Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zwischen den Gräbern auf Friedhöfen gibt es immer mehr Lücken
Gräber werden früher aufgelöst und die Zahl der Feuerbestattungen nimmt zu: Auf den Friedhöfen gibt es mehr Brachen. Die Stadt will gegensteuern. Doch wie passt der Waldfriedhof der Fugger dazu?
Die städtischen Friedhöfe werden in den kommenden Jahren ihr Gesicht ändern: Weil Gräber früher aufgelöst werden, die Zahl der Erdbestattungen ab- und die der Urnenbestattungen zunimmt, wird die Zahl der leeren Grabstellen zunehmen. Die Lücken sind in vielen Gräberfeldern schon heute unübersehbar. Man werde die Friedhöfe künftig anders entwickeln müssen, so Umweltreferent Reiner Erben (Grüne). Denkbar seien mehr Urnen-Gemeinschaftsgräber auf leer stehenden Grabstellen, um Lücken zu füllen. Insgesamt, so ein Vorkonzept des Grünamtes, würden Friedhöfe neben ihrer Funktion als Ruhestätten auch in ökologischer Hinsicht oder als Erholungsflächen wichtiger. Denkbar seien Sitzbereiche wie im Park oder Biotopflächen, die für Schulklassen als „Grüne Klassenzimmer“geöffnet werden könnten.
In der Summe verzeichnete die Stadt auf ihren neun Friedhöfen in den Jahren 2018 bis 2022 einen Rückgang um 852 Grabstätten. Das hört sich bei insgesamt 50.451 Grabstellen (davon 37.035 belegt) nicht nach viel an, die sichtbaren Auswirkungen sind aber größer. Denn der Rückgang bei den Erdgräbern, die in der Vergangenheit die Friedhöfe dominierten, ist mit 2500 erheblich. Bei den Urnengräbern gab es eine Zunahme um 1650. Allerdings fallen unter Urnenbestattungen auch Formen wie eine Ruhestätte in einer Wiese unter Bäumen ohne klassisches Grab mit Stein. Und da wo es noch Urnengräber gibt, benötigen diese nur einen Bruchteil der Fläche eines Erdgrabs. Für die Zukunft rechnet die Stadt mit einem weiter sinkenden Anteil von Erdbestattungen, mit Ausnahme von muslimischen Familien.
Ein Ziel, so das Grünamt, werde es sein müssen, Brachflächen auf Friedhöfen zu reduzieren. Erweiterungsflächen wurden zuletzt schon in Biotope umgewandelt, etwa auf dem Westfriedhof. Im Umweltausschuss des Stadtrats stießen die Vorüberlegungen des Grünamts – auch wenn Referent Erben betonte, dass es sich nur um einen Zwischenstand handelt – nicht nur auf Zustimmung. In der Skizze heißt es auch, dass ruhige
Freizeitnutzungen wie Yoga in bestimmten Bereichen denkbar sein könnten. „Wenn Qigong auf dem Friedhof gemacht wird, dann ist das für Trauergäste ein Problem“, so CSU-Stadtrat Peter Schwab. Die Stadt solle lieber Probleme mit kaputten Wegen und Gießwasserbrunnen lösen, statt Wolkenschlösser zu bauen. Grünen-Fraktionschef Peter Rauscher konterte, dass er sich Yoga auf dem Friedhof auch nur schwer vorstellen könne. „Aber es ist zwingend notwendig, zu überlegen, wie die Friedhöfe in zehn oder 20 Jahren aussehen sollen. Angriffe auf Referenten benötigen wir nicht“, so Rauscher. CSURätin Sabine Slawik brachte ein Begegnungscafé ins Spiel. Für viele ältere Menschen sei der Friedhof ein sozialer Anlaufpunkt.
Parallel zu den Herausforderungen bei den eigenen Friedhöfen hatte die Stadt zuletzt ihr Okay für Pläne der Fugger für einen Waldfriedhof auf einem Höhenrücken zwischen Wellenburg und Anhauser Weiher gegeben. „Waldfriedhöfe haben nichts damit zu tun, dass Gräber auf städtischen Friedhöfen
aufgelassen werden. Wer aus dem Raum Augsburg im Wald begraben werden will, muss bisher nach Franken ausweichen“, so GrünenRat Rauscher. In der CSU wird das Thema ambivalent gesehen. Die städtischen Friedhöfe hätten Probleme mit der Belegung, der Waldfriedhof werde das nicht besser machen. Andererseits gebe es das Bedürfnis nach Bestattungen im Wald. Die Sozialfraktion fordert die Entwicklung von Teilen des Nordfriedhofs zum Waldfriedhof mit Urnenbestattungen auf einer Blumenwiese. Damit komme man Bedürfnissen der Bevölkerung nach und sichere der Stadt Gebühren.
Kritik am Waldfriedhof kommt auch von der Gartenbaugruppe Augsburg, einem regionalen Zusammenschluss von Firmen im bayerischen Gärtnereiverband. Waldfriedhöfe schwächten die Augsburger Friedhöfe, so Unternehmer Herbert Wörner. „Jeder Friedhof in Augsburg hat genug Flächen, um Baumbestattungen durchzuführen. Und jede Urne gehört auf die städtischen Friedhöfe,
um ihre Zukunft zu sichern.“Es dürfte freilich auch im Interesse der Firmen sein, wenn es möglichst viele Gräber gibt, für deren Pflege sie beauftragt werden können. Wörner sagt, es gehe aber grundsätzlich um den Erhalt der Friedhöfe. Je mehr Gräber es dort gebe, auf desto mehr Schultern würde der Unterhalt für den Friedhof an sich verteilt. Wenn die Zahl der Gräber weiter zurückgehe, sei absehbar, dass die Friedhofsgebühren noch weiter nach oben gehen.
Die Zahl der Waldfriedhöfe in Deutschland wächst, weil der Wunsch nach dieser Bestattungsform zunimmt. Alleine die beiden größten Anbieter betreiben knapp 150 Standorte. In Augsburg läuft die Suche nach einem Standort seit Jahren. Nachdem die Stadt auf eigenem Grund keine Fläche fand, soll es auf den Fugger-Wald bei Wellenburg hinauslaufen. Dort wäre Platz für 1500 Urnen am Fuß der Bäume. Zuletzt gab es Diskussionen über die dafür nötigen Auto-Stellplätze, die im Wald etwa 600 Meter entfernt vom Gutshof mit der Wirtschaft entstehen sollen. Infrage kommt dafür ein bestehender Holzladeplatz. Seitens des Hauses Fugger wurden mindestens zehn Plätze als Bedarf genannt, wobei dies im Vergleich zu anderen Waldfriedhöfen unterdurchschnittlich sei. Für mobilitätseingeschränkte Trauergäste, Bestatter, Pfarrer und Musik sei das Kontingent schnell ausgeschöpft. Bei Bedarf könne die Zufahrt mit einer Schranke gesteuert werden, um den Verkehr zu begrenzen. Das Umweltreferat hält, nachdem sich Stadträte zuvor skeptisch geäußert hatten, die Argumentation für schlüssig. Man müsse grundsätzlich aber darauf hinweisen, dass ein Waldfriedhof an sich nicht barrierefrei sein könne. Auch wer mit dem Auto hochfahre, werde vor Ort keine ebenen Wege vorfinden.
Wenn die Zahl der Gräber sinkt, steigen die Gebühren