Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nach Großbrand im Schloss: Emersacker hat wieder eine Kneipe

Das Night Rider ist eine Institutio­n in der Gemeinde. Nun ist Pächter Jonny zurück – und bereit loszulegen.

- Von Philipp Kinne

Emersacker Christian Czichon, der Kneipenwir­t, den alle nur Jonny nennen, ringt nach den richtigen Worten. Jonny steht hinter dem neuen, elf Meter langen Tresen im Night Rider und denkt an diesen einen Novembermo­ntag, der für ihn alles veränderte. Er wirkt nachdenkli­ch. Dann bricht es aus ihm heraus: „Ich war daheim“, sagt er. Es war frühmorgen­s, der Hund bellte. „Dann höre ich die Sirene und denke mir: Das ist nichts Gutes.“Es war nichts Gutes. An diesem Montag verlor Kneipenwir­t Jonny sein Lebenswerk.

Vermutlich war es ein Kühlschran­k, der das Feuer auslöste. Das „Night Rider, die Pilskneipe mit Pfiff“ging in Flammen auf und mit ihr große Teile des Schlosses Emersacker. Das Feuer fraß sich rasend schnell über die alten Fehlbodend­ecken bis ins Gebälk des historisch­en Gemäuers der Schlossanl­age. Der Schaden ging in die Millionen. Was nicht verschmort­e, wurde von einer Schmutzsch­icht aus Ruß und Löschschau­m überzogen. Etwa 200 Helfer aus der Region löschten den Großbrand, der viele Menschen in der Region betroffen machte. Mit dem Wahrzeiche­n der Holzwinkel­gemeinde verschwand übrigens auch die alte Papagei-Dame Karina. Der Rauch hat das Leben des Kneipenmas­kottchens genommen. Jonny hat den Vogel in seinem Garten beerdigt. Das ist jetzt vier Jahre her.

So lange schon wartet Jonny, der seinen Spitznamen von seinem Vater erhalten hat, darauf wieder loszulegen. Jahrelang wurden Schloss und Kneipe für viel Geld saniert. Am Samstag ist es endlich so weit. Dann steht der Wirt wieder hinter dem selbst gebauten Tresen und zapft Pils oder er geht nach nebenan, um eine Bonsa auf den Grill zu werfen.

Dass er wieder Wirt sein kann, stand eine Zeit lang auf der Kippe. Es gab Überlegung­en, aus der Pilskneipe ein richtiges Wirtshaus zu machen, vielleicht mit Biergarten. Aber Jonny hatte Glück. „Die Gemeinde hat mich gefragt, ob ich es machen will. Da habe ich nicht überlegt“, sagt der 66-Jährige. Zuletzt arbeitete der ehemalige Automechan­iker und Bierfahrer als Lagerist. Aber sein Herz – das ist klar – schlägt für die Kneipe. „Alle lieben Jonny und Jonny liebt sie alle“

– lautet die Überschrif­t in einem Text über die Gemeinde Emersacker, der sich auf deren Webseite findet. Woran das liegt? Vielleicht an den vielen Anekdoten und Geschichte­n, die der 66-Jährige auf Lager hat.

Der Wirt erzählt von seinen „Ice-Remember-Partys“mit 500 Gästen und den US-Car-Treffen in Emersacker. Heuer will er wieder ein solches Treffen mit amerikanis­chen Oldtimern organisier­en – nach jahrelange­r Pause. Ob jetzt alles wieder so wird wie früher? „Das kann man nicht sagen“, meint Jonny. Die Zeiten hätten sich geändert.

Die Gruppe junger Männer etwa, die früher jeden Abend in seiner Pilskneipe saß, ist längst erwachsen. „Die kommen heute mit ihren Kindern zum Essen.“Die jüngere

Generation gehe nicht mehr so oft feiern wie früher, ist sich der 66-Jährige sicher. Vielleicht liege das an der Pandemie, in der die jungen Leute das Feiern verlernt hätten. Egal, Jonny will weitermach­en.

Im Night Rider riecht es noch nach frischer Farbe. Der Tresen ist jetzt grau und schwarz, nicht mehr schwarz-weiß kariert. Auf dem Boden ist neues Parkett ausgelegt. Das alte Muster mit Kuhflecken ist verschwund­en. Die Wände wirken noch etwas leer. „Jonny, das bist nicht du“, habe kürzlich ein alter Stammgast zu ihm gesagt. „Aber mit der Zeit wird sich das schon noch füllen“, ist sich der Wirt sicher. 19 Jahre lang gab es die „Pilskneipe mit Pfiff“. Nun, nach vier Jahren Pause ist das Night Rider wieder von Donnerstag bis Sonntag ab 18 Uhr geöffnet. Der Name seiner Kneipe, erzählt Jonny, sei übrigens kein Schreibfeh­ler.

„Knight Rider“, die Fernsehser­ie aus den 1980ern mit David Hasselhoff, schreibt man bekanntlic­h anders. Jonny weiß das als Fan natürlich.

In seiner Garage steht ein alter Pontiac, also das Auto, das durch die Fernsehser­ie als „K.I.T.T.“Kultstatus erreichte. Wieso also „Night“(engl. Nacht) statt „Knight“(engl. Ritter)? „Ich habe David mal in München getroffen“, erzählt Jonny.

Da ergriff er die Gelegenhei­t und fragte den US-amerikanis­chen Schauspiel­er, ob er seine Kneipe in Emersacker nach der TV-Serie benennen dürfe. Hasselhoff gab ihm zu verstehen, dass er dafür Geld haben möchte. Vielleicht war das ein Scherz. Aber Jonny ging lieber auf Nummer sicher.

Warum die Kneipe nicht Knight Rider wie die Kultserie heißt

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Fotos: Marcus Merk Jonny, eigentlich Christian Czichon, hinter dem Tresen. Die Kneipe ist und bleibt sein Leben.
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Ein Feuer hatte die Kneipe völlig zerstört.
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So sieht das Night Rider heute aus.

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