Augsburger Allgemeine (Land Nord)
So wird sich die Donauwörther Reichsstraße verändern
Die Innenstadt ist um ein weiteres Geschäft ärmer. Trotzdem gibt es Bewegung – wenngleich der Wandel nicht so stattfindet, wie manche sich das vorstellen.
Die Donauwörther Reichsstraße ist zum geflügelten Wort geworden. Zu einem Symbol für die Herausforderungen für den Einzelhandel. Die jüngste Vermietung eines prominenten Ladenlokals zeigt, wohin der Weg führen könnte. Donauwörths Prachtmeile belegt, dass es Veränderungen geben wird, die das Gesicht der Innenstädte prägen werden. Aufzuhalten ist dieser Trend wohl kaum.
Jahrelang stand der Engelhof leer. Ein neues Ladenlokal an historisch prominenter Stelle. Das Café Engel war hier gestanden, bis es vor über sechs Jahren abgerissen wurde. Ein Aufschrei unter Bauhistorikern durch ganz Bayern war damals zu hören, da es sich um eines der ältesten Bürgerhäuser im Freistaat handelte. Was folgte, war der Neubau, man versprach sich damals viel von der Idee der Münchner Investoren. Kaum jemand im Stadtrat zweifelte daran, dass sich die neuen Ladenlokale im Erdgeschoss am unteren Ende der Reichsstraße rasch vermieten lassen würden. Falsch gedacht. Bis vor Kurzem waren die Räume verwaist. Jetzt hat sich ein Versicherungsbüro eingemietet. Das ist zwar nicht unbedingt ein Frequenzbringer für mehr Laufkundschaft
in der Stadt, aber es bedeutet zugleich weniger Leerstand.
Und so ist die Stimmung bei der Geschäftsführerin der City-Initiative Donauwörth (CID) denn auch nicht schlecht. Für Christiane Kickum sieht so ein realistisches Bild der Innenstädte der Zukunft aus: Es würden sich mehr Dienstleister in den Ortskernen niederlassen, auch in vormaligen Ladenlokalen in den Erdgeschossen. Innenstädte von Mittel- und Oberzentren wie Donauwörth seien mittendrin in einem gewaltigen Transformationsprozess. Auch mehr Wohnraum würde inzwischen in den Ortskernen angeboten: „Wir beobachten das auch in Donauwörth, etwa in der Sonnenstraße.“Mehr Wohnen in der Altstadt, mehr Dienstleister – als weitere Säule werde aber der Einzelhandel bleiben, wenn auch nicht mehr in der bisherigen Quantität.
Erika und Götz Gabe aus Bäumenheim sind an diesem Januartag in der Reichsstraße unterwegs. Oft sind sie nicht mehr hier. „Wir bekommen für den täglichen Bedarf alles vor Ort in Bäumenheim“, sagt Erika Gabe. In die Donauwörther Innenstadt fahren sie ab und an, allem voran, „um Bücher zu kaufen oder essen zu gehen“.
Gabe, die Donauwörth seit gut fünf Jahrzehnten bestens kennt, blickt ein wenig wehmütig auf die
Entwicklung in den vergangenen Jahren. Sie berichtet von Geschäften, die es nicht mehr gibt: Gubi, Müller, kleine Kioske und Lädchen im Tante-Emma-Stil. Ihr Mann Götz schwärmt als begeisterter Modelleisenbahner von der Auslage und dem Angebot im einstigen Spielwarengeschäft Ludl gegenüber vom Rathaus, dazu die belebten Arkaden im seit Jahren brachliegenden Tanzhaus sowie Orte der Kultur und des Nachtlebens, die allesamt nur mehr Teil der Erinnerung sind. Die Gabes wollen Donauwörths Innenstadt nicht schlechtreden, nennen Positivbeispiele
wie das Kaufhaus Woha – betonen aber auch, dass die Magnetwirkung nachgelassen habe.
Werner Strupp ist mit seinem Versicherungsbüro aus der HeiligKreuz-Straße kurz vor Weihnachten einige Meter weitergezogen, in den sogenannten Engelhof. Jahrelang habe er mit zahlreichen Immobilieneignern verhandelt, bevor es nun am neuen Standort passte. „Die Vorstellungen der Vermieter sind zum Teil unrealistisch“, resümiert Strupp. Preise zwischen elf und 20 Euro pro Quadratmeter für alte, unsanierte Bausubstanzen, das sei schlicht nicht darstellbar.
Auch Strupp sieht einen Wandel der Innenstädte – in der Tat, es würden künftig mehr Dienstleister in den Kernen sein, der klassische Einzelhandel hingegen würde rarer. Das sei kaum aufzuhalten – schon gar nicht dann, wenn die Mieten so überzogen blieben.
Christiane Kickum sieht eine Magnetwirkung derweil nach wie vor, nur stelle sich die Attraktivität anders dar als früher. Kundenmagneten gebe es nach wie vor. Jetzt seien es mitunter auch populäre Ketten wie der Textilhändler H&M, den die City-Managerin als Glücksfall sieht. Zuletzt verlängerte H&M seinen Mietvertrag; solche Nachrichten lassen die Sektkorken knallen. Nicht ohne Grund: In Augsburg wurde 2020 eine Dependance des schwedischen Modekonzerns geschlossen – was zeigt: Auch die deutschen Großstädte sind vom Wandel betroffen.
Derweil hat sich laut City-Initiative Donauwörth bis dato noch nichts Spruchreifes ergeben, was die Nachfolge im Ladenlokal der Metzgerei Schlecht betrifft, die wegen Personalmangels ihre Filiale an der Ecke zur Augsburger Botengasse dichtmachte.
Und jetzt steht auch in der Spitalgasse ein riesiger Kasten leer: Schuh Schmid hat Donauwörth nun, zum Ende der ersten Januarwoche, endgültig verlassen.