). Der damalige Entwurf sei nur einer von vielen möglichen Vorschlägen, wichtig sei aber die grundsätzliche Richtung mit einer Förderung von öffentlichem Nah-, Fuß- und Radverkehr. Aus Sicht des FAL würde eine Reduzierung der Autospuren auch keine Dauerstaus zur Folge haben. In einer eigenen Zählung kam das Forum zu etwas geringeren Verkehrsmengen als die Stadt.
Im Antragspaket von SchwarzGrün enthalten ist auch eine Prüfung der Verkehrsachse Klinkerberg/Schaezlerstraße. Hier soll überlegt werden, die Einbahnregelung zwischen Plärrer und Justizpalast aufzuheben. Dies, so CSU und Grüne, ermögliche eine Entlastung der Gesundbrunnenstraße. Vor alin lem Anwohner und Anwohnerinnen am Klinkerberg klagen über die zu starke Verkehrsbelastung.
Die Karlstraße in der heutigen Form entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Zuvor war sie nur etwa halb so breit. Die Bombenschäden ermöglichten einen breiten OstWest-Durchbruch, der schon in den vorangegangenen Jahrzehnten diskutiert worden war, um die Innenstadt durchgängiger zu machen und für den Autoverkehr zu erschließen. Über weitere Schneisen wurde zwar nachgedacht, verwirklicht wurde aber nur diese. In der NachkriegsVerkehrsplanung war die OstWest-Achse ein zentraler Baustein. Dass die Straße im Vergleich zu den sonstigen Innenstadtstraßen breit ist, war auch den Stadtplanern klar. Um sie weniger wuchtig zu machen, bekam die Straße eine geschwungene Form. Zudem wollte man, indem man an manchen Stellen Häuser mit Arkaden über dem Gehweg baute, die Straße weniger schneisenartig gestalten.