Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Arbeit hält Wolfgang Eidel fit
Der 82-jährige Gold- und Silberschmiedemeister hat sein Atelier in Augsburg längst an die nächste Generation übergeben. Dennoch zieht es ihn jeden Tag in seine Werkstatt in Diedorf.
Die Werkstatt von Wolfgang Eidel in Diedorf, direkt an sein Wohnhaus angeschlossen, ist ein hoher, weitläufiger Raum. Die Wände sind voll mit Geweihen – Zeugen einer seiner Leidenschaften, des Jagens. Seine zweite, noch weit größere Leidenschaft, ist ebenfalls überall präsent: In Regalen bis an die Decke stapeln sich die Werkzeuge, an den Wänden hängen Plakate von verschiedenen Ausstellungen, und auf einer der Werkbänke stehen Eidels aktuelle Projekte.
„Das sind meine neuesten Arbeiten, ein Becher und eine Schale, die Elias Holl gewidmet sind“, erklärt Eidel. Der 82-Jährige ist Goldund Silberschmiedemeister, Designer und Metallbildhauer. Seit 53 Jahren gehört seiner Familie das Atelier Eidel in Augsburg.
1941 wurde Eidel in Essen geboren. „Nach meinem Abitur bin ich zur Kunstschule gegangen und war dort in der Klasse für Formgestaltung, also das, was man heute Design nennen würde“, erzählt Eidel. Dort habe er seine Grundausbildung in Grafik, Malerei und Bildhauerei erhalten. Neben der Schulausbildung habe er bereits an verschiedenen Wettbewerben teilgenommen und Prüfungen für die Silberschmiedekunst belegt, obwohl er darin noch keine Lehre gemacht habe, so Eidel. „Ich habe mir vieles autodidaktisch beigebracht.“Durch mehrere gewonnene Wettbewerbe habe er ein Stipendium erhalten und so für kurze Zeit in Berlin studiert. „Danach habe ich eine Zusage für die Hochschule für Goldschmiedekunst in Kopenhagen bekommen. So bin ich nach Dänemark gegangen“, erzählt Eidel. Dort habe er auch einige Praktika in Werkstätten absolvieren können und eine Goldene Nadel für seine Arbeit erhalten. „Das war eine riesige Auszeichnung
für mich.“Zurück in Deutschland habe er 1969 in Düsseldorf seine Meisterprüfung abgelegt.
Nach Augsburg sei er hauptsächlich durch seine Frau gekommen. „Meine Frau kommt aus Niederbayern und wollte sich in Bayern niederlassen. Dann bot sich in Augsburg die Übernahme eines Geschäfts an, was wir sofort gemacht haben“, erzählt Eidel. Obwohl dieser erste Betrieb ein Flop gewesen sei, habe sich schon kurz darauf das bis heute bestehende Geschäft am Perlachberg in Augsburg angeboten. Zur gleichen Zeit haben er und seine Frau auch das
Haus und die Werkstatt in Diedorf bezogen. „Ich hatte schon immer den Wunsch, einmal selbstständig zu sein. Am Anfang war unser Laden klein wie ein Zigarrenladen, dann haben wir uns alle zehn Jahre vergrößert“, so Eidel.
In diesem Jahr habe die Familie so das 53-jährige Bestehen des „Atelier Eidel“feiern können – mit dreijähriger Verspätung durch die Coronapandemie. Seit 2011 führt Tochter Nicole Eidel das Unternehmen weiter.
Trotzdem hat sich Wolfgang Eidel nie von seinem Handwerk trennen können. „Mich fasziniert das Metall und die Arten, wie man es verändern kann, ungemein“, sagt Eidel. Er ist einer der wenigen Gold- und Silberschmiede, die noch seltene Techniken wie das Feuervergolden oder die sogenannte Schlangenhautpunzierung beherrschen. Den Nebenraum seiner Werkstatt nennt Eidel den „Dreckraum“: Hier wird geschliffen und poliert. „Den dreckigen Teil der Arbeit wollen heute viele nicht mehr machen.“
Die Liebe zum Handwerk in all seinen Facetten ist bei Wolfgang Eidel jederzeit spürbar. So bearbeitet er nicht nur Metall, auch andere Dinge, die im Haushalt anfallen, stellt er selbst her. Vor einiger Zeit sei beispielsweise bei einem Einbruch ihr Gartentor beschädigt worden – so habe er kurzerhand ein neues aus Holz hergestellt. Das Holz mache er ebenfalls selbst. Auch das Schwimmbad im Garten habe er selbst gebaut. „Man muss arbeiten, um sich fit zu halten. Wenn ich keine Lust mehr habe, in der Werkstatt zu sein, dann arbeite ich im Garten“, erzählt Eidel. „Es macht mir Freude, wenn ich alles selbst machen kann.“Außerdem lege er großen Wert darauf, keine Materialien zu verschwenden. „Bei mir kommt nichts weg. Wenn ich etwa Reste von Holzarbeiten habe, kann ich diese für Knöpfe oder Ähnliches benutzen.“
Sein Tagesablauf sei sehr strukturiert, sagt Eidel. Jeden Morgen gehe er mit seinem Hund Gassi. Direkt danach gehe er in seine Werkstatt. „Dort schmiede ich dann leidenschaftlich Silber.“Eine der größten Herausforderungen in seinem heutigen beruflichen Alltag seien Restaurationsarbeiten. So habe er unter anderem einen Kelch aus dem 19. Jahrhundert restauriert, der in einem Tresortor eingequetscht wurde. „Ich habe zwei Jahre lang überlegt, wie ich diesen Kelch wieder richten kann.“Schlussendlich habe er ihn fotografiert und in alle Einzelteile zersägt. „180 Stunden Arbeit habe ich notiert, aber es waren bestimmt mehr“, sagt Eidel. Den Kelch habe er so wieder neu zusammengebaut und es geschafft, ihn zu 98 Prozent wiederherzustellen. Es seien Herausforderungen wie diese, die ihn bis heute für seinen Beruf begeistern.
Außerdem: „Es fasziniert mich an meiner Arbeit, ein wirkliches Produkt herzustellen. Wenn dann der Kunde hereinkommt und die fertige Arbeit sieht, mit strahlenden Augen, dann geht diese Freude auf mich über. Solche Erlebnisse machen einen stolz.“Deshalb ist er sich sicher: „Ich mache weiter, solange ich kann.“