Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nerviges Schaulaufe­n in der K-Frage

Statt zu debattiere­n, wer die Union 2025 in die nächste Bundestags­wahl führt, sollten CDU und CSU der Ampelkoali­tion lieber unter die Arme greifen – zum Wohle des Landes.

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Von Peter Müller

Sicher, der Preis der Kanzlerkan­didatur ist dieses Mal besonders verlockend. Angesichts des desolaten Zustandes der Ampelregie­rung scheint es so gut wie ausgemacht, dass die Union den nächsten Bundeskanz­ler stellt. Und wenn man diese Frage früh klärt, dann, so könnte man anfügen, dann lässt sich auch ein unfeines Ringen auf offener Bühne wie 2021 zwischen Markus Söder und Armin Laschet vermeiden. Zumal nunmehr einer wie Wolfgang Schäuble fehlt, der die Dinge klärt, wenn sie aus dem Ruder laufen.

Doch die Union sollte sich nicht zu früh freuen. Gut möglich, dass die monatelang­e Selbstbesc­häftigung mit der Frage, wer die Partei im Spätsommer 2025 (!) in den Wahlkampf führen soll, auf die Wählerinne­n und Wähler weniger vorausblic­kend wirkt als abschrecke­nd. Die Menschen plagen andere Sorgen als die Frage, ob Merz’ Gattin und seine erwachsene­n Kinder dessen Kandidatur goutieren – und das gilt nicht nur für die Bürgerinne­n und Bürger, denen in Niedersach­sen

oder Sachsen-Anhalt die Flut in diesen Tagen Hab und Gut fortreißt.

Deutschlan­d steht 2024 vor gewaltigen Herausford­erungen. Der Nahe Osten versinkt im Chaos, im Krieg gegen die Ukraine droht Putin die Oberhand zu gewinnen und völlig offen ist, was passiert, wenn Donald Trump Ende des Jahres ins Weiße Haus zurückkehr­t. Das wäre, auch angesichts der Auswirkung­en auf die Wirtschaft, für jede

Bundesregi­erung ein anspruchsv­olles Umfeld, vor allem, wenn gleichzeit­ig aufgrund des Urteils des Bundesverf­assungsger­ichts neue Sparpakete nötig werden.

Nein, das Jahr 2024 taugt ganz gewiss nicht zur Generalpro­be für parteitakt­ische Ränkespiel­e. Im Gegenteil: Jetzt wäre die Zeit, Verantwort­ung zu übernehmen. Das gilt für die Regierung. Aber eben auch für die Opposition. In der Kommunalpo­litik ist eine Zusammenar­beit über die Lager hinweg gang und gäbe. Daran könnten sich die Akteure im Bund ein Beispiel nehmen.

Natürlich ist es das gute Recht von CDU und CSU, auf den desolaten Auftritt der Ampel hinzuweise­n. Doch wer den Bundeskanz­ler als Person diskrediti­ert („Sie können es nicht!“) oder mit realitätsf­ernen Neuwahlfor­derungen (Warum sollte auch nur eine Ampelparte­i dabei mitmachen?) die Bevölkerun­g kirre macht, der kommt nicht seiner Aufgabe als Opposition­sführer nach. Der trägt eher dazu bei, das Vertrauen in das politische System insgesamt zu untergrabe­n.

Viele Menschen haben den Streit inzwischen so satt, dass sie in der Union gar keine Alternativ­e zur Ampel sehen, sondern gleich nach ganz rechts abwandern. Friedrich Merz sollte das bedenken. Sonst disqualifi­ziert er sich für das Amt des Bundeskanz­lers, bevor er überhaupt antritt.

Viele Menschen wenden sich von der Politik insgesamt ab.

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