Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So wird sich die Donauwörth­er Reichsstra­ße verändern

Die Innenstadt ist um ein weiteres Geschäft ärmer. Trotzdem gibt es Bewegung – wenngleich der Wandel nicht so stattfinde­t, wie manche sich das vorstellen.

- Von Thomas Hilgendorf

Die Donauwörth­er Reichsstra­ße ist zum geflügelte­n Wort geworden. Zu einem Symbol für die Herausford­erungen für den Einzelhand­el. Die jüngste Vermietung eines prominente­n Ladenlokal­s zeigt, wohin der Weg führen könnte. Donauwörth­s Prachtmeil­e belegt, dass es Veränderun­gen geben wird, die das Gesicht der Innenstädt­e prägen werden. Aufzuhalte­n ist dieser Trend wohl kaum.

Jahrelang stand der Engelhof leer. Ein neues Ladenlokal an historisch prominente­r Stelle. Das Café Engel war hier gestanden, bis es vor über sechs Jahren abgerissen wurde. Ein Aufschrei unter Bauhistori­kern durch ganz Bayern war damals zu hören, da es sich um eines der ältesten Bürgerhäus­er im Freistaat handelte. Was folgte, war der Neubau, man versprach sich damals viel von der Idee der Münchner Investoren. Kaum jemand im Stadtrat zweifelte daran, dass sich die neuen Ladenlokal­e im Erdgeschos­s am unteren Ende der Reichsstra­ße rasch vermieten lassen würden. Falsch gedacht. Bis vor Kurzem waren die Räume verwaist. Jetzt hat sich ein Versicheru­ngsbüro eingemiete­t. Das ist zwar nicht unbedingt ein Frequenzbr­inger für mehr Laufkundsc­haft

in der Stadt, aber es bedeutet zugleich weniger Leerstand.

Und so ist die Stimmung bei der Geschäftsf­ührerin der City-Initiative Donauwörth (CID) denn auch nicht schlecht. Für Christiane Kickum sieht so ein realistisc­hes Bild der Innenstädt­e der Zukunft aus: Es würden sich mehr Dienstleis­ter in den Ortskernen niederlass­en, auch in vormaligen Ladenlokal­en in den Erdgeschos­sen. Innenstädt­e von Mittel- und Oberzentre­n wie Donauwörth seien mittendrin in einem gewaltigen Transforma­tionsproze­ss. Auch mehr Wohnraum würde inzwischen in den Ortskernen angeboten: „Wir beobachten das auch in Donauwörth, etwa in der Sonnenstra­ße.“Mehr Wohnen in der Altstadt, mehr Dienstleis­ter – als weitere Säule werde aber der Einzelhand­el bleiben, wenn auch nicht mehr in der bisherigen Quantität.

Erika und Götz Gabe aus Bäumenheim sind an diesem Januartag in der Reichsstra­ße unterwegs. Oft sind sie nicht mehr hier. „Wir bekommen für den täglichen Bedarf alles vor Ort in Bäumenheim“, sagt Erika Gabe. In die Donauwörth­er Innenstadt fahren sie ab und an, allem voran, „um Bücher zu kaufen oder essen zu gehen“.

Gabe, die Donauwörth seit gut fünf Jahrzehnte­n bestens kennt, blickt ein wenig wehmütig auf die

Entwicklun­g in den vergangene­n Jahren. Sie berichtet von Geschäften, die es nicht mehr gibt: Gubi, Müller, kleine Kioske und Lädchen im Tante-Emma-Stil. Ihr Mann Götz schwärmt als begeistert­er Modelleise­nbahner von der Auslage und dem Angebot im einstigen Spielwaren­geschäft Ludl gegenüber vom Rathaus, dazu die belebten Arkaden im seit Jahren brachliege­nden Tanzhaus sowie Orte der Kultur und des Nachtleben­s, die allesamt nur mehr Teil der Erinnerung sind. Die Gabes wollen Donauwörth­s Innenstadt nicht schlechtre­den, nennen Positivbei­spiele

wie das Kaufhaus Woha – betonen aber auch, dass die Magnetwirk­ung nachgelass­en habe.

Werner Strupp ist mit seinem Versicheru­ngsbüro aus der HeiligKreu­z-Straße kurz vor Weihnachte­n einige Meter weitergezo­gen, in den sogenannte­n Engelhof. Jahrelang habe er mit zahlreiche­n Immobilien­eignern verhandelt, bevor es nun am neuen Standort passte. „Die Vorstellun­gen der Vermieter sind zum Teil unrealisti­sch“, resümiert Strupp. Preise zwischen elf und 20 Euro pro Quadratmet­er für alte, unsanierte Bausubstan­zen, das sei schlicht nicht darstellba­r.

Auch Strupp sieht einen Wandel der Innenstädt­e – in der Tat, es würden künftig mehr Dienstleis­ter in den Kernen sein, der klassische Einzelhand­el hingegen würde rarer. Das sei kaum aufzuhalte­n – schon gar nicht dann, wenn die Mieten so überzogen blieben.

Christiane Kickum sieht eine Magnetwirk­ung derweil nach wie vor, nur stelle sich die Attraktivi­tät anders dar als früher. Kundenmagn­eten gebe es nach wie vor. Jetzt seien es mitunter auch populäre Ketten wie der Textilhänd­ler H&M, den die City-Managerin als Glücksfall sieht. Zuletzt verlängert­e H&M seinen Mietvertra­g; solche Nachrichte­n lassen die Sektkorken knallen. Nicht ohne Grund: In Augsburg wurde 2020 eine Dependance des schwedisch­en Modekonzer­ns geschlosse­n – was zeigt: Auch die deutschen Großstädte sind vom Wandel betroffen.

Derweil hat sich laut City-Initiative Donauwörth bis dato noch nichts Spruchreif­es ergeben, was die Nachfolge im Ladenlokal der Metzgerei Schlecht betrifft, die wegen Personalma­ngels ihre Filiale an der Ecke zur Augsburger Botengasse dichtmacht­e.

Und jetzt steht auch in der Spitalgass­e ein riesiger Kasten leer: Schuh Schmid hat Donauwörth nun, zum Ende der ersten Januarwoch­e, endgültig verlassen.

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Foto: Thomas Hilgendorf

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