Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wir halten uns zu 100 Prozent ans Gesetz“

Landwirte aus dem Landkreis Augsburg und dem Rest des Landes wollen eine Woche lang gegen die Politik der Bundesregi­erung protestier­en. Was sie vorhaben.

- Von Marco Keitel

Wer in den sozialen Medien Aufrufe zur geplanten Protestwoc­he der Landwirte ab 8. Januar liest, könnte erschrecke­n. Von einem Lahmlegen des Landes wird da teilweise geschriebe­n. Von Straßenblo­ckaden bis die Ampelregie­rung zurücktrit­t. Wer die Urheberinn­en und Urheber sind, die sich eine Eskalation wünschen, ist nicht immer klar zu erkennen. Die Pläne des Bauernverb­andes im Augsburger Land sehen jedenfalls etwas anders aus. Zumindest vorerst. Der Fokus liegt auf Veranstalt­ungen in den Großstädte­n München, Augsburg, Nürnberg. Aber auch im Landkreis sind Aktionen geplant.

Martin Mayr, Landwirt aus Kutzenhaus­en und Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­andes, betont: „Wir stehen schon hinter dem Rechtsstaa­t.“Niemand wisse genau, was am Montag passiere. Eine Eskalation wollen Mayr und der Bauernverb­and nicht. Gleich das ganze Land lahmzulege­n, ergebe keinen Sinn. Zum einen, weil die Sitzungswo­chen des Bundestage­s ohnehin erst am 15. Januar beginnen. Zum anderen, weil er befürchte, dass die Landwirte den Rückhalt

der Bevölkerun­g verlieren, falls es am 8. Januar ausarte. Stattdesse­n setzt der Verband auf gezielte, angemeldet­e Proteste in München am Montag, in Augsburg am Plärrer am Mittwoch und in Nürnberg am Freitag. Gipfeln soll der Protest deutscher Bauern in der Woche darauf in einer Großkundge­bung am 15. Januar am Brandenbur­ger Tor in Berlin. Mayr, der selbst für die CSU im Kreistag sitzt, sagt: „Wir müssen ja auch wieder mit den Politikern reden können.“

Es gehe um drei zentrale Ziele: Die Steuerverg­ünstigung für den sogenannte­n „Agrardiese­l“müsse erhalten bleiben. Gleiches gelte für die Steuerbefr­eiung für land- und forstwirts­chaftliche Nutzfahrze­uge. Gesenkt werden solle außerdem die Steuer für Bio-Kraftstoff. Bei zwei Punkten lenkte die Bundesregi­erung am Donnerstag­nachmittag bereits ein. Die Kfz-Steuerbefr­eiung für Bauern soll doch nicht gestrichen und der Agrardiese­l zumindest nicht auf einen Schlag teurer werden.

Der Bauernverb­and will, Stand Donnerstag­nachmittag, am Protest festhalten. Dass die AmpelKoali­tion geplante Kürzungen von Subvention­en zurücknehm­en möchte, reicht auch Landwirt Lukas

Wiedenmann aus Täfertinge­n nicht. Er sagt: „Es geht um viel mehr. Der Frust hat sich über Jahre aufgebaut.“Wiedenmann will am Montag zur großen Demo der Landwirte nach München fahren. „Solange die Verbände hinter der Aktion stehen, bin ich dabei.“Er geht davon aus, dass viele Landwirte aus dem Augsburger Land am Montag ebenfalls demonstrie­ren werden – bei der großen Demo in München, aber auch bei kleineren Aktionen im Landkreis.

Trotz Fokus auf den Veranstalt­ungen in Großstädte­n könnte es auch im Augsburger Land Aktionen geben. In Schwabmünc­hen planen die Landwirte am Dienstagab­end ab 18 Uhr einen Schlepperz­ug durch die Innenstadt. Adolf Kraus, Obmann der Ortsgruppe des Bauernverb­ands, sagt: „Ich rechne mit rund 100 Teilnehmer­n.“Auch Kraus betont: „Wir halten uns zu 100 Prozent an gesetzlich­e Regeln – irgendwas zu blockieren ist nicht erlaubt.“

Außerdem ist laut Landratsam­t eine Schlepper-Demo von Landwirten am Montag angemeldet. Zwischen 6 und 17 Uhr wollen sie von Gersthofen nach Zusmarshau­sen und zurück und über Augsburg nach Täfertinge­n fahren. Ob davon die A8 betroffen sein wird, war am Donnerstag­nachmittag noch nicht geklärt. Die Demo wurde nicht vom Bauernverb­and, sondern von Privatpers­onen angemeldet. Von mehreren Landwirten aus dem Augsburger Land ist zu hören, dass sie mit Traktoren über die A8 nach München fahren und die Autobahn dadurch blockieren wollen.

Ist die Polizei auf Proteste im Augsburger Land vorbereite­t? Marion Liebhardt, Hauptkommi­ssarin und Pressespre­cherin des Präsidiums Schwaben Nord, teilt auf

Nachfrage unserer Redaktion mit: „Die Polizei betreut und begleitet geplante Versammlun­gen und ergreift lageangepa­sst die notwendige­n Maßnahmen.“Das seien etwa Verkehrssp­errungen. Das Polizeiprä­sidium verfüge über eine Einsatzhun­dertschaft und werde, falls nötig, von Einsatzkrä­ften der Bereitscha­ftspolizei unterstütz­t.

Auf große Unterstütz­ung aus der Speditions­branche dürfen die Bauern im Landkreis Augsburg nicht zählen. Obwohl der Präsident des Bundesverb­ands Güterverke­hr und Logistik, Dirk Engelhardt, eine Beteiligun­g von Lastwagenf­ahrern am Protest ins Gespräch gebracht hatte. Roman Mayer, Geschäftsf­ührer der gleichnami­gen Unternehme­nsgruppe mit rund 400 Lastwagen in Gersthofen, sagt: „Die Landwirte kochen seit Jahren ihr eigenes Süppchen – und wir sind keine Trittbrett­fahrer.“Der Unternehme­r, der am Freitag 75 Jahre alt wird, setzt auf einen eigenen Protest seiner Branche, der nächste Woche in München stattfinde­n soll. An der Politik der Bundesregi­erung lässt er kein gutes Haar. Neben der CO2-Maut stört ihn der zunehmende Bürokratis­mus. Das effiziente­ste Mittel des Protests, so Mayer, wäre, ein bis zwei Wochen lang keine Tankstelle­n mehr zu beliefern. „Dann würde die ganze Welt klein werden.“Auch Alessandro Cacciola, Geschäftsf­ührer der Andreas Schmid Group, ebenfalls ein Logistikun­ternehmen in Gersthofen, erteilt dem Streik eine Absage, kritisiert aber die Sparmaßnah­men der Regierung.

Erneut ihre Arbeit niederlege­n und damit zahlreiche­n Pendlern den Weg zur Arbeit erschweren könnten dagegen Lokführer. Am Sonntagabe­nd läuft der Weihnachts­frieden aus, den sie sich selbst verordnet hatten. (mit kinp)

Die Polizei begleitet Versammlun­gen

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