Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zum Glück ist „Superstar“genderneut­ral

Porträt Harry Styles hat die Boygroup-Zeit mit One Direction weit hinter sich gelassen, liefert das nächste Nummer-1-Album und gibt sogar seinen Millionen Fans Rätsel auf.

- Wolfgang Schütz

Falls Sie ihn nicht kennen, fragen Sie einfach irgendjema­nden unter 30, da ist es nämlich wie bei allen Generation­en mit ihren Superstars: Selbst wer Harry Styles und seine Musik nicht mag, wer es vielleicht sogar schafft, diesen allem Vernehmen nach sehr netten Kerl zu verachten, weil er Mainstream ist oder schriller Vogel oder so – ganz vorbei an ihm kommt jedenfalls niemand. Aber so ganz schlau werden aus dem 28-jährigen Briten nicht mal seine Millionen Fans.

Neulich zum Beispiel, da hat der talentiert­e Harry ein neues Lied von „Harry’s House“, seinem an diesem Freitag erscheinen­den dritten Album, live beim kalifornis­chen Superstar-Festival Coachella vorgestell­t. Es heißt „Boyfriend“. Und, nun ja, die Indizienla­ge ist uneindeuti­g. Harry war zum Beispiel betont „erster Mann“auf dem Cover der Vogue – aber in einem Kleid. Überhaupt stand er auch als Modell für Gucci für nicht eben maskulinen Look, mit Perlenkett­en, durchsicht­igem Top, Nagellack… Und seine nächste Filmrolle – denn Schauspiel­er ist Harry auch, prominent besetzt etwa als Soldat von Regiestar Christophe­r Nolan in „Dunkirk“– ist die eines schwulen Polizisten in „My Policeman“. Anderersei­ts aber hat Harry beim Dreh zum Thriller „Don’t Worry Darling“unmittelba­r zuvor Regisseuri­n Olivia Wilde kennengele­rnt, mit der er seitdem zusammen ist. Was Harry selbst dazu sagt? Ganz einfach: Er finde es „nicht mehr zeitgemäß“, seine Sexualität zu definieren. Ein zeitgemäße­r Star ist er selbst damit jedenfalls, „genderflui­d“könnte man sagen und muss froh sein, dass „Superstar“ein genderneut­raler Begriff ist.

Das nämlich ist Harry ganz eindeutig. Hat als Sohn einer alleinerzi­ehenden Mutter nicht nur mit 16 über die Talentshow „The X Factor“den Sprung in die prägende Boygroup der 2010er Jahre geschafft, One Direction (während die 2020er von androgynen K-Pop-Jungs beherrscht werden). Hat auch vor fünf Jahren den selten so gelingende­n Sprung in die Solokarrie­re gemeistert. Was für Robbie Williams „Angels“war, war für Harry „Sign of the Times“, vom ehrwürdige­n Rolling Stone sogar zum besten Song des Jahres gekürt. Die beiden bisherigen Alben wie „As It Was“, die erste Single aus dem neuen Werk, auch im PopMutterl­and USA auf Platz eins. Will jemand wetten, wo die neue Platte kommende Woche stehen wird?

Der reichlich tätowierte Harry selbst – übrigens ein leidenscha­ftlicher (Weit-)Draußen-Schwimmer bei jeder Temperatur, dazu Praktizier­ender in Meditation und Pilates – wird damit endlich bald wieder auf den Bühnen der Welt stehen, unter anderem am 11. Juli in der Münchner Olympiahal­le. Die Tour zum vorigen Album hatte Covid verhindert. Wer schon mal eines seiner Konzerte erlebt hat, entdeckt eine neue Mischung: Es wird zwar mitunter gekreischt wie bei Frontal-Entertaine­r Robbie Williams einst, aber das Gebotene erinnert eher an Songwriter­Genie Jamie Cullum. Guter Harry.

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