Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Saudi-Arabien erhält Lenkraketen
Kurswechsel der Regierung bei Waffenexporten
Die Bundesregierung hat die Lieferung von 150 Raketen zur Bewaffnung von EurofighterKampfjets an Saudi-Arabien genehmigt und damit ihren Kurswechsel bei den Waffenlieferungen in das Königreich untermauert. Das geht aus einem Schreiben von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an den Wirtschaftsausschuss des Bundestags hervor. Danach erhält das Land sogenannte Luft-Luft-Lenkflugkörper des Typs Iris-T von Diehl Defence (Überlingen).
Am Sonntag hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrer Nahost-Reise verkündet, dass die Regierung sich dem Export weiterer Eurofighter nicht länger entgegenstellen werde. Sie begründete das damit, dass der reiche Golfstaat zur Sicherheit Israels und zur Verhinderung eines Flächenbrandes im Nahen Osten beitrage, indem es von den jemenitischen Huthis auf Israel abgeschossene Raketen abfange. Nun wird bekannt, dass die Bundesregierung schon Ende letzten Jahres einen größeren Waffenexport nach Saudi-Arabien genehmigt hat, bei dem es um Kriegswaffen direkt aus deutscher Produktion geht. Über das Schreiben Habecks berichtete zuerst der Spiegel. Es ist ein konkreter Beleg für den Kurswechsel der Ampel-Regierung bei den Waffenexporten nach Saudi-Arabien, die jahrelang weitgehend eingeschränkt waren.
2018 hatte die Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel die Rüstungslieferungen in den Wüstenstaat wegen dessen Beteiligung am Jemen-Krieg sowie wegen des
Mords an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Generalkonsulat Istanbul weitgehend gestoppt. Ausnahmen ließ sie nur für Gemeinschaftsprojekte mit Bündnispartnern zu. Davon machte auch die Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP immer wieder Gebrauch. Im Juli aber kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande eines Nato-Gipfels überraschend eine Lockerung des harten Kurses an. Die Jemen-Klausel im Koalitionsvertrag, die Waffenlieferungen an am Jemen-Krieg beteiligte Staaten verbot, wurde für Saudi-Arabien außer Kraft gesetzt.
Ein Freibrief für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien bedeutete das noch nicht. Ausfuhrgenehmigungen würden bis zum Ende des Jemen-Kriegs zurückgestellt– mit Ausnahme von Gemeinschaftsprojekten. Im Einzelfall könnten je nach Einsatzrelevanz Ausnahmen gemacht werden. Ein solcher Fall scheint der Export der Lenkflugkörper nun zu sein. Habeck äußerte sich dazu in Riad nicht direkt, er wies aber darauf hin, dass bei allen Entscheidungen zwei Erwägungen eine Rolle spielten: Einerseits die Frage, ob andere Partner wie die Ukraine nicht „einen notwendigeren Bedarf“hätten. Und ob die fraglichen Waffen „in einer komplizierter gewordenen Welt“so eingesetzt würden, dass sie zum Schutz, zur Deeskalation bzw. zur Stabilität beitrügen. „Dass Saudi-Arabien in der Region auch als Stabilitätsanker gebraucht wird, weiß die Bundesregierung“, betonte Habeck. (dpa)