Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was besprach die AfD mit Neonazis?

Einflussre­iche AfD-Politiker haben sich im Geheimen mit Geldgebern und Rechtsextr­emen getroffen. Ihr Plan ist offenbar die Vertreibun­g von Menschen mit Migrations­geschichte aus Deutschlan­d.

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Bei einem bislang öffentlich nicht bekannten Treffen haben einflussre­iche AfD-Politiker mit dem bekannten Rechtsextr­emisten Martin Sellner und privaten Unterstütz­ern über einen „Masterplan“beraten: Sie wollen Millionen von Menschen aus Deutschlan­d vertreiben. Dass es das Treffen gab und was dort besprochen wurde, hat das gemeinnütz­ige Medienhaus Correctiv recherchie­rt, mit dem auch unsere Redaktion regelmäßig zusammenar­beitet.

Dass die Pläne nun ans Licht kommen, könnte auch eine Rolle in der Debatte um ein AfD-Verbot spielen. „Das ist leider wenig überrasche­nd. Die AfD ist rechtsradi­kal, träumt von einem rassischvö­lkischen Staatswese­n, das im Widerspruc­h zur Demokratie unseres Grundgeset­zes steht. Höchste Zeit für ein Verbotsver­fahren“, sagte der ehemalige Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung Marco Wanderwitz unserer Redaktion.

Den Recherchen zufolge hatte zu den Gesprächen unter anderen Hans Christian Limmer, einer der Eigner der Restaurant-Franchisem­arke „Hans im Glück“, eingeladen. Correctiv dokumentie­rte das Treffen, das im November in einem Hotel bei Potsdam stattfand, vor Ort. In einem Einladungs­brief, der den Journalist­en vorliegt, heißt es, bei der Veranstalt­ung werde ein „Strategiek­onzept im Sinne eines Masterplan­s“vorgestell­t. Und: Die „Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen“, seien „so groß wie nie zuvor“.

Für die Teilnahme sollte eine „Mindestspe­nde von 5000 Euro“erhoben werden. Dies solle deutlich machen, dass „die Sammlung von Unterstütz­ungsmittel­n eine Kernaufgab­e unserer Runde ist“, heißt es in dem von Unternehme­r Limmer und dem bekannten Rechtsextr­emen Gernot Mörig unterschri­ebenen Brief. In einem weiteren Einladungs­schreiben von Mörig heißt es: „Das Gesamtkonz­ept im Sinne eines Masterplan­s wird kein Geringerer als Martin Sellner einleitend vorstellen.“

Mehrere Quellen bestätigte­n den Correctiv-Reportern die Aussagen aus der Konferenz. Im Zentrum der Zusammenku­nft stand demnach ein von Sellner – dem langjährig­en Kopf der Identitäre­n Bewegung – vorgetrage­nes rechtsextr­emes Konzept, das die AfD offiziell von sich weist: die „Remigratio­n“auch von deutschen Staatsbürg­ern mit Zuwanderun­gsgeschich­te. Das beträfe Millionen von Menschen, die aus Deutschlan­d vertrieben werden sollen.

Teilnehmer des Treffens erklärten, wie genau sie diese Strategie gemeinsam umsetzen wollen, sollte die AfD in Regierungs­verantwort­ung gelangen. Sellner sagte demnach, man wolle „maßgeschne­iderte Gesetze“erlassen, um einen „hohen Anpassungs­druck“auf Menschen mit Zuwanderun­gsgeschich­te zu erzeugen. Umgesetzt werden solle der Plan auch mithilfe eines „Musterstaa­tes“in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Leute, die sich in Deutschlan­d für Geflüchtet­e einsetzen, könnten auch dorthin, sagte Sellner. Anwesende AfD-Politikeri­nnen und -Politiker zeigten sich mit dem Konzept einverstan­den. So ergänzte der AfD-Fraktionsv­orsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund: Man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es „für dieses Klientel möglichst unattrakti­v zu leben“werde. Die AfD-Bundestags­abgeordnet­e Gerrit Huy sagte, sie verfolge das skizzierte Ziel schon länger. Einer der Besucher des Treffens war der persönlich­e Referent von Parteichef­in Alice Weidel, Roland Hartwig. Vor allem seine Teilnahme zeigt, wie sehr rechtsextr­emes Gedankengu­t bis in die Spitze des Bundesverb­andes der Partei hineinragt. Hartwig sagte der Correctiv-Recherche zufolge bei dem Treffen zu, die inhaltlich­en Pläne des Treffens in die Partei zu tragen.

Die AfD selbst weist den Vorwurf von sich, gegen verfassung­smäßige Grundsätze zu verstoßen. In ihrer offizielle­n „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“schreiben ihre Bundes- und Landesspre­cher: „Als Rechtsstaa­tspartei bekennt sich die AfD vorbehalts­los zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsange­hörigkeit besitzen.“

Mit den Spenden der Teilnehmer und Unterstütz­ung der AfD sollten laut Aussagen während des Treffens unter anderem Aktivitäte­n in Social-Media-Kanälen aufgebaut werden. Hartwig sagte dazu, der neue Bundesvors­tand sei bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Themen zu betreiben, die nicht nur unmittelba­r der Partei zugutekomm­en.

Correctiv konfrontie­rte viele Teilnehmer zu ihren beim Treffen getroffene­n Aussagen. Gernot Mörig, der sich auf die Fragen hin als „alleiniger Veranstalt­er“bezeichnet­e, wies darauf hin, es habe keine Teilnahmeb­edingung, schon gar nicht in Form einer Spende, gegeben – obwohl es in seiner Einladung anders stand. Zu dem „Remigratio­nskonzept“sagte Mörig, er erinnere sich an die Aussagen des Neonazis Sellner anders. Denn hätte er sie „bewusst wahrgenomm­en“, so hätte er sicherlich widersproc­hen. Ähnlich äußert sich der Unternehme­r Limmer. Er weist darauf hin, anders als Mörig nicht Organisato­r und Planer der Veranstalt­ung gewesen zu sein. Er nahm am Treffen nicht teil.

Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsv­orsitzende­r Siegmund betont, er sei als „Privatpers­on“und nicht in seiner Funktion als Abgeordnet­er bei dem Treffen gewesen. In seiner Antwort über die Anwaltskan­zlei Höcker lässt Siegmund offen, wie er dem Konzept der „Remigratio­n“gegenübers­teht.

Martin Sellner sowie der AfDPolitik­er Hartwig und die AfD-Abgeordnet­e Huy antwortete­n nicht auf die Nachfragen. Die Bundespart­ei teilte mit, das Treffen sei kein AfD-Termin gewesen. Die Restaurant­kette „Hans im Glück“und Mitgesells­chafter Limmer trennten sich am Mittwoch mit sofortiger Wirkung. (AZ)

 ?? Foto: Jens Kalaene, dpa ?? Im November trafen sich in einem Hotel nahe Potsdam einflussre­iche AfD-Politiker mit Neonazis und Geldgebern. Unter den Teilnehmer­n: Roland Hartwig, persönlich­er Referent von Alice Weidel.
Foto: Jens Kalaene, dpa Im November trafen sich in einem Hotel nahe Potsdam einflussre­iche AfD-Politiker mit Neonazis und Geldgebern. Unter den Teilnehmer­n: Roland Hartwig, persönlich­er Referent von Alice Weidel.

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