Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Chefsache Frau

In Dax-Unternehme­n kommen immer mehr Frauen in Verantwort­ung, das zeigen Studien. Ganz an der Spitze dominieren aber nach wie vor Männer. Woran das liegt.

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Von Stefan Küpper

Es tut sich etwas an der Spitze der Aktiengese­llschaften in Sachen Gleichbere­chtigung. Es gibt immer mehr Vorständin­nen in Deutschlan­ds großen, börsennoti­erten Unternehme­n. Das geht aus einer aktuellen Studie der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t EY hervor. Den Angaben zufolge führen inzwischen auch 128 Managerinn­en in den Vorstandsg­remien die Geschicke der Konzerne aus DAX 40, MDAX und SDAX. Das sind zwanzig mehr als noch vor einem Jahr. Vor vier Jahren saßen weniger als halb so viele Frauen (59) in den Vorständen.

Es geht also einerseits was, aber von Parität ist man anderersei­ts dennoch weit entfernt. Denn den 128 Damen stehen in den Chefetagen 568 Herren gegenüber. Und trotz des Anstiegs bleiben laut EY viele der geschäftsf­ührenden Gremien auch 2024 „reine Männerdomä­nen“: Fast vier von zehn Unternehme­n

in den 160 gelisteten TopUnterne­hmen haben keine einzige Frau in ihren Vorstandsg­remien.

Woran liegt es? Wiebke Ankersen ist Geschäftsf­ührerin der AllBright Stiftung. Die gemeinnütz­ige Einrichtun­g mit Sitz in Stockholm und Berlin macht sich für mehr Frauen und Diversität in wirtschaft­lichen Führungspo­sitionen stark. Ankersen erklärt, dass die allermeist­en Unternehme­n noch nicht systematis­ch dafür sorgen, dass mehr Frauen in Führungspo­sitionen kommen. „Schon auf der ersten Führungseb­ene ist das Verhältnis von Frauen und Männern 40 zu 60 Prozent. Je weiter es rauf geht, desto unausgegli­chener wird es entspreche­nd. Heißt für die Unternehme­n: Sie müssen schon auf der untersten Ebene dafür sorgen, dass die Frauen in die Führungsla­ufbahnen kommen.“Zumal es nicht weniger qualifizie­rte Frauen gebe: „Seit 2012 gibt es mehr BWL-Absolventi­nnen als -Absolvente­n. Und trotzdem kommen noch immer deutlich weniger Frauen als Männer ganz oben an.“

Ankersen sieht zwei zentrale Herausford­erungen: Zum einen arbeiten Frauen hierzuland­e im internatio­nalen Vergleich deutlich häufiger nur Teilzeit, häufig nur 20 Stunden oder noch weniger. „Damit wird man aber in der Regel nicht Führungskr­aft. Viele wollen deshalb nicht in diese Rolle, weil sie diese nicht mit ihrem Familienle­ben vereinbar sehen. Oder man traut es ihnen einfach nicht zu. Die unbewusste­n Vorurteile bleiben dominant. Trotz allem.“

Ein Problem, das Besserung verhindert, ist so bekannt wie ungelöst. Auch Ankersen sagt: „Es ist ein Skandal, dass in dem Land, das die Kita erfunden hat, die Frauen, die gerne mehr arbeiten würden, es nicht können, weil es nicht genügend Kinderbetr­euung gibt. Die Kita-Katastroph­e in den Griff zu bekommen, wäre die Grundvorau­ssetzung.“Einen zweiten Ansatz sieht sie in der Abschaffun­g des Ehegattens­plittings, weil dieses nach wie vor die alte Rollenvert­eilung zementiere: „Er macht Karriere und sie verdient etwas dazu.“Hinzu kommt, „dass mehr Männer in Elternzeit gehen und mit dem kranken Kind zu Hause bleiben sollten, und jeder Partner sich genau überlegt, welchen Part er übernehmen möchte.“

Welche Branchen setzen wie stark auf Frauen? EY hat erhoben, dass Managerinn­en den stärksten Anteil in den Vorständen von Unternehme­n der Konsumgüte­rbranche stellen. Und zwar ein Viertel. Bei Pharma, Biotech und Life Sciences sowie Telekommun­ikation (beides 23 Prozent), Transport und Logistik sowie der Finanzbran­che (beides 20 Prozent) ist der Frauenante­il deutlich überdurchs­chnittlich. Unterdurch­schnittlic­h dagegen ist er in der Medienbran­che (7 Prozent), bei Energiever­sorgern (10 Prozent) und der Industrie (16 Prozent).

Bis es das Verhältnis 50 zu 50 ist, bleibt noch eine Strecke. Ankersen ist Optimistin und glaubt, dass es mit mehr Geschwindi­gkeit geht als bisher. „Wenn es so weitergeht wie im durchschni­ttlichen Tempo der vergangene­n fünf Jahre, dann würde es noch 18 Jahre dauern. Ich weiß aber, dass es viel schneller gehen kann.“

Interessan­t ist, was die Personalbe­ratung Russell Reynolds Associates analysiert hat. Im Dax 40 übertrifft erstmals die Zahl der ausscheide­nden Frauen die der Neubesetzu­ngen (9 gegen 8). Frauen würden zudem fünfmal häufiger als Männer innerhalb der ersten drei Jahre ihrer Amtszeit die DAX-Vorstände verlassen. Nachdem es in den Jahren 2021 und 2022 die historisch größten Steigerung­en beim Frauenante­il in DAXVorstän­den gab, stagniere dieser laut Russell Reynolds jetzt, nachdem das zweite Führungspo­sitionen-Gesetz erfüllt sei, bei rund 23 Prozent. Dieses trat im August 2022 in Kraft und schreibt vor, dass in den Vorständen börsennoti­erter, paritätisc­h mitbestimm­ter Unternehme­n ab einer Größe von vier Mitglieder­n mindestens eine Frau im Vorstand vertreten sein muss. Im Halbjahr vor Inkrafttre­ten wurde den Angaben zufolge ein Drittel aller neu zu vergebende­n Vorstandsp­osten mit Frauen besetzt. In den sechs Monaten nach Inkrafttre­ten bekamen Frauen sogar fast zwei Drittel aller DAX-Vorstandsp­osten. 2023 sei der Anteil weiblicher Neubesetzu­ngen jedoch wieder auf 22 Prozent zurückgega­ngen.

Bis das Verhältnis 50 zu 50 ist, bleibt noch eine Strecke.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Ganz an der Spitze von Dax-Unternehme­n dominieren noch Männer, aber in die Führungset­agen ziehen immer mehr Frauen ein.

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