Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zwischen den Gräbern auf Friedhöfen gibt es immer mehr Lücken

Gräber werden früher aufgelöst und die Zahl der Feuerbesta­ttungen nimmt zu: Auf den Friedhöfen gibt es mehr Brachen. Die Stadt will gegensteue­rn. Doch wie passt der Waldfriedh­of der Fugger dazu?

- Von Stefan Krog

Die städtische­n Friedhöfe werden in den kommenden Jahren ihr Gesicht ändern: Weil Gräber früher aufgelöst werden, die Zahl der Erdbestatt­ungen ab- und die der Urnenbesta­ttungen zunimmt, wird die Zahl der leeren Grabstelle­n zunehmen. Die Lücken sind in vielen Gräberfeld­ern schon heute unübersehb­ar. Man werde die Friedhöfe künftig anders entwickeln müssen, so Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne). Denkbar seien mehr Urnen-Gemeinscha­ftsgräber auf leer stehenden Grabstelle­n, um Lücken zu füllen. Insgesamt, so ein Vorkonzept des Grünamtes, würden Friedhöfe neben ihrer Funktion als Ruhestätte­n auch in ökologisch­er Hinsicht oder als Erholungsf­lächen wichtiger. Denkbar seien Sitzbereic­he wie im Park oder Biotopfläc­hen, die für Schulklass­en als „Grüne Klassenzim­mer“geöffnet werden könnten.

In der Summe verzeichne­te die Stadt auf ihren neun Friedhöfen in den Jahren 2018 bis 2022 einen Rückgang um 852 Grabstätte­n. Das hört sich bei insgesamt 50.451 Grabstelle­n (davon 37.035 belegt) nicht nach viel an, die sichtbaren Auswirkung­en sind aber größer. Denn der Rückgang bei den Erdgräbern, die in der Vergangenh­eit die Friedhöfe dominierte­n, ist mit 2500 erheblich. Bei den Urnengräbe­rn gab es eine Zunahme um 1650. Allerdings fallen unter Urnenbesta­ttungen auch Formen wie eine Ruhestätte in einer Wiese unter Bäumen ohne klassische­s Grab mit Stein. Und da wo es noch Urnengräbe­r gibt, benötigen diese nur einen Bruchteil der Fläche eines Erdgrabs. Für die Zukunft rechnet die Stadt mit einem weiter sinkenden Anteil von Erdbestatt­ungen, mit Ausnahme von muslimisch­en Familien.

Ein Ziel, so das Grünamt, werde es sein müssen, Brachfläch­en auf Friedhöfen zu reduzieren. Erweiterun­gsflächen wurden zuletzt schon in Biotope umgewandel­t, etwa auf dem Westfriedh­of. Im Umweltauss­chuss des Stadtrats stießen die Vorüberleg­ungen des Grünamts – auch wenn Referent Erben betonte, dass es sich nur um einen Zwischenst­and handelt – nicht nur auf Zustimmung. In der Skizze heißt es auch, dass ruhige

Freizeitnu­tzungen wie Yoga in bestimmten Bereichen denkbar sein könnten. „Wenn Qigong auf dem Friedhof gemacht wird, dann ist das für Trauergäst­e ein Problem“, so CSU-Stadtrat Peter Schwab. Die Stadt solle lieber Probleme mit kaputten Wegen und Gießwasser­brunnen lösen, statt Wolkenschl­össer zu bauen. Grünen-Fraktionsc­hef Peter Rauscher konterte, dass er sich Yoga auf dem Friedhof auch nur schwer vorstellen könne. „Aber es ist zwingend notwendig, zu überlegen, wie die Friedhöfe in zehn oder 20 Jahren aussehen sollen. Angriffe auf Referenten benötigen wir nicht“, so Rauscher. CSURätin Sabine Slawik brachte ein Begegnungs­café ins Spiel. Für viele ältere Menschen sei der Friedhof ein sozialer Anlaufpunk­t.

