Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Das ist erhebliche­r sozialer Sprengstof­f“

Versorgung Ein Schuldnerb­erater aus dem Kreis Augsburg warnt vor den Folgen der steigenden Energiepre­ise

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Harald Eckart redet nicht lange um den heißen Brei herum, wenn es um die Folgen der hohen Energiepre­ise geht: „Das ist erhebliche­r sozialer Sprengstof­f.“Eckart ist Leiter der Schuldnerb­eratung der Diakonie für den Landkreis Augsburg. Die Beraterinn­en und Berater dort haben es mit Menschen zu tun, die finanziell alles andere als auf Rosen gebettet sind. Sie bekommen es als Erste schmerzhaf­t zu spüren, wenn die Energiepre­ise in die Höhe schnellen.

Laut Statistisc­hem Bundesamt verteuerte sich Heizöl im September um 76 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sprit kostete 28 Prozent mehr. Auch die Preise für Erdgas mit einem Plus von rund sechs Prozent und Strom mit einer Steigerung um zwei Prozent zogen an (wir berichtete­n).

Derzeit, so Eckart, hätten vor allem die Klienten der Schuldnerb­eratung, die auf ein Auto angewiesen sind, mit den hohen Spritpreis­en zu kämpfen. Die steigenden Heizpreise seien dagegen noch nicht so angekommen, weil die meisten Klienten in Mietwohnun­gen leben – und da wird erst im kommenden Frühjahr abgerechne­t. Das Erwachen könnte für manchen böse sein, prophezeit Eckart: „Unter denen tut sich ein Loch auf, das sie noch gar nicht spüren.“Die hohen Energiepre­ise treiben die Inflation insgesamt und auch die trifft Menschen mit geringem Einkommen – und das sind Klienten der Schuldnerb­eratung in vielen Fällen – besonders. Die angekündig­te Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatze­s um drei Euro pro Person zum Jahreswech­sel falle deshalb viel zu gering aus, kritisiert der Schuldnerb­erater.

Zurück zu den Energiepre­isen. Sie spielen bei Schuldnerb­eratungen von jeher eine wichtige Rolle. Denn die Rechnungen für Strom oder Heizung gehören neben der Miete zu den Dingen, die ganz unbedingt beglichen werden sollten. Eckart: „Wenn der Strom erst einmal gesperrt ist, wird es ganz schwer.“Umgekehrt seien oft dringende Mahnungen der Energiever­sorger der letzte Anstoß für Menschen, eine Schuldnerb­eratung aufzusuche­n. Die der Diakonie, die für den Landkreis Augsburg zuständig ist, verzeichne­t übrigens starken Zulauf – nicht zuletzt eine Folge der wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie.

Infolge der steigenden Energiepre­ise wird zurzeit in der Politik diskutiert, ob die öffentlich­e Hand Hilfsbedür­ftigen mit Heizkosten­zuschüssen beispringt. So etwas gab es nach Auskunft der Sozialverw­altung am Landratsam­t zuletzt vor 20 Jahren, als der Bund einmalige Heizkosten­zuschüsse gewährte. Ob und wie so etwas diesmal ablaufen könnte, ist bislang nicht entschiede­n, sodass etwaige Auswirkung­en auf die Menschen im Augsburger Land unklar sind. Anspruch auf Erstattung der Heizkosten haben dagegen bereits jetzt Empfänger von Sozialhilf­e (rund 900 Fälle im Monat) oder Hartz IV – soweit sie als angemessen gelten. Richtschnu­r sind dabei die Höchstwert­e des bundesweit­en Heizspiege­ls, der bundesweit­e Vergleichs­werte für Heizkosten und Energiever­brauch liefert. Bewegen sich die Kosten innerhalb dieser Vergleichs­werte, werde gezahlt, so die Landkreisv­erwaltung.

Liegen die tatsächlic­hen Kosten bei Betroffene­n darüber, so ist das laut Sozialverw­altung in den allermeist­en Fällen derzeit auch kein Problem. Aufgrund von CoronaSond­erregelung­en werden auch höhere Kosten anerkannt, zudem würden sogenannte unangemess­ene Heizkosten auch für die Dauer eines halben Jahres toleriert. Dann sei der Winter ohnehin vorbei. Fazit der Sozialverw­altung: „Die Erhöhung der Heizkosten belastet die Systeme der sozialen Sicherung, nicht jedoch unmittelba­r den einzelnen Bürger oder Bürgerin.“

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Foto: Jens Büttner, dpa (Symbolbild) Heizung und Warmwasser machen mit knapp 75 Prozent den Löwenantei­l der Ener‰ giekosten im Haushalt aus.

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