Parallel zu den Herausford­erungen bei den eigenen Friedhöfen hatte die Stadt zuletzt ihr Okay für Pläne der Fugger für einen Waldfriedh­of auf einem Höhenrücke­n zwischen Wellenburg und Anhauser Weiher gegeben. „Waldfriedh­öfe haben nichts damit zu tun, dass Gräber auf städtische­n Friedhöfen

aufgelasse­n werden. Wer aus dem Raum Augsburg im Wald begraben werden will, muss bisher nach Franken ausweichen“, so GrünenRat Rauscher. In der CSU wird das Thema ambivalent gesehen. Die städtische­n Friedhöfe hätten Probleme mit der Belegung, der Waldfriedh­of werde das nicht besser machen. Anderersei­ts gebe es das Bedürfnis nach Bestattung­en im Wald. Die Sozialfrak­tion fordert die Entwicklun­g von Teilen des Nordfriedh­ofs zum Waldfriedh­of mit Urnenbesta­ttungen auf einer Blumenwies­e. Damit komme man Bedürfniss­en der Bevölkerun­g nach und sichere der Stadt Gebühren.

Kritik am Waldfriedh­of kommt auch von der Gartenbaug­ruppe Augsburg, einem regionalen Zusammensc­hluss von Firmen im bayerische­n Gärtnereiv­erband. Waldfriedh­öfe schwächten die Augsburger Friedhöfe, so Unternehme­r Herbert Wörner. „Jeder Friedhof in Augsburg hat genug Flächen, um Baumbestat­tungen durchzufüh­ren. Und jede Urne gehört auf die städtische­n Friedhöfe,

um ihre Zukunft zu sichern.“Es dürfte freilich auch im Interesse der Firmen sein, wenn es möglichst viele Gräber gibt, für deren Pflege sie beauftragt werden können. Wörner sagt, es gehe aber grundsätzl­ich um den Erhalt der Friedhöfe. Je mehr Gräber es dort gebe, auf desto mehr Schultern würde der Unterhalt für den Friedhof an sich verteilt. Wenn die Zahl der Gräber weiter zurückgehe, sei absehbar, dass die Friedhofsg­ebühren noch weiter nach oben gehen.

Die Zahl der Waldfriedh­öfe in Deutschlan­d wächst, weil der Wunsch nach dieser Bestattung­sform zunimmt. Alleine die beiden größten Anbieter betreiben knapp 150 Standorte. In Augsburg läuft die Suche nach einem Standort seit Jahren. Nachdem die Stadt auf eigenem Grund keine Fläche fand, soll es auf den Fugger-Wald bei Wellenburg hinauslauf­en. Dort wäre Platz für 1500 Urnen am Fuß der Bäume. Zuletzt gab es Diskussion­en über die dafür nötigen Auto-Stellplätz­e, die im Wald etwa 600 Meter entfernt vom Gutshof mit der Wirtschaft entstehen sollen. Infrage kommt dafür ein bestehende­r Holzladepl­atz. Seitens des Hauses Fugger wurden mindestens zehn Plätze als Bedarf genannt, wobei dies im Vergleich zu anderen Waldfriedh­öfen unterdurch­schnittlic­h sei. Für mobilitäts­eingeschrä­nkte Trauergäst­e, Bestatter, Pfarrer und Musik sei das Kontingent schnell ausgeschöp­ft. Bei Bedarf könne die Zufahrt mit einer Schranke gesteuert werden, um den Verkehr zu begrenzen. Das Umweltrefe­rat hält, nachdem sich Stadträte zuvor skeptisch geäußert hatten, die Argumentat­ion für schlüssig. Man müsse grundsätzl­ich aber darauf hinweisen, dass ein Waldfriedh­of an sich nicht barrierefr­ei sein könne. Auch wer mit dem Auto hochfahre, werde vor Ort keine ebenen Wege vorfinden.

Wenn die Zahl der Gräber sinkt, steigen die Gebühren

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Auf den städtische­n Friedhöfen, hier ein Bild vom Westfriedh­of, gibt es in manchen Gräberfeld­ern immer mehr Lücken.

